Mittwoch, 26.7.2017
EuGH: Asylsuchender kann aus verspätetem Übernahmegesuch eines Mitgliedstaats Rechte für sich ableiten
Ein Asylsuchender kann sich vor Gericht darauf berufen, dass ein Mitgliedstaat infolge des Ablaufs der Frist von drei Monaten, binnen deren er einen anderen Mitgliedstaat um Aufnahme des Asylbewerbers ersuchen kann, für die Prüfung des Asylantrags zuständig geworden ist. Dies hat der Gerichtshof der Europäischen Union mit Urteil vom 26.07.2017 klargestellt. Die Frist beginne vor der Stellung eines "förmlichen" Asylantrags zu laufen, wenn der zuständigen Behörde ein Schriftstück zugegangen ist, das bestätige, dass eine Person um internationalen Schutz nachsuche, betonte der EuGH (Az.: C-670/16). Mehr lesen
EuGH tritt geplantem Fluggastdaten-Abkommen mit Kanada entgegen
Das geplante Abkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union über die Übermittlung von Fluggastdatensätzen darf in seiner jetzigen Form nicht geschlossen werden. Wie der Gerichtshof der Europäischen Union am 26.07.2017 mitteilte, ist dies das Ergebnis eines EuGH-Gutachtens. Zwar sei die systematische Übermittlung, Speicherung und Verwendung sämtlicher Fluggastdatensätze im Wesentlichen zulässig. Doch genügten mehrere Bestimmungen des Abkommensentwurfs nicht den Anforderungen, die sich aus den Grundrechten der Union ergeben (Gutachten 1/15). Mehr lesen
BGH: Anforderungen an das Bestreiten (hier: Wohnfläche)

ZPO § 138 III

Ein einfaches Bestreiten der vom Vermieter vorgetragenen Wohnfläche ohne eigene positive Angaben genügt im Mieterhöhungsverfahren nicht den Anforderungen an ein substanziiertes Bestreiten. (vom Verfasser bearbeiteter Leitsatz des Gerichts)

BGH, Urteil vom 31.05.2017 - VIII ZR 181/16, BeckRS 2017, 113924

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EuGH-Generalanwalt: Luxuswarenhersteller darf Verkauf seiner Produkte auf Amazon und eBay verbieten
Ein Anbieter von Luxuswaren kann es seinen autorisierten Händlern verbieten, seine Waren auf Drittplattformen wie Amazon oder eBay zu verkaufen. Diese Auffassung vertritt zumindest Nils Wahl, Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof, in seinen Schlussanträgen vom 26.07.2017. Ein solches Verbot, das die Wahrung der luxuriösen Ausstrahlung der betreffenden Waren bezwecke, falle unter bestimmten Bedingungen nicht unter das Kartellverbot, da es geeignet sei, den auf qualitativen Kriterien beruhenden Wettbewerb zu verbessern, betonte er (Az.: C-230/16). Mehr lesen
BFH: Feststellung fehlender Freizügigkeit von Unionsbürgern auch in Kindergeldsachen Ausländerbehörden vorbehalten
Bei der Gewährung von Kindergeld haben die Familienkassen die hierfür erforderliche Freizügigkeit ausländischer Unionsbürger zu unterstellen. Wie der Bundesfinanzhof mit Urteil vom 15.03.2017 entschieden hat, obliegt die Feststellung der fehlenden Freizügigkeit, die den Kindergeldanspruch ausschließen kann, den Ausländerbehörden. Die Familienkassen hätten insoweit kein eigenes Prüfungsrecht (Az.: III R 32/15). Mehr lesen
BFH befragt EuGH zur Umsatzsteuerpflicht bei Fahrschulen
Der Bundesfinanzhof zweifelt an der Umsatzsteuerpflicht für die Erteilung von Fahrunterricht zum Erwerb der Fahrerlaubnisklassen B ("Pkw-Führerschein") und C1. Mit einem Beschluss vom 16.03.2017 hat er dem Gerichtshof der Europäischen Union daher die Frage vorgelegt, ob Fahrschulen insoweit steuerfreie Leistungen erbringen. Die vom EuGH zu treffende Entscheidung sei von erheblicher Bedeutung für die Umsatzbesteuerung der über 10.000 Fahrschulen in der Bundesrepublik Deutschland, betont der BFH. Sollte der EuGH eine Steuerfreiheit bejahen, werde sich die Anschlussfrage stellen, ob Fahrschulen den sich hieraus ergebenden Vorteil zivilrechtlich an ihre Kunden durch eine geänderte Preisbildung weitergeben (Az.: V R 38/16). Mehr lesen
EGMR: Russland muss einen der Täter im Nemzow-Mordfall entschädigen

