ZPO § 293
1. Der Tatrichter hat das ausländische Recht von Amts wegen zu ermitteln (§ 293 ZPO). Dabei hat der deutsche Richter das ausländische Recht so anzuwenden, wie es der Richter des betreffenden Landes auslegt und anwendet. Wie der Tatrichter sich diese Kenntnis verschafft, liegt in seinem pflichtgemäßen Ermessen.
2. Im Allgemeinen werden die Grenzen der Ermessensausübung des Tatrichters durch die jeweiligen Umstände des Einzelfalles gezogen. An die Ermittlungspflicht werden umso höhere Anforderungen zu stellen sein, je komplexer oder je fremder im Vergleich zum eigenen das anzuwendende Recht ist. Von Einfluss auf das Ermittlungsermessen können auch Vortrag und sonstige Beiträge – etwa Privatgutachten – der Parteien sein. Tragen die Parteien eine bestimmte ausländische Rechtspraxis detailliert und kontrovers vor, wird der Richter regelmäßig umfassendere Ausführungen zur Rechtslage zu machen – gegebenenfalls sämtliche ihm zugänglichen Erkenntnismittel zu erschöpfen – haben, als wenn der Vortrag der Parteien zu dem Inhalt des ausländischen Rechts übereinstimmt oder sie zu dem Inhalt dieses Rechts nicht Stellung nehmen, obwohl sie dessen Anwendbarkeit kennen oder mit ihr rechnen. (Leitsätze des Bearbeiters)
BGH, Urteil vom 18.03.2020 - IV ZR 62/19, BeckRS 2020, 5998
Mehr lesenPolens nationalkonservative Regierung sieht sich im Streit mit der EU-Kommission über die Justizreform durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Staatsanleihenkäufen der Europäischen Zentralbank (BeckRS 2020, 7327) bestätigt. Das Urteil zeige, dass Polen in dem Konflikt Recht habe, sagte Vize-Justizminister Sebastian Kaleta am 05.05.2020 in Warschau. "Der deutsche Verfassungsgerichtshof hat heute direkt gesagt, dass die EU soviel darf, wie ihr die Mitgliedsstaaten erlauben." Wenn die EU ihre Kompetenzen überschreite, würden nationale Verfassungsgerichte einschreiten, so Kaleta weiter.
Mehr lesenIn Niedersachsen bleibt die Maskenpflicht beim Einkauf und im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) bestehen. Das Oberverwaltungsgericht des Landes in Lüneburg hat einen Antrag auf Außervollzugsetzung der Bestimmung in der niedersächsischen "Corona-Verordnung", die die Maskenpflicht regelt, abgelehnt (Beschluss vom 05.05.2020, Az.: 13 MN 119/20).
Mehr lesenVermögen, das aus Zahlungen einer Grundrente an ein Gewaltopfer angespart worden ist, kann unter dem Aspekt einer besonderen Härte geschützt sein. Dies hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 30.04.2020 entschieden und ein Sozialhilfeverfahren zurückverwiesen. Vermögen aus einer Nachzahlung sei aber in jedem Fall in Höhe des Vermögensschonbetrags nach dem BVG geschützt (Az.: B 8 SO 12/18 R).
Mehr lesenViele Fahrer eines Skandal-Diesels von VW können im Streit um Schadenersatz auf Rückendeckung der Richter aus Karlsruhe hoffen. In einer ersten, wenn zunächst auch nur vorläufigen Einschätzung stellte sich der Bundesgerichtshof am 05.05.2020 weitgehend auf die Seite der Kunden, die das Geld für ihr Fahrzeug zurückhaben wollen, weil darin eine illegale Technik zum Einsatz kam. Nach Auffassung der Richter dürfte ihnen schon mit dem Kauf ein Schaden entstanden sein, den VW ersetzen müsste - allerdings mit Abzug einer Nutzungsentschädigung für die Zeit, in der sie mit dem Wagen gefahren sind (Az. VI ZR 252/19).
Mehr lesenEin nur in Deutschland als Rechtsdienstleister zugelassenes Inkassounternehmen (hier: Financialright GmbH) kann nicht die Schadensersatzforderungen eines Schweizer Dieselkäufers gegen VW geltend machen. Es handele sich dabei um eine schwerwiegende Überschreitung der Befugnis für Inkassodienstleistungen. Daher sei von der Nichtigkeit der Abtretung und infolgedessen vom Fehlen der Aktivlegitimation für die Prozessführung auszugehen, entschied das Landgericht Braunschweig mit Urteil vom 30.04.2020 (Az.: 11 O 3092/19).
