Wer erinnert sich nicht an den Jahreswechsel 1999/2000, an die Sorgen um den Millenium-Bug, die sich bald als unbegründet erwiesen. Oder an die Ausgabe des Euro Anfang 2002, der nach einer kurzen Übergangsfrist "unsere" gemeinsame Währung wurde. Vor einer ähnlichen Zäsur scheinen wir nun wieder bei der anwaltlichen Kommunikation mit den Gerichten zu stehen.
Mehr lesenMündliche Gerichtsverhandlungen sind keine Orakel. Und dennoch orakelt man nach ihnen über die bevorstehende Entscheidung. Das betrifft auch die Verfahren des BGH zum Ärztebewertungsportal „Jameda“, über die der VI. Zivilsenat am 12.10. verhandelt hat (VI ZR 488/19 und VI ZR 489/19). Zwar ließ das Gericht schon einen Tag später per Pressemitteilung wissen, dass die Revisionen zurückgewiesen werden. Aber die Entscheidungsgründe stehen noch aus – und damit auch die Frage, wie viel Grundsätzliches noch darin steckt.
Mehr lesenNach der Bundestagswahl hat die Forderung, Planungsverfahren für Großprojekte – insbesondere im Bereich der Infrastruktur – zu beschleunigen, wieder einmal Hochkonjunktur. Die Hoffnung, dies durch Verfahrensstraffung erreichen zu können, ist freilich eine Schimäre. Sie beruht gleich in doppelter Hinsicht auf einem Trugbild.
Mehr lesenBei der Bemessung des Ehegatten- und Kindesunterhalts bei gehobenen Einkommen hat die familienrechtliche Praxis durch Entscheidungen des Familiensenats des Bundesgerichtshofs bedeutende Veränderungen erfahren. Vor dem Hintergrund gestiegener Einkünfte hat der Senat eine Fortschreibung der Düsseldorfer Tabelle angeregt. Diese ist selbst kein Gesetz, aber sie bietet dem Tatrichter ein Hilfsmittel, möglichst einheitliche Entscheidungen treffen zu können. Musste man früher seinen konkreten Bedarf darlegen, genügt jetzt eine pauschale Abrechnung. Darüber, wie das beim Kindesunterhalt zu erfolgen hat, besteht bislang noch keine Einigkeit. Man kann nur hoffen, dass die Oberlandesgerichte möglichst bald eine einheitliche Linie finden.
Mehr lesenWarum funktioniert die deutsche Geldwäschebekämpfung nicht? Der Sündenbock scheint ausgemacht: Die Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (Financial Intelligence Unit – FIU). Für die Politik ist das praktisch, aber auch perfide: Der zentrale Grund für die Probleme des Geldwäschemeldesystems liegt in einer Gesetzgebung, die einem evident gescheiterten Konzept der Geldwäschebekämpfung folgt und dabei Schäden für Verwaltung, Justiz und Gesellschaft ausblendet.
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Im Juli 2021 verursachte das Hochwasser katastrophale Schäden. Viele Gebäude wurden dabei zerstört und große landwirtschaftliche Flächen überflutet. Was sich da über die Fläche ergoss, war kein klares Wasser, sondern durchsetzt mit Schlamm und vielen Schadstoffen. Tausende Liter Heizöl sind ausgelaufen. Die Menge der in die Umwelt freigesetzten Schadstoffe ist noch unbekannt. Für betroffene Grundstückseigentümer droht damit aus dem Umweltrecht eine zweite Katastrophe, die wegen der größeren Flächen vor allem Landwirte trifft. Sie wird in der juristischen Diskussion über die Folgen des Hochwassers bisher kaum berücksichtigt.
Auch eineinhalb Jahre nach ihrem Ausbruch hält die Pandemie das Land und seine Juristinnen und Juristen unverändert auf Trab – mit unklarer Aussicht auf die Entwicklungen im bevorstehenden Herbst und Winter. Mag auch nicht mit einem scharfen „Lockdown“ gerechnet werden müssen, so darf doch die Bewältigung der Pandemie und ihrer Folgen zu den großen Herausforderungen gezählt werden, die auf das neu gewählte Parlament und die neue Bundesregierung zukommen sowie natürlich auch künftig die Rechtsprechung fordern werden.
Mehr lesenGerade erst ist die für viele Monate aufgrund der Corona-Pandemie eingeschränkte Insolvenzantragspflicht wieder umfassend wirksam geworden. Doch jetzt erfolgt bereits der nächste Rückschnitt: Die Insolvenzantragspflicht wird wegen der Starkregenfälle und Hochwasser erneut ausgesetzt. Überraschend ist dies nicht, denn auch bei den Fluten der Jahre 2002, 2013 und 2016 ist die Insolvenzantragspflicht für Hochwasseropfer zeitweilig ausgesetzt worden. Also alles Routine? Nein!
Mehr lesenMit „Legal-Tech-Inkasso“ und „Consumer Claim Purchasing“ wollen private Unternehmen eine staatlich hinterlassene Rechtsschutzlücke schließen. Wirkungsvoller Rechtsschutz darf kein Luxusgut (mehr) sein, und der kalkulierte Rechtsbruch darf sich nicht (mehr) lohnen.
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Die aktuellen Streiks bei der Deutschen Bahn kosten dem angeschlagenen Staatskonzern viel Geld und verursachen in der Urlaubszeit berechtigten Ärger beim Publikum – warum also dieses Spektakel, inszeniert von Claus Weselsky, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GdL), das sogar den Bundesverkehrsminister zur Forderung nach einer schnellen Schlichtung veranlasst hat?
