VG Aachen: Emissionsgrenzwerte für nordrhein-westfälische Glashütten ermessensfehlerhaft festgesetzt

Nach Mitteilung der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft hat der französische Industriekonzern Saint-Gobain im Rechtsstreit um neu festgelegte Emissionsgrenzwerte für die nordrhein-westfälischen Glashütten einen Erfolg erzielt. Die Festlegung der Grenzwerte sei laut Verwaltungsgericht Aachen (Urteile vom 11.10.2017, Az.: 6 K 996/16 und 6 K 997/16) ermessensfehlerhaft gewesen, so die Kanzlei.

Kanzlei: VG Aachen moniert ermessensfehlerhaftes Handeln

"Die Klagen von Saint-Gobain richteten sich gegen die Festsetzung neuer Emissionsgrenzwerte für die nordrhein-westfälischen Glashütten durch die Bezirksregierung Köln. Diese war vom NRW-Umweltministerium per Erlass angewiesen worden, für bestimmte Stoffe strengere Werte vorzugeben, als dies von BVT-Schlussfolgerungen der Europäischen Kommission über die Beste verfügbare Technik in der EU-Glasindustrie gefordert ist. Das Umweltministerium wollte hiermit entsprechende Festlegungen der Bund-Länderarbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (LAI) umsetzen. Die im LAI vertretenen Bundes- und Landesumweltministerien haben aber ihre strengeren Festlegungen nach Auffassung von Saint-Gobain ohne nachvollziehbare Begründung getroffen. Das Verwaltungsgericht Aachen konnte ebenfalls keine sachliche Erklärung für die LAI-Vorgaben erkennen und warf den deutschen Umweltbehörden ermessensfehlerhaftes Handeln bei der Ermittlung des Stands der Technik vor", erläutert Rechtsanwalt und und Luther-Partner Stefan Altenschmidt.

Rechtsanwalt Altenschmidt: Bedeutung der Urteile geht über konkreten Fall hinaus

Laut Altenschmidt geht die Bedeutung der Urteile über den konkreten Fall hinaus: "Im Zuge der Umsetzung der EU-Industrieemissionsrichtlinie 2010/75/EU wurde die Rolle der Europäischen Union bei der Festlegung von Emissionsgrenzwerten für Industrieunternehmen und Kraftwerke gestärkt. Die Europäische Kommission darf nun im sogenannten Sevilla-Prozess EU-weit gültige Emissionsbandbreiten verbindlich festlegen. Deutsche Umweltpolitiker sind mit den EU-Umweltvorgaben aber teilweise unzufrieden. Vielfach wird die mangelnde Transparenz der politischen Prozesse in Brüssel kritisiert. Oder man bemängelt, dass Interessen anderer Mitgliedstaaten sich gegenüber den deutschen Vorstellungen besser haben durchsetzen können. Die jetzigen Urteile machen klar, dass dies allein keine Gründe sind, die eine nationale Abweichung von einheitlichen EU-Festlegungen für den Umweltschutz rechtfertigen. Sie stärken vielmehr die europäischen Prozesse und tragen dazu bei, die Wettbewerbsbedingungen für europaweit tätige Unternehmen zu harmonisieren."

Ministerialrat im Umweltministerium Nordrhein-Westfalen: VG hat lediglich unzureichende Begründung des festgesetzten Grenzwertes gerügt

Auch Jörg Friedrich, Ministerialrat im nordrhein-westfälischen Umweltministerium, weist zwar darauf hin, dass die EU im Sevilla-Prozess nach der Industrie-Emissionsrichtlinie Emissionsbandbreiten festlegt. Nach der Richtlinie obliege es dann den Mitgliedsstaaten und deren Behörden, im Einzelfall oder in abstrakt-genereller Form innerhalb dieses Rahmens Emissionsgrenzwerte festzulegen. Die von der Richtlinie geforderte Festlegung eines Wertes innerhalb einer von der EU vorgegebenen Bandbreite könne aber sprachlich weder als "Verschärfung" noch als "Abweichung" von einer einheitlichen EU-Festlegung bezeichnet werden, hebt Friedrich hervor. Das Urteil des VG Aachen besage ferner ausdrücklich, dass sich die Behörde nicht – wie von der Klägerin gefordert – am obersten Wert der Bandbreite orientieren muss. Gerügt habe das VG lediglich, dass die Behörde in dem konkreten Einzelfall den festgesetzten Grenzwert nicht ausreichend begründet hat. Hier seien aus Sicht des Gerichts weitere Angaben auf der Grundlage nachvollziehbarer, repräsentativer und damit belastbarer Daten erforderlich gewesen.

VG Aachen, Urteil vom 11.10.2017 - 6 K 996/16

Redaktion beck-aktuell, 7. November 2017.

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