Kunst will nicht nur Kommunikation, sie ist Kommunikation. Wer ein Bild betrachtet, schafft sein eigenes Bild. Wer einen Text liest, übersetzt ihn in seine eigene Gedankenwelt. Bei den darstellenden Künsten wird die direkte Beziehung zwischen Interpreten und Rezipienten im Wortsinne hörbar: der begeisterte Applaus, das empörte Buh, die Lethargie des gelangweilten, das „Mitgehen“ des inspirierten Publikums. Kunst ermöglicht vielfache und vielschichtige Begegnungen: der Künstlerinnen und Künstler untereinander, gerade wenn um die Interpretation kräftig gestritten wird; der Künstlerinnen und Künstler mit ihrem Publikum, wenn es Kunst nachschöpfend miterlebt; des Publikums mit sich selbst, wenn es über das gemeinsame Kunsterleben ins Gespräch kommt.
Das kann für die Dogmatik der Kunstfreiheit nicht ohne Konsequenzen bleiben. Die Kunst will, so J. Würkner, „kreative Kommunikation mit interpretationsfähiger Struktur“ sein. Von diesem Verständnis her lässt sich Kunstfreit unschwer als Kommunikationsgrundrecht deuten. Wenn und wo Künstler, Kunstexperten und Publikum über „das Eigentliche der Kunst verhandeln“ (A. v. Arnauld), ist das Publikum nicht mehr nur in die Rolle des passiven Rezipienten gedrängt, sondern wird aktiv „Mitverhandelnder“. Werk- und Wirkbereich verschwimmen, Kunst scheint nicht mehr nur eingebettet in ein kommunikatives Feld, sie entsteht vielmehr aus und durch Kommunikation, ist ein Stück weit Produkt von „Verhandlungsprozessen“. Weil Kunst als kommunikationsbasierter Lebensbereich geschützt werden soll, gilt es auch die Kommunikation zwischen dem Kunstwerk, den Künstlern und dem Publikum zu schützen. Diese Kommunikation ist nicht nur Kontext von, sie ist konstitutiver Bestandteil der Kunst.
Die Kunstfreiheit gibt ein Teilhaberecht, das ein Mitschöpfen ermöglicht und zur Mitschöpfung ermächtigt. Dem wäre allein durch den Schutz der allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 I GG nicht Genüge getan. Kunst braucht nicht nur schöpferische Freiräume, sondern auch den Raum des kommunikativen Miteinanders. Es geht dabei um nicht weniger als jenes kulturelle Substrat, ohne das eine freiheitliche Demokratie nicht lebensfähig wäre. Goethe hat das freilich viel schöner gesagt: „Man weicht der Welt nicht sicherer aus als durch die Kunst, und verknüpft sich nicht sicherer mit ihr, als durch die Kunst“ (zu all dem schon Häberle/Kotzur, ZRP 2022, 24 ff.).