Mehr lesenZieht sich der Teilnehmer an einer “aktiven“ Sport- und Olympiamuseumsführung bei einer leichten Sportübung (hier Standweitsprung) eine Gelenkverletzung zu, kann er den Sportstättenbetreiber nicht wegen mangelnder Aufklärung haftbar machen. Die Verkehrssicherungspflicht von Betreibern einer Sportstätte beziehe sich nicht darauf, die Benutzer vor Gefahren zu schützen, die typischerweise mit der jeweiligen Sportausübung verbunden sind, entschied das Oberlandesgericht Köln mit Beschluss vom 09.03.2020 (Az.:7 U 257/19).
Mehr lesenWer eine Alarmanlage auf seinem Anwesen installiert, muss auch dann Gebühren für dadurch veranlasste unnötige Polizeieinsätze zahlen, wenn der Grund für das Auslösen der Anlage im Nachhinein nicht mehr feststellbar ist. Dies hat das Verwaltungsgericht Koblenz im Fall eines Hausbesitzers aus dem Westerwaldkreis mit Urteil vom 15.04.2020 entschieden (Az.: 3 K 1063/19).
Mehr lesenTreten während der Kompletterneuerung einer alten zahnärztlichen Versorgung Anzeichen für eine cranio-mandibuläre Dysfunktion (CMD) auf, muss der Behandler vor der endgültigen Eingliederung der neuen Versorgung einen CMD-Schnelltest durchführen. Unterlässt er dies, haftet der auf Schadensersatz und Schmerzensgeld, entschied das Oberlandesgericht Köln mit Urteil vom 08.04.2020 (Az.: 5 U 64/16).
Mehr lesenDas Amtsgericht Frankfurt am Main hat in einem mittlerweile rechtskräftig gewordenen und jetzt veröffentlichten Urteil vom 22.03.2020 klargestellt, dass eine Gewichtsabnahmeberatung keine "medizinische Behandlung“ ist. Im konkreten Fall sei daher durch die Annahme des Angebots zu einer Gewichtsabnahmetherapie kein Behandlungs-, sondern (lediglich) ein Dienstleistungsvertrag zustande gekommen, bei dem gerade keine Ansprüche wegen mangelhafter Leistung geltend gemacht werden können (Urteil vom 22.03.2020, Az.: 31 C 2664/18 (23).
Mehr lesen1. Nicht behebbare unabwendbare Schwierigkeiten oder unvorhersehbare Zufälle und schicksalhafte Ereignisse, wie etwa die krankheitsbedingte, zur Aussetzung der Hauptverhandlung zwingende Verhinderung unentbehrlicher Verfahrensbeteiligter stellen einen wichtigen Grund im Sinne des § 121 I StPO dar.
2. Ein solcher wichtiger Grund kann auch in der aktuell rapide fortschreitenden COVID-19-Pandemie bestehen, wenn sich das Gericht nicht in der Lage sieht, das Ansteckungsrisiko der Verfahrensbeteiligten, der Bediensteten des Gerichts, der Sicherheitsbeamten und des Publikums im Einklang mit den Vorschriften über das Verfahren, namentlich der zur Sicherung der Verteidigungsrechte und zur Gewährleistung der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung, auf ein vertretbares Maß zu reduzieren.
3. Dem zur Entscheidung berufenen Spruchkörper steht bei der Einschätzung, ob und welche Maßnahmen zur Senkung des Ansteckungsrisikos geeignet und zumutbar sind, ein - vom Oberlandesgericht im Haftprüfungsverfahren nach § 121 ff. StPO nur eingeschränkt überprüfbarer.
4. Dabei wird allerdings - auch unter Berücksichtigung der hohen Bedeutung des Rechts, von einem Verteidiger des Vertrauens verteidigt zu werden - ernsthaft zu prüfen sein, ob die Bestellung eines anderen Verteidigers erforderlich wird, wenn allein das besondere Gesundheitsrisiko des bisherigen Pflichtverteidigers einem dem Beschleunigungsgebot entsprechenden Fortgang des Verfahrens entgegenstehen sollte. (amtl. Ls.)
OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.04.2020 - H 4 Ws 72/20, BeckRS 2020, 5689
Mehr lesenDas Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 05.05.2020 mehreren Verfassungsbeschwerden gegen das PSPP-Staatsanleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) teilweise stattgegeben. Die EZB-Beschlüsse seien kompetenzwidrig ergangen, da die EZB die wirtschaftlichen Folgen des Programms ausgeblendet und damit die Verhältnismäßigkeit nicht ausreichend geprüft habe. Bundesregierung und Bundestag seien dagegen nicht vorgegangen und hätten dadurch Grundrechte verletzt. Das hierzu bereits ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs stehe dieser Entscheidung nicht entgegen, da es in Bezug auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar und somit ebenfalls ultra vires ergangen sei (Az.: 2 BvR 859/15, 2 BvR 980/16, 2 BvR 2006/15, 2 BvR 1651/15).
