Landesmedienanstalten können nicht gegen Zulassung eines Fernsehprogramms durch andere Landesmedienanstalt klagen

Eine Landesmedienanstalt kann sich nicht auf eine wehrfähige Rechtsposition berufen, um die Aufhebung einer Zulassung zu erreichen, die eine andere Landesmedienanstalt einem privaten Rundfunkveranstalter für ein bundesweit verbreitetes Fernsehprogramm auf der Grundlage einer Entscheidung der Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) erteilt hat. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 15.07.2020 entschieden.

Klagende Landesmedienanstalten vergaben Regionalfensterzulassungen

Die Klägerinnen, die Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (LMK) und die Hessische Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (LPR Hessen), sind ebenso wie die Beklagte, die Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH), nach dem jeweiligen Landesrecht für die Zulassung privater Rundfunkveranstalter zuständig. Die LMK hatte der Beigeladenen zu 2., einer Tochtergesellschaft der Beigeladenen zu 1., die Zulassung zur Ausstrahlung des bundesweiten Fernsehprogramms “SAT.1“ ab dem 01.06.2010 erteilt. Im Hauptprogramm “SAT.1“ werden werktäglich Regionalfensterprogramme für die Länder Rheinland-Pfalz und Hessen gesendet. Hierfür haben die Klägerinnen einem Regionalfensterveranstalter jeweils die Zulassung erteilt.

Beklagte Medienanstalt erteilte bundesweite Zulassung aufgrund ZAK-Beschlusses

Am 02.04.2012 beantragte die Beigeladene zu 1. bei der Beklagten die Erteilung einer Zulassung zur bundesweiten Veranstaltung des Fernsehvollprogramms “SAT.1“. Auf der Grundlage eines entsprechenden Beschlusses der ZAK erteilte die Beklagte der Beigeladenen zu 1. die beantragte Zulassung für die Dauer von zehn Jahren ab dem 01.06.2013. Die Zulassung ist insoweit eingeschränkt, als Regionalfensterprogramme bestehen oder organisiert werden. Die gesetzliche Verpflichtung zur Aufnahme von Regionalfensterprogrammen im Programm “SAT.1“ bleibt unberührt. Die Zulassung wird erst wirksam, wenn die Zulassung der Beigeladenen zu 2. aus dem Jahr 2008 durch Rückgabe bis spätestens einen Monat nach Bestandskraft dieser Zulassung unwirksam geworden ist. Die Anfechtungsklagen der LMK und der LPR Hessen waren in den Vorinstanzen erfolglos.

BVerwG weist Revisionen der Klägerinnen zurück

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revisionen der Klägerinnen zurückgewiesen. Die Klagen seien mangels Klagebefugnis bereits unzulässig. Die Klägerinnen könnten sich nicht auf das Grundrecht der Rundfunkfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) berufen. Eine wehrfähige Rechtsposition der Klägerinnen gegenüber anderen Landesmedienanstalten ergebe sich auch nicht aus einer Letztverantwortung für die Rechtmäßigkeit der in ihrem Sendegebiet ausgestrahlten Rundfunkprogramme.

Letztverantwortung nunmehr bei der ZAK

Zwar habe das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahr 1997 auf der Grundlage der damaligen Fassung des Rundfunkstaatsvertrages sowie mit Blick auf durch Art. 5 Abs. 1 GG ausgelöste staatliche Schutzpflichten eine solche Letztverantwortung bestätigt und daraus ein Klagerecht hergeleitet. Hieran könne indes jedenfalls seit dem In-Kraft-Treten des 10. Rundfunkänderungsstaatsvertrages im Jahr 2008 nicht mehr festgehalten werden. Nach der Neuregelung (vgl. §§ 35 ff. RStV) treffe nunmehr im Innenverhältnis allein die ZAK, die sich aus den gesetzlichen Vertretern der Landesmedienanstalten zusammensetze, die abschließenden Entscheidungen im Zusammenhang mit der Zulassung privater bundesweiter Rundfunkveranstalter und bei Aufsichtsmaßnahmen gegenüber solchen Veranstaltern, soweit nicht die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich (KEK) zuständig ist. Die Aufgabe der zuständigen Landesmedienanstalt beschränke sich darauf, die Beschlüsse der ZAK zu vollziehen, das heißt, in Form eines an den betroffenen Rundfunkveranstalter gerichteten Verwaltungsakts zu erlassen.

Bedeutungsverlust der Landesmedienanstalten sachlich gerechtfertigt

Das geänderte Zulassungs- und Aufsichtsregime für bundesweite Rundfunkveranstalter unterliege auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Zwar fasse die ZAK ihre Beschlüsse mit der Mehrheit ihrer gesetzlichen Mitglieder. Diese seien an Weisungen nicht gebunden und unterlägen einer Verschwiegenheitspflicht. Dass hierdurch die pluralistisch zusammengesetzten Beschlussgremien der Landesmedienanstalten einen erheblichen Bedeutungsverlust erfahren, sei jedoch sowohl mit den Vorgaben aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG als auch mit dem Bundesstaats- und dem Demokratieprinzip vereinbar. Im Hinblick auf die im Bereich des Rundfunks offensichtlichen faktischen Grenzen einer isolierten Aufgabenerfüllung der Länder und die vom Bundesverfassungsgericht dementsprechend angenommene Pflicht zur Kooperation der Länder bestünden objektiv gewichtige Sachgründe für die getroffenen Regelungen.

Neue Struktur trägt Gebot der Staatsferne des Rundfunks Rechnung

Die Zusammensetzung der ZAK und die Rechtsstellung ihrer Mitglieder trügen dem grundrechtlichen Gebot der Staatsferne des Rundfunks Rechnung. Zudem verfüge die ZAK nur über einen eingeschränkten Entscheidungsspielraum. Solange die KEK keine vorherrschende Meinungsmacht festgestellt habe (vgl. § 26 RStV), bestehe bei Vorliegen der in § 20a RStV geregelten persönlichen und sachlichen Voraussetzungen grundsätzlich ein Zulassungsanspruch des Bewerbers. Schließlich ergäben sich auch aus der Aufsichtsverantwortung für die in Rheinland-Pfalz beziehungsweise in Hessen verbreiteten Regionalfensterprogramme im Hauptprogramm “SAT.1“ keine wehrfähigen Rechtspositionen für die Klägerinnen. Die Zuständigkeit für die Zulassung von Regionalfensterprogrammveranstaltern und für die Aufsicht hierüber werde nicht dadurch berührt, dass der jeweilige Hauptprogrammveranstalter wechsele.

BVerwG, Urteil vom 15.07.2020 - 6 C 25.19

Redaktion beck-aktuell, 16. Juli 2020.