NJW-Editorial
Schub für internationale Kammern
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©  Annette Koroll

„Wir ermöglichen englischsprachige Spezialkammern für internationale Handels- und Wirtschaftsstreitigkeiten.“ So steht es im Koalitionsvertrag der neuen Ampelregierung. Die zunehmend englischsprachige Unternehmenspraxis – branchenabhängig auch zwischen deutschen Geschäftspartnern – macht sich seit Jahren für gesetzliche Regelungen hierzu stark. Mehrere Gerichte haben den Ruf bereits gehört und reagiert.

27. Jan 2022

So bieten Landgerichte in Berlin, Bonn, Frankfurt am Main, Hamburg und Köln International Chambers oder in Mannheim und Stuttgart einen Commercial Court an. Sie reihen sich damit in Initiativen anderer Staaten ein, wie etwa die kürzlich errichteten staatlichen Commercial Courts in den Niederlanden, in Brüssel, Singapur oder Dubai sowie den bereits seit 126 Jahren bestehenden London Commercial Court.

Deutsche Unternehmen schließen Verträge häufig in englischer Sprache und vereinbaren vielfach Schiedsklauseln. Kommt es zur Anrufung des Schiedsgerichts, wird fast ausschließlich Englisch als Verhandlungssprache gewählt. Allerdings können Schiedsgerichte teuer und schwerfällig in der Besetzung der Richterbank sein, so dass sie häufig nur für sehr hohe Streitwerte genutzt werden. Dies führt zu einer überschaubaren Zahl privater Schiedsverfahren unter anderem vor dem ICC in Paris, teils auch dem London Commercial Court und jährlich etwa 200 Schiedsverfahren in Deutschland.

In den mit drei Richtern besetzten International Chambers wird sprachliches Know-how neben Erfahrung mit grenzüberschreitenden Wirtschaftsstreitigkeiten sowie der Führung von Gerichtsverfahren gebündelt. Internetauftritte der Gerichte informieren darüber, wie diese Kammern im Einvernehmen der Parteien angerufen werden können, um in englischer Sprache zu verhandeln und Unterlagen einzureichen. Es gelten die gesetzlichen Regelungen für Zivilprozesse in Deutschland, die in englischer Sprache online veröffentlicht sind. Diese erlauben den Parteien, Sachvortrag einschließlich ausländisches Recht unstreitig zu stellen, Beweismittel zu benennen, Videoverhandlungen zu beantragen, angemessene Gründe im Sinne des GVG zur Rechtfertigung des (zeitweisen) Ausschlusses der Öffentlichkeit vorzubringen oder auf ein Rechtsmittel zu verzichten. Ein überzeugendes Argument – auch gegenüber ausländischen Vertragspartnern – für deutsche Gerichte ist neben dem Kostenaspekt unter anderem, dass diese im internationalen Vergleich unter den Gesichtspunkten Rechtsstaatlichkeit der Verfahren und Effizienz stets auf einem der vordersten Ränge platziert werden.

Der Ball liegt nun beim Gesetzgeber. Unternehmen und die Anwaltschaft können die Entwicklung fördern, indem sie in Musterverträgen nicht nur die Anwendung deutschen materiellen Rechts, sondern auch Gerichtsstandsvereinbarungen zu deutschen Gerichten vorsehen – und diese auch nutzen. Zudem können im Einzelfall im Einvernehmen der  Parteien bereits jetzt International Chambers eines Landgerichts angerufen werden.

Julia Flockermann ist Vorsitzende Richterin einer internationalen Kammer am LG Berlin.