Bayerns Verfassungsgerichtshof stoppt "Mietenstopp"
Lorem Ipsum
© Lino Mirgeler / dpa

Das Volksbegehren zum sogenannten Mietenstopp in Bayern, der für sechs Jahre Mieterhöhungen in teuren Gegenden untersagen will, ist unzulässig. Dies hat der Bayerische Verfassungsgerichtshof heute entschieden. Die Gesetzgebungskompetenz hierfür liege beim Bund, so die Richter. Die Entscheidung hat Signalwirkung für Verfahren zum Berliner Mietendeckel.

Vorhaben fordert 6 Jahre nur sehr eingeschränkte Mieterhöhungen

Anders als beim Berliner Mietendeckel geht es in Bayern nicht um ein Gesetz, sondern um ein Volksbegehren. Es wurde von einem Bündnis unter anderem aus Parteien, Gewerkschaften, Mieterbund und Mieterverein initiiert und sieht in einem Gesetzentwurf ein weitgehendes Verbot vor, in laufenden Wohnungsmietverhältnissen die Miete zu erhöhen. Ausnahmen sind nur vorgesehen, wenn die erhöhte Miete den Betrag von 80% der ortsüblichen Vergleichsmiete nicht übersteigt oder wenn Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt wurden. Bei der Neuvermietung einer Wohnung soll es – von Neubauwohnungen abgesehen – verboten sein, eine Miete zu verlangen, die über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Verstöße gegen diese Verbote können als Ordnungswidrigkeiten geahndet werden. Das Gesetz soll eine auf sechs Jahre begrenzte Laufzeit haben.

Keine Gesetzgebungskompetenz des Landes

Das Volksbegehren, das mehr als doppelt so viele Unterstützer fand wie nötig, wurde vom Bayerischen Innenministerium als nicht gesetzeskonform abgelehnt und gemäß Art. 64 Landeswahlgesetz (LWG) dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt. Der hat heute entschieden, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung des Volksbegehrens nicht vorliegen. Der ihm zugrunde liegende Gesetzentwurf ist aus Sicht des Gerichtshofs mit Bundesrecht offensichtlich unvereinbar. Dem Landesgesetzgeber fehle nach Art. 72 Abs. 1 GG die Gesetzgebungskompetenz. Bereits vorhandene bundesgesetzliche Normen versperrten die Möglichkeit landesgesetzlicher Regelungen.

Mietrecht bereits durch den Bund geregelt

Durch die in §§ 556d ff. BGB enthaltenen Vorschriften zur Miethöhe sowohl bei Mietbeginn ("Mietpreisbremse") als auch während eines laufenden Mietverhältnisses ("Kappungsgrenze") habe der Bundesgesetzgeber von der ihm nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zustehenden konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit für das bürgerliche Recht erschöpfend Gebrauch gemacht.

Für Wohnungswesen fehlt öffentlich-rechtliches Gesamtkonzept

Für den Landesgesetzgeber ergeben sich auch aus den in § 556d Abs. 2 und § 558 Abs. 3 BGB vorgesehenen Ermächtigungen der Landesregierungen zum Erlass von Rechtsverordnungen keine Abweichungsmöglichkeiten im Hinblick auf die Festlegung der zulässigen Miethöhe, so die Richter. Auf die gemäß Art. 70 GG gegebene Zuständigkeit der Länder für Bereiche des Wohnungswesens könne sich der Gesetzentwurf des Volksbegehrens nicht stützen, weil es an einem öffentlich-rechtlichen Gesamtkonzept fehle. Die Mietpreisregelungen des Entwurfs stellten im Ergebnis nichts anderes dar als eine Verschärfung der geltenden Bestimmungen zur Mietpreisbremse und zur Kappungsgrenze.

Drei Richter widersprechen im Sondervotum

Für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 3 GG sah der Verfassungsgerichtshof keinen Anlass. Die Entscheidung erging allerdings nicht einstimmig. Drei Mitglieder des Verfassungsgerichtshofs sind in einem gemeinsamen Sondervotum der Auffassung, das Volksbegehren hätte zugelassen werden müssen, weil beachtliche Argumente dafür vorgebracht worden seien, dass der Gesetzentwurf des Volksbegehrens mit Bundesrecht vereinbar sein könnte.

Signalwirkung für Zulässigkeit des Berliner Mietendeckels

Die Entscheidung war mit Spannung erwartet worden, weil ihr Signalwirkung für andere Verfahren beigemessen wird. Beim BVerfG und beim Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin sind Verfahren anhängig, die sich gegen den Mietendeckel in der Bundeshauptstadt richten. Ende Februar traten dort Regelungen in Kraft, mit denen die Mieten für 1,5 Millionen Wohnungen in Berlin auf dem Stand vom Juni 2019 eingefroren wurden. Für Wiedervermietungen gelten Obergrenzen. Überhöhte Bestandsmieten müssen auf Antrag der Mieter gesenkt werden. Das Land Berlin stützte sich dabei auf seine Kompetenz für das Wohnungswesen. Umstritten sind neben der Gesetzgebungskompetenz auch materielle Fragen wie etwa die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in das Eigentum der Vermieter.

Redaktion beck-aktuell, 16. Juli 2020.