Es ist unbestritten, dass die Gerichte Streitigkeiten aus Teilen des Unternehmensrechts
an die Schiedsgerichtsbarkeit verloren haben. Das steht im deutlichen Gegensatz zu
England, wo die Gerichte in London trotz des Brexits ihre international führende Position
behalten haben. Damit fehlt den deutschen Gerichten auf den verloren gegangenen
Gebieten – wie etwa bei Post-M&A-Streitigkeiten – die Möglichkeit zur Rechtsfortbildung.
Die Schiedsgerichtsbarkeit ist dazu, schon wegen ihrer Vertraulichkeit,
weder bestimmt noch geeignet. Das ist eine für den Rechtsstandort Deutschland insgesamt
missliche Situation. Ein Urteil des BGH zur Auslegung des Gesellschaftsvertrags
einer „geplatzten“ Anwaltssozietät ist keine Quelle für ein Schiedsgericht, das
über eine Streitigkeit zwischen Großunternehmen aus einem Joint Venture zu entscheiden
hat.
Die gerade begonnene Legislaturperiode mit einer neuen Koalition ermöglicht einen
unbefangenen Blick auf die Ursachen, die dazu geführt haben, dass die Gerichte das
Vertrauen der Wirtschaft verloren haben, große Verfahren aus dem Wirtschaftsrecht
sachkundig zu entscheiden. Zwei Gründe aus dem Prozessrecht sind hier zu nennen:
die Novellierung des Revisionsrechts von 2002 und deren Umsetzung durch den BGH.
Die Reform von 2002 war von der Vorstellung beherrscht, dass das alte Recht die „wirtschaftlich
Stärkeren“ in unangemessener Weise privilegiert habe. Der Rückgang von
Streitigkeiten zwischen Unternehmen mit hohen Streitwerten war damit vom damaligen
Gesetzgeber gewollt. Der BGH hat eigenständig hierzu beigetragen. In einem
Urteil
aus dem Jahr 2003 (NJW 2003, 1943) hatte er ausgeführt, dass ein offensichtlich
fehlerhaftes Berufungsurteil nur dann zur Zulassung der Revision führe, wenn
gleichzeitig Verfahrensgrundrechte verletzt seien. Dieser Rechtsprechung sind die Unternehmen
dadurch ausgewichen, dass sie vermehrt in ihre Verträge Schiedsklauseln
aufgenommen oder sogar, wie einige Großunternehmen, die Flucht aus dem deutschen
Recht angetreten haben.
Der Gesetzgeber sollte daher umgehend klarstellen, dass ein offensichtlich fehlerhaftes
Berufungsurteil über die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 543 ZPO zur Revision
führt und vom BGH aufgehoben wird, selbst dann, wenn kein Verfahrensgrundrecht
verletzt ist. Ist ein Fehler offensichtlich und entscheidungserheblich, genügen zur
Begründung
der Aufhebung wenige Sätze. Eine mündliche Verhandlung wäre nicht
notwendig.
Die regelmäßig ganz kurzen Entscheidungen der französischen Cour de
Cassation
mögen für den BGH als Vorbild dienen. Der damit verbundene Mehraufwand
ist gering, der Gewinn an Vertrauen in die Rechtsprechung als Ganzes für die Unternehmen
allerdings groß.