NJW-Editorial
Aufgestockter Werkzeugkasten
NJW-Editorial
Lorem Ipsum

Mit dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) kann der Schuldner seit dem 1.1.2021 auch dissentierende Gläubiger an einen Restrukturierungsplan binden, wenn dieser mit den erforderlichen Mehrheiten bestätigt wird. Nach Befragungen bei den mit dem Gesetz neu geschaffenen Restrukturierungsgerichten haben im Jahr 2021 ganze 22 Unternehmen bekundet, dass sie von den neuen Möglichkeiten Gebrauch machen wollen. Lässt sich an dieser Zahl der Erfolg des StaRUG bemessen? Kaum. Die überschaubare Zahl ist allerdings jedenfalls kein Beleg eines Misserfolgs.

3. Mrz 2022

Dabei waren die Erwartungen sicherlich unterschiedlich (vgl. Riewe, NZI-Beilage 2021, 6). Nicht gewollt war ein Ersatz des Insolvenzverfahrens, sondern die Ergänzung des "Werkzeugkastens" zum Umgang mit Unternehmenskrisen durch weitere "Instrumente" (§ 29 StaRUG). Mit diesen wirkt das Gesetz bereits in außergerichtlichen Verhandlungen: Wer als Gläubiger sieht, dass er über einen Restrukturierungsplan zu ­einem Entgegenkommen gezwungen wird, ohne dass dies mit dem Biss in den sauer erscheinenden Apfel eines Insolvenzverfahrens verbunden ist, wird oft auch ohne Durchführung des Verfahrens zum Einlenken bereit sein.

Gesetzliche Neuregelungen brauchen zudem ihre Erprobungszeit - man denke nur an die Eigenverwaltung unter der InsO, die sich auch erst nach einigen Jahren und mit dem Rückenwind des ESUG etabliert hat. Da das Jahr 2021 weiter von staatlichen ­Hilfen zur Pandemiebewältigung, aber auch abwartendem Verhalten von Marktteil­nehmern geprägt war, bewegte sich auch die Zahl der Insolvenzverfahren auf niedrigem Niveau. Konjunkturelle Entwicklungen sowie Herausforderungen der Bewältigung des Klimawandels oder geopolitischer Konflikte setzen zumindest bestimmte Branchen zukünftig unter Druck. Hier wird die Praxis über die bisher erprobten Fallvarianten hinaus weitere finden, in denen das StaRUG den richtigen Weg zur Krisenbewältigung eröffnet. Schließlich steht die Gestaltungsvariante des öffentlichen Restrukturierungsverfahrens überhaupt erst ab dem 17.7.2022 zur Verfügung.

Vom europäischen wie vom deutschen Gesetzgeber gewollt ist der Restrukturierungsrahmen als ein Baustein des Sanierungs- und Insolvenzrechts. Dabei ist die Sanierung ein wünschenswertes Ziel, wenn sie werterhaltend und nachhaltig möglich ist. Auch der Marktaustritt gehört aber in einer Marktwirtschaft dazu und sollte angemessen rechtlich gestaltet werden. Die wirklich spannende Frage ist daher nicht, wie viele, sondern ob die "richtigen" Fälle in die jeweilige verfahrensrechtliche Bahn geleitet werden, so dass volkswirtschaftlich die besten Ergebnisse erreicht werden.

Dr. Anne Deike Riewe ist Rechtsanwältin bei Eversheds Sutherland (Germany) Rechtsanwälte Steuerberater Solicitors Partnerschaft mbB in München.