Mehr lesenDer Beschluss des BVerfG vom 20.7.2021 (1 BvR 2756/20 ua, BeckRS 2021, 21103) zur Festsetzung des zukünftigen Rundfunkbeitrags war mit Spannung erwartet worden, nachdem die Eilanträge, mit denen ARD, ZDF und Deutschlandradio die vorgeschlagene Erhöhung von 17,50 Euro auf 18,36 Euro vorläufig bis zur Hauptsacheentscheidung durchsetzen wollten, gescheitert waren (BVerfG, NVwZ 2021, 237). Umso größer ist jetzt ihre Erleichterung.
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Das Klimaschutzrecht ist Mitte Juli wieder in besonderer Weise ins Blickfeld geraten: Zum einen durch die zerstörerische Jahrhundertflut, die zunächst über Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz, danach auch über Bayern und Sachsen sowie andere Länder hereinbrach und die nach wissenschaftlichen Erkenntnissen mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht werden kann. Und zum anderen durch das Klimapaket „Fit for 55“, das die Europäische Kommission just an dem Tag vorlegte, an dem die dramatische Hochwasserlage hierzulande begann.
Mehr lesenEin Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur 24-Stunden-Bereitschaftspflege offenbart einen sozialpolitischen Missstand, für den der Gesetzgeber in der nächsten Legislaturperiode eine Lösung finden muss. Es geht dabei um nicht weniger als das Leistungsspektrum, die Finanzierbarkeit und die Fachkräftegewinnung in der Pflege.
Mehr lesenDer Mündlichkeitsgrundsatz hat im Zivilprozess schon länger einen eher schweren Stand. Praktisch kommt dem schriftsätzlichen Vortrag regelmäßig ein größeres Gewicht zu als den „in freier Rede“ gehaltenen Vorträgen (vgl. § 137 II ZPO). Und wo eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung möglich ist, wird so gut wie ausnahmslos davon Gebrauch gemacht.
Mehr lesenDie Datenschutz-Grundverordnung hat die Datenschutz-Richtlinie ersetzt, an die Stelle der ePrivacy-Richtlinie soll die ePrivacy-Verordnung treten: Diese Beispiele illustrieren eine auf verschiedenen Rechtsgebieten anzutreffende Tendenz des europäischen Gesetzgebers, Richtlinien bei einer Reform nicht (nur) inhaltlich zu überarbeiten, sondern die Neuregelungen zugleich in Verordnungsform zu gießen. Dieser Wechsel kann geboten, aber auch problematisch sein.
Mehr lesenEine Völkerrechtlerin schreibt ihr erstes Buch; sie hat wenig Zeit, weil sie für ein politisches Wahlamt kandidiert, also hilft ihr ein Ghostwriter. Trotzdem enthält der Text inhaltliche Ungenauigkeiten insbesondere historischer Art (dazu Zenthöfer, Cicero online v. 1.7. 2021). Die bleiben in übersichtlichen Grenzen und dürften keinen Sachmangel begründen; wenn doch, wird so bald die Erheblichkeitsschwelle des § 323 V 2 BGB noch nicht erreicht sein. Zum Problem werden vielmehr ungekennzeichnete Textparallelen, wie so oft.
Mehr lesenDem BGH zufolge tritt die Verwirkung eines Anspruchs eigentlich nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen ein, die als Zeit- und als Umstandsmoment vorliegen müssen. Dennoch wird dieses Rechtsinstitut von Gerichten in unerhörter Weise ausgeweitet und missbraucht. Denn sie stellen in vielen Fällen fest, dass die Belehrungen in Lebensversicherungs- oder Kreditverträgen fehlerhaft sind – weisen Verbraucherklagen aber trotzdem wegen angeblicher Verwirkung ab.
Mehr lesenDie Infektionszahlen sinken und sinken – und wir hoffen alle, dass es so weitergeht. Indes: Andere Zahlen steigen. In Zeiten hoher Inzidenzzahlen wurden zu Recht viele Termine in Zivilsachen aufgehoben. Eher selten konnte im Wege der Bild- und Tonübertragung gemäß § 128a ZPO verhandelt werden – sei es, weil die Gerichte nicht konnten oder wollten, sei es, weil manche Anwältinnen und Anwälte sich mit der neuen Technik nicht anfreunden konnten. Das Ergebnis war abzusehen: Sowohl die Zivilgerichte als auch die Anwaltschaft stehen vor der immensen Aufgabe, die Rückstände bei gleicher Schlagzahl der „Neueingänge“ abzuarbeiten.
Mehr lesenVon der sozialen bis zur globalen Gerechtigkeit, von Generationengerechtigkeit bis zur Gendergerechtigkeit. Die Gerechtigkeit scheint für viele Töpfe ein passender Deckel zu sein. Derzeit hat das Thema auch Hochkonjunktur, wenn es um die Kehrseite der Medaille geht, die Ungerechtigkeit. Wo die (Un)Gerechtigkeit aber bloß plakativ für alles herhalten muss, verkommt sie letztlich zu einer Worthülse.
Mehr lesenDie „Cookie-Plage“ beenden: Dieses Ziel hatten manche Politiker für das Telekommunikations-Telemedien-Datenschutzgesetz (TTDSG) ausgegeben. Das Gesetz ist unlängst verabschiedet worden und soll am 1.12.2021 in Kraft treten. Außerdem soll es im komplexen Zusammenspiel von DS-GVO, ePrivacy-Richtlinie, TMG und TKG für Rechtssicherheit sorgen. Klingt erst einmal gut.
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