BVerwG: Auszubildende haben bei Unterstützung eines Elternteils durch dessen Aufnahme in die Wohnung Anspruch auf erhöhten BAföG-Wohnbedarf

Auszubildende wohnen nicht im Sinne des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) bei den Eltern und haben deshalb Anspruch auf den höheren Unterkunftsbedarf nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG, wenn sie einen Elternteil in ihre Wohnung aufnehmen und sich diese Aufnahme als Unterstützung des Elternteils darstellt. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 08.11.2017 entschieden (Az.: 5 C 11.16).

Klägerin nahm Mutter in Wohnung auf - Studierendenwerk kürzte BAföG

Die Klägerin, die als Studentin Ausbildungsförderung erhält, begehrte den höheren Unterkunftsbedarf nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BAföG, der daran geknüpft ist, dass der Auszubildende nicht bei seinen Eltern wohnt. Diese erhöhte Unterkunftspauschale betrug im streitigen Zeitraum 224 Euro monatlich. Demgegenüber belief sich die monatliche Unterkunftspauschale für einen Auszubildenden, der "bei seinen Eltern wohnt" (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 BAföG) im damaligen Zeitraum auf lediglich 49 Euro. Nachdem der Mutter der Klägerin die Wohnung gekündigt worden war, nahm die Klägerin sie in ihre Wohnung auf. Daraufhin kürzte der Beklagte die der Klägerin gewährte Ausbildungsförderung und billigte dieser ab dem Einzug der Mutter in die Wohnung lediglich den geringeren Unterhaltsbedarf für bei den Eltern wohnende Auszubildende zu.

OVG wies Klage ab

Auf die dagegen nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage sprach das Verwaltungsgericht der Klägerin für den streitigen Zeitraum von 16 Monaten den höheren Unterkunftsbedarf zu. Das Oberverwaltungsgericht änderte das Urteil des Verwaltungsgerichts und wies die Klage abgewiesen. Dagegen legte die Klägerin Revision ein.

BVerwG: Gesetzliche Typisierung beruht auf Gedanken der Kostenersparnis für Auszubildenden

Die Revision hatte Erfolg. Das BVerwG hat das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt. Zwar treffe die Auffassung des OVG zu und entspreche der bisherigen ständigen BVerwG-Rechtsprechung, dass ein Wohnen "bei den Eltern" im Sinne des Gesetzes grundsätzlich schon dann vorliegt, wenn Auszubildende in häuslicher Gemeinschaft mit ihren Eltern oder einem Elternteil leben und die von ihnen genutzten Wohn- und Gemeinschaftsräume als einer Wohnung zugehörend anzusehen sind, ohne dass es auf die näheren Umstände des Zusammenlebens ankommt. Die damit verbundene gesetzliche Typisierung diene dem Bestreben des Gesetzgebers, die Ausbildungsförderung als Form der Massenverwaltung auch im Hinblick auf die Zuordnung der Unterkunftspauschalen verwaltungspraktikabel auszugestalten. Sie beruhe auf der Annahme, dass das Zusammenwohnen mit den Eltern oder einem Elternteil regelmäßig mit einer Kostenersparnis für den Auszubildenden verbunden ist und dieser darüber hinaus durch das gemeinsame Wohnen typischerweise noch Rückhalt und Unterstützung durch die Eltern oder den Elternteil erlangt.

Ausnahme von Typisierung bei Unterstützung des Elternteils geboten

Laut BVerwG ist es jedoch geboten, eine Ausnahme von dieser Typisierung zu machen, wenn Auszubildende einen Elternteil in ihre Wohnung aufnehmen und sich diese Aufnahme als Unterstützung des Elternteils darstelle. Dies sei jedenfalls anzunehmen, wenn – wie hier – der Elternteil auf grundsätzlich nur das Existenzminimum abdeckenden Sozialleistungen (wie Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch) angewiesen ist und vom Auszubildenden in dessen Wohnung aufgenommen wird, weil er anderweitig nicht mehr über eigenen Wohnraum verfügt. In einer solchen Konstellation spreche schon das Wortlautverständnis in gewichtiger Weise dafür, dass nicht der Auszubildende "bei dem Elternteil" wohnt, sondern der Elternteil "bei dem Auszubildenden". Auch die Zwecke der Kostenersparnis und Unterstützung durch den Elternteil, welche die Zubilligung der geringeren Unterkunftspauschale typisierend rechtfertigten, würden in dieser Fallgestaltung nicht zum Tragen kommen.

BVerwG, Urteil vom 08.11.2017 - 5 C 11.16

Redaktion beck-aktuell, 8. November 2017.

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