Russland muss einem der verurteilten Täter im Mordfall des russischen Oppositionellen Boris Nemzow 6.000 Euro Entschädigung zahlen. Die Bedingungen, unter denen der Mann inhaftiert sei, verstießen gegen das Verbot einer unmenschlichen Behandlung, entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem Beschwerdeverfahren am 25.07.2017 in Straßburg (Az.: 18496/16). Die Beschwerden von zwei weiteren Mittätern wies der Gerichtshof als unzulässig ab. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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OVG Münster: Eilverfahren von Fahrgeschäfte-Betreibern in Bezug auf Dürener Annakirmes teilweise erfolgreich

Die Auswahlentscheidung der Stadt Düren zwischen zwei um einen Platz auf der Annakirmes 2017 konkurrierenden Betreibern von artgleichen Fahrgeschäften ("Octopussy", "Polyp") war rechtswidrig. Das hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster in einem Eilverfahren entschieden und der Stadt im Wege einer einstweiligen Anordnung aufgegeben, eine neue Auswahlentscheidung zu treffen (Beschluss vom 24.07.2017, Az.: 4 B 869/17). Zwei weitere Eilverfahren zur Auswahlentscheidung zwischen der "Wilden Maus" und "Breakdancer" blieben hingegen erfolglos (Beschlüsse vom 21.07.2017, Az.: 4 B 849/17 und 4 B 854/17).

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Dienstag, 25.7.2017
BSG: Überbrückungsleistungen des Arbeitgebers bis zum Renteneintritt beitragsfrei

Für ein "betriebliches Ruhegeld" aus einer Direktzusage des früheren Arbeitgebers sind keine Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlen, solange die Zahlung Überbrückungsfunktion hat. Mit Renteneintritt, spätestens aber mit Erreichen der Regelaltersgrenze unterliegen solche Leistungen als Versorgungsbezüge der Beitragspflicht. Dies hat das Bundessozialgericht mit Urteil vom 20.07.2017 entschieden (Az.: B 12 KR 12/15 R).

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BGH: Berufungsgericht muss noch einmal zu hohen Anzahlungen für Pauschalreisen entscheiden

Der Streit um die Frage, wie hoch bei bestimmten Pauschalreisen die von TUI Deutschland geforderten Anzahlungen sein dürfen, geht weiter. Der Bundesgerichtshof hat am 25.07.2017 zum zweiten Mal ein dazu ergangenes Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Konkret geht es um Anzahlungen in Höhe von 40% des Gesamtreisepreises, die TUI für bestimmte Pauschalreisen verlangt (Az.: X ZR 71/16). Geklagt hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände.

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VG Berlin: Deutsche Niederlassung eines Internetportals zur Vermittlung privater Unterkünfte kein auskunftsplichtiger Dienstanbieter

Die deutsche Niederlassung eines ausländischen Internetportals zur Vermittlung privater Unterkünfte muss vorerst keine näheren Auskünfte zu Online-Inseraten geben. Auskunftspflichtiger Dienstanbieter im Sinne des Telemediengesetzes ist allein der (ausländische) Plattformbetreiber, der das Portal zur Nutzung bereithält. Das hat das Verwaltungsgericht Berlin in einem Eilverfahren entschieden, das im Zusammenhang mit der Zweckentfremdung von Wohnraum steht (Beschluss vom 20.07.2017, Az.: 6 L 162.17).

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NSU-Prozess: Bundesanwaltschaft fordert Verurteilung Zschäpes als Mittäterin

Die Bundesanwaltschaft fordert eine Verurteilung der mutmaßlichen Rechtsterroristin Beate Zschäpe als Mittäterin an allen Morden und Anschlägen des “Nationalsozialistischen Untergrunds“. Bundesanwalt Herbert Diemer sagte zum Beginn der Plädoyers am 25.07.2017 im Münchner NSU-Prozess, die Anklagevorwürfe gegen Zschäpe und die vier Mitangeklagten hätten sich in allen wesentlichen Punkten bestätigt.

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Scharfe Internationale Kritik zum Auttakt des "Cumhuriyet"-Prozesses in der Türkei

Mehr als 250 Tage nach ihrer Inhaftierung hat in Istanbul der Prozess gegen zahlreiche Mitarbeiter der regierungskritischen türkischen Zeitung “Cumhuriyet“ begonnen. Der Auftakt am 24.07.2017 in Istanbul wurde von scharfer internationaler Kritik begleitet. Reporter ohne Grenzen (ROG) nannte die Vorwürfe gegen die 17 “Cumhuriyet“- Angeklagten “absurd“. Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) forderte ein sofortiges Ende des Verfahrens wegen Unterstützung von Terrororganisationen und die Freilassung der Inhaftierten.