Mehr lesenDer frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hat den Schutz der Freiheitsrechte in der Coronavirus-Krise betont. In der Krise seien nicht die Maßnahmen der Lockerung rechtfertigungsbedürftig, sondern die Aufrechterhaltung von Beschränkungen der Grundrechte, sagte Papier in einem Streitgespräch im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel“ am 01.05.2020. "Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass Sinn und Zweck eines Verfassungsstaates in erster Linie der Schutz der Freiheit ist.“ Der Gesundheitsschutz rechtfertige nicht jedweden Freiheitseingriff, sagte Papier.
Mehr lesenAufgrund seiner Wahl zum Landrat im Landkreis Freising ist Helmut Petz, Richter am Bundesverwaltungsgericht, mit Ablauf des Monats April 2020 von seinem Richteramt unter Wegfall der Besoldung beurlaubt worden, wie das BVerwG am 04.05.2020 mitteilte. Seit Dezember 2008 gehörte Helmut Petz dem Vierten Revisionssenat an. Dieser ist unter anderem für das Bau- und Bodenrecht, das Recht des Ausbaus von Energieleitungen, das Recht der Anlegung und des Betriebes von Flugplätzen, das Denkmalschutzrecht sowie das Natur- und Landschaftsschutzrecht zuständig.
Mehr lesen19 Anwälte von Angehörigen der NSU-Opfer haben nach Vorlage des schriftlichen Urteils gegen die Rechtsterroristin Beate Zschäpe mit dem Münchner Oberlandesgericht abgerechnet. In einer schriftlichen Stellungnahme, die sie nun veröffentlichten, werfen sie den Richtern eine "hässliche Gleichgültigkeit" gegenüber den Nebenklägern vor und beklagen ein "Versagen des Rechtsstaats".
Mehr lesenDer ehemalige Boxweltmeister Felix Sturm muss unter anderem wegen Steuerhinterziehung und versuchter Steuerhinterziehung drei Jahre ins Gefängnis. Dabei ging es um eine Gesamtsumme von rund einer Million Euro in den Jahren 2008 bis 2010 sowie 2013. Das Landgericht Köln verurteilte ihn am 30.04.2020 aber auch wegen Dopings. Als richtungsweisend bezeichnete die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada) das Urteil. Der in Leverkusen geborene Sohn bosnischer Eltern, der mit bürgerlichem Namen Adnan Catic heißt, ist der erste deutsche Spitzensportler, der auf Grundlage des im Dezember 2015 erlassenen Anti-Doping-Gesetzes verurteilt wurde.
Mehr lesenDie Bundesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) vorgelegt (BT-Drs. 19/18792). Eine Reihe von ergänzenden Regelungen soll die Bekämpfung strafbarer Inhalte auf den Plattformen der erfassten Anbieter sozialer Netzwerke weiter verbessern und transparenter machen. Ferner soll die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Beschwerdeführern sowie Nutzern mit den Anbietern zukünftig vereinfacht und effektiver gemacht und die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte erleichtert werden.
Mehr lesenNach einem Rechtsgutachten ist eine politische Betätigung zivilgesellschaftlicher Organisationen nach geltendem Recht in größerem Umfang mit der Gemeinnützigkeit vereinbar als dies vom Bundesfinanzhof in seinem Attac-Urteil (BeckRS 2019, 2190) angenommen wird. Dies schreibt die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die das Gutachten in Auftrag gegeben hat, mit Blick auf die geplante Reform des Gemeinnützigkeitsrechts in einer Pressemitteilung vom 02.05.2020.
Mehr lesenDie Volkswagen AG muss dem Käufer eines vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB Schadenersatz leisten, obwohl die Klage erst im Jahr 2019 erhoben wurde. Dies hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart entschieden, der die Ansprüche – anders als der 10. Zivilsenat des OLG Stuttgart nicht als verjährt ansieht. In dem Urteil vom 30.04.2020 (Az.: 7 U 470/19) wurde die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.
Mehr lesenBei einseitigen Preiserhöhungen durch den Mobilfunkanbieter haben Kunden stets – auch bei Erhöhungen unter 5% – ein Widerspruchsrecht. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschieden. In dem Urteil vom 09.04.2020 zu den AGB einer Mobilfunkanbieterin stellte es zugleich klar, dass die Androhung einer Sperre für den Fall eines Zahlungsverzugs des Handy-Kunden in Höhe von mindestens 75 Euro auch in Textform erfolgen kann (Az.: 1 U 46/19).
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