Dienstag, 19.9.2017
OLG Frankfurt am Main: Testierfähigkeit bei Verdacht chronischer Wahnvorstellungen streng zu prüfen

Setzt eine Erblasserin, die zu Lebzeiten unter Bestehlungsängsten litt und deshalb Detektive beschäftigte, diese Detektive als ihre Erben ein, ist konkret zu prüfen, ob die Erblasserin infolge krankhafter Wahnvorstellungen testierunfähig war. Dies geht aus einem unanfechtbaren Beschluss des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17.08.2017 hervor (Az.: 20 W 188/16).

Mehr lesen
VG Neustadt glaubt nicht an Hustensaft als Ursache für nachgewiesenen Codein-Konsum im Straßenverkehr

Sind im Blut des Kraftfahrzeugführers auch nur geringe Spuren von Codein und Morphium nachgewiesen, ist der sofortige Entzug der Fahrerlaubnis nicht zu beanstanden. Dies gilt auch, wenn die ermittelten Blutwerte möglicherweise auf die Einnahme eines codeinhaltigen Hustensafts zurückzuführen sind. Das hat das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße mit rechtskräftigem Beschluss vom 23.08.2017 entschieden (Az.: 1 L 871/17.).

Mehr lesen
BVerfG: Rechtsfehlerhafte Nichtzulassung der Berufung

ZPO § 511 IV 1 Nr. 1 Alt. 1, 3; GG Art. 2 I, 20 III

1. Grundsätzliche Bedeutung iSd § 511 IV 1 Nr. 1 Alt. 1 ZPO kommt einer Sache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Klärungsbedürftig sind solche Rechtsfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden oder die noch nicht oder nicht hinreichend höchstrichterlich geklärt sind.

2. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert iSd § 511 IV 1 Nr. 1 Alt. 3 ZPO (ua) dann eine Entscheidung des Berufungsgerichts, wenn in einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von allgemeiner Bedeutung von der Entscheidung eines höherrangigen Gerichts abgewichen wird.

3. Liegen die Voraussetzungen des § 511 IV 1 ZPO vor, ist zwingend die Berufung zuzulassen. Eine in sachlich nicht zu rechtfertigender Weise falsche Anwendung der Vorschriften über die Zulassung der Berufung verletzt als unzumutbare Einschränkung des Zugangs zur Berufungsinstanz die durch die erstinstanzlichen Entscheidung beschwerte Partei in ihrem Justizgewährungsanspruch aus Art. 2 I GG iVm Art. 20 III GG. (Leitsätze des Verfassers)

BVerfG, Beschluss vom 04.07.2017 - 2 BvR 2157/15, BeckRS 2017, 117816

Mehr lesen
BAG vor Änderung der Rechtsprechung zum Verhalten bei unbilligen Weisungen

Der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts ist von seiner bisherigen Auffassung, dass sich ein Arbeitnehmer grundsätzlich nicht über eine unbillige Ausübung des Weisungsrechts hinwegsetzen dürfe, abgerückt. Dies geht aus seinem Antwortbeschluss vom 14.09.2017 auf eine Anfrage des Zehnten Senats des Bundesarbeitsgerichts hervor (Az.:5 AS 7/17).

Mehr lesen
Beamtenbund will vor EGMR gegen Tarifeinheitsgesetz klagen

Das Bundesverfassungsgericht hatte das Tarifeinheitsgesetz (TEG) zuletzt für teilweise verfassungswidrig befunden und den Bundestag aufgefordert, es bis Ende 2018 nachzubessern. Entgegen der Einschätzung zahlreicher Verfassungs- und Arbeitsrechtler hat das Gericht das Regelwerk aber grundsätzlich gelten lassen. Der Beamtenbund dbb will das Gesetz gänzlich zu Fall bringen und deshalb nunmehr vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klagen, wie der Bundesvorsitzende Klaus Dauderstädt am 19.09.2017 bekanntgab.

Mehr lesen
LSG Niedersachsen-Bremen: Kein doppelter Kfz-Freibetrag für gemeinsames Auto einer “Hartz-IV-Familie“

Bei der Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II kann der Kfz-Freibetrag nicht mehrfach beansprucht werden, wenn mehrere erwerbsfähige Familienmitglieder nur ein gemeinsames Auto haben. Dies hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen mit Beschluss vom 23.08.2017 entschieden (Az.: L 11 AS 35/17).

Mehr lesen
Ehe für alle tritt Oktober in Kraft: Die Änderungen im Überblick

Nach Jahrzehnten von Verfolgung, Schikane und harten Kämpfen bekommen Schwule und Lesben die gleichen Rechte wie Hetero-Paare: Ab dem 01.10.2017 dürfen sie heiraten, wenn sie wollen - und Kinder adoptieren. Eine historische Änderung. Wie sieht sie im Detail aus?

Mehr lesen
Bei Wahlsieg: Schulz verspricht schnelle Einführung der Musterfeststellungsklage

SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz will im Fall eines Wahlsiegs seiner Partei in den ersten 100 Regierungstagen die Musterfeststellungsklage auf den Weg bringen. Das