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Polens Präsident stimmt einer der Justizreformen zu

Nach dem überraschenden Stopp zweier umstrittener Justizreformen per Veto hat Polens Präsident Andrzej Duda einer weiteren Reform der nationalkonservativen Regierung zugestimmt. Dies bestätigte am 25.07.2017 der Vizechef der Präsidentenkanzlei Pawel Mucha im polnischen Radio. “Sie ist unterschrieben, sie wird in Kraft treten.“ Dass Duda die Reform der normalen Gerichte unterschreiben werde, hatte seine Kanzlei bereits angekündigt.

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BSG: Erziehungsbeistand nach § 30 SGB VIII ist selbständig tätig

SGB IV § 7; SGB VIII §§ 8a, 30; SGG § 103

1. Die Tätigkeit als Erziehungsbeistand nach § 30 SGB VIII kann aufgrund eines Vertrages i.V.m. der Vereinbarung gem. § 8a SGB VIII eine selbständige sein, sofern der Erziehungsbeistand weder Weisung seitens des Jugendamtes von erheblichem Gewicht unterliegt noch in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert ist.

2. Am Fehlen eines Weisungsrechts ändert auch die Verpflichtung des Erziehungsbeistands auf die im Hilfeplan genannten Ziele nichts. Liegt das vereinbarte Honorar deutlich über dem Arbeitsentgelt einen vergleichbar eingesetzten sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und lässt es dadurch Eigenvorsorge zu, ist dies ein gewichtiges Indiz für eine selbstständige Tätigkeit. (Leitsätze des Verfassers)

BSG, Urteil vom 31.03.2017 - B 12 R 7/15 R, BeckRS 2017, 114148

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BVerfG: Gegen presserechtliche Unterlassungsanordnungen ausnahmsweise unmittelbar Verfassungsbeschwerde möglich

Gegen presserechtliche Unterlassungsanordnungen kann in Ausnahmefällen unmittelbar Verfassungsbeschwerde erhoben werden. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in einem Fall entschieden, in dem die Verlegerin des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" eine Verletzung ihrer Rechte auf prozessuale Waffengleichheit und auf ein faires Verfahren gerügt hatte. Der Verfassungsbeschwerde stehe nicht entgegen, dass die geltend gemachten Rechtsverletzungen abgeschlossen seien und durch eine Verfassungsbeschwerde nicht mehr beseitigt werden könnten (Beschluss vom 06.06.2017, Az.: 1 BvQ 16/17, 1 BvR 770/17, 1 BvR 764/17 und 1 BvQ 17/17).

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BGH: Kreditinstitut darf nicht für jede smsTAN Entgelt vorsehen

Die Klausel eines Kreditinstituts "Jede smsTAN kostet 0,10 Euro (unabhängig vom Kontomodell)" ist in Bezug auf Verträge über Zahlungsdienste mit Verbrauchern unwirksam. Eine solch ausnahmslose Bepreisung von smsTAN weiche von den gesetzlichen Vorschriften ab und benachteilige den Kunden, hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 25.07.2017 entschieden (Az.: XI ZR 260/15).

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LAG Düsseldorf: Keine Nichtigkeit einer Betriebsratswahl aufgrund Addition von Verstößen gegen Wahlvorschriften

Ein Arbeitgeber wollte die Betriebsratswahl in seinem Sicherheitsunternehmen für nichtig erklären lassen. Hiermit hatte er vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf keinen Erfolg (Beschluss vom 21.07.2017, Az.: 10 TaBV3/17). Dieses wandte die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an, das die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl bei einer ausschließlich summarischen Fehlerbetrachtung verneint (NZA 2004, 395).

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OLG Oldenburg: Aggressives Angehen des Staatsanwalts rechtfertigt Ordnungsgeld gegen Zeugen

Wer als Zeuge in einem Strafverfahren in aggressiver Weise versucht, den Staatsanwalt zu maßregeln, muss mit einem Ordnungsgeld wegen "Ungebühr" rechnen. Dies verdeutlicht ein Beschluss des Ersten Strafsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 30.05.2017 (Az.: 1 Ws 245/17, rechtskräftig).

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Russland: Parlament will Nutzung von VPN-Diensten einschränken

Das russische Parlament hat ein Gesetz beschlossen, das die Nutzung von Anonymisierungs-Software und sogenannter Virtueller Privater Netzwerke (VPN) im Internet einschränkt. Es soll dafür sorgen, dass über solche Dienste keine in Russland verbotenen Inhalte abgerufen werden können. Dafür soll es eine von der russischen Telekom-Aufsicht gepflegte "schwarze Liste“ geben, wie aus dem am 21.07.2017 von der Staatsduma in Moskau in dritter Lesung verabschiedeten Gesetz hervorgeht.

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