Haftung für Gerichtsgutachten auch bei Vergleich

Die Vorschriften zur Haftung von gerichtlichen Sachverständigen wegen eines unrichtigen Gutachtens gelten auch bei Prozessen, die durch einen Vergleich erledigt wurden. Das hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit heute veröffentlichtem Urteil zu § 839a BGB entschieden. Eine analoge Anwendung auch auf Vergleiche sei möglich, weil es oft von zufälligen Umständen abhänge, wodurch ein Gerichtsverfahren beendet werde.

Fragwürdiges Gutachten im Vorprozess

Die Betreiberin einer Druckerei verlangte von einem Sachverständigen, den das Gericht wegen Forderungen gegen die Verkäuferin einer Druckmaschine bestellt hatte, Schadensersatz. Sie fand, die Maschine laufe zu langsam. Zuvor hatte sie einen eigenen Gutachter eingeschaltet, der ihr recht gab – ebenso wie ein anderer Experte, den das Landgericht Würzburg daraufhin in einem selbstständigen Beweisverfahren eingesetzt hatte. Anders der für die Klage selbst vom Gericht bestellte, dritte Gutachter: Er fand die Druckgeschwindigkeit normal, woraufhin die Klage abgewiesen wurde. Die Berufung der Geschäftsfrau zum OLG Bamberg endete mit einem Vergleich mit der Verkäuferin.

Klage gegen den Experten

Daraufhin ging die Druckereibetreiberin gegen den Gerichtsgutachter aus dem Hauptprozess vor. Sie machte vor dem LG München I geltend, der Mann habe vorsätzlich oder zumindest leichtfertig gewissenlos eine unrichtige Stellungnahme abgegeben. Dieses meinte jedoch ebenso wie anschließend das dortige OLG, Ansprüche nach § 839a BGB kämen von vornherein nicht in Betracht, weil der Vorprozess mit einem Vergleich geendet habe. Die Unanwendbarkeit dieser spezielleren Vorschrift versperre auch einen Anspruch wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung (§ 826 BGB).

BGH: Analoge Anwendung möglich

Das sah der BGH nun anders. Die Vorschrift zur Haftung von Gerichtsgutachtern könne auf einen Vergleich jedenfalls angewendet werden, wenn dieser von der Expertise beeinflusst worden sei. Die Karlsruher Richter erinnern daran, dass § 839a BGB erst im Jahr 2002 eingeführt wurde und nach seiner Konzeption eine Gerichtsentscheidung – nicht bloß einen Vergleich – voraussetze. Auch verdränge er die allgemeine deliktsrechtliche Haftung (§§ 823 ff. BGB). Eine analoge Anwendung sei jedoch möglich. Schließlich hänge es oft von zufälligen Umständen ab, wodurch ein Gerichtsverfahren beendet werde.

BGH, Urteil vom 25.06.2020 - III ZR 119/19

Redaktion beck-aktuell, 17. Juli 2020.