Was ist eigentlich Transportrecht?
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Mit dieser Frage hat sich ausführlich der Anwaltssenat des Bundesgerichtshofs befasst, der über die Verleihung einer entsprechenden Fachanwaltsbezeichnung zu entscheiden hatte. Die Richter bemühen die juristische Fachliteratur, Wörterbücher und schauen sogar in Wikipedia. Am Ende kommen sie zu dem Ergebnis: Das Personenbeförderungsrecht gehört wohl nicht dazu.

Streit um die praktischen Erfahrungen

Eine Rechtsanwältin hatte den Fachanwaltstitel für Transport- und Speditionsrecht beantragt. Die Rechtsanwaltskammer lehnte die Erteilung ab, weil der Anwältin aus ihrer Sicht die gesetzlich vorgeschriebenen praktischen Erfahrungen fehlten. Die von ihr eingereichten Fälle enthielten auch Ansprüche aus Luftbeförderungsverträgen wegen Verspätung oder Annullierung von Flügen. Diese könnten nicht dem Transport- und Speditionsrecht zugeordnet werden. Mit ihrer dagegen gerichteten Klage blieb die Anwältin beim AGH Naumburg und jetzt auch beim BGH ohne Erfolg.

Uneinheitliche Linie der Anwaltskammern

Die Karlsruher Richter machen sich ihre Entscheidung aber nicht leicht. Zumal auch die Rechtsanwaltskammern keine einheitliche Linie verfolgen: Teilweise wird die Zugehörigkeit des Personenbeförderungsrechts zum Transportrecht im Sinne von § 14g FAO verneint, teilweise bejaht. Soweit sie verneint wird, wird teilweise die Auffassung vertreten, eine Verleihung des Fachanwaltstitels solle dennoch wegen der "Unschärfe" des Gesetzes nicht verweigert werden, wenn auch Fälle aus dem Bereich der Personenbeförderung bearbeitet worden seien. Soweit die Zugehörigkeit des Personenbeförderungsrechts zum Transportrecht bejaht wird, wird teilweise eine "Abgewichtung" befürwortet, wenn sich der Antragsteller auf eine Mehrzahl von Fallbearbeitungen zur Fluggastrechte-Verordnung stützt.

Keine Legaldefinition

Auch in der Rechtsprechung der Anwaltsgerichtshöfe und in der Kommentarliteratur zur Fachanwaltsordnung wurde der BGH nicht fündig. Deshalb ging er die Sache ganz schulmäßig an. Zunächst stellte er fest: "Eine Legaldefinition des Begriffs ,Transportrecht‘ besteht nicht." Weiter heißt es in dem Urteil: "Das Bild in der Fachliteratur zum Transportrecht und in den juristischen Wörterbüchern ist uneinheitlich." Auch der allgemeine Sprachgebrauch helfe nicht weiter. Der Senat bemüht Wikipedia und den Duden. Laut der Online-Enzyklopädie ist das Transportrecht ein Teilgebiet des Handelsrechts. Es umfasse die Regelungen über die Beförderung, besser den "Transport" von Gütern. Davon klar abzugrenzen sei der "Transport", besser die "Beförderung" von Personen und mit den Personen mitreisenden Gütern, also Gepäck. Im Duden werde der "Transport" als das Transportieren von Dingen oder Lebewesen definiert. Schließlich entnimmt der BGH der Entstehungsgeschichte von § 14g Nr. 2 FAO Anhaltspunkte dafür, dass das Recht der Personenbeförderung von der Norm nicht umfasst wird.

Kernbereich ist Gütertransport

Interessanterweise kommt der Senat nach dieser ausführlichen Prüfung zu dem Schluss, dass es darauf gar nicht ankommt. Denn das Personenbeförderungsrecht stelle - wenn überhaupt - nur einen Randbereich des Transportrechts dar. Kernmaterie sei der Gütertransport. Das müsse sich auch in der überwiegenden Zahl der praktischen Fälle widerspiegeln, um eine Irreführung der angesprochenen Verkehrskreise zu vermeiden. Selbst wenn man das Recht der Personenbeförderung dem Transportrecht zuordnen wollte, so der BGH, wäre die uneingeschränkte Gleichstellung des Personenbeförderungsrechts mit dem Gütertransport nicht mit Sinn und Zweck der Fachanwaltschaften zu vereinbaren.

Redaktion beck-aktuell, 17. Juli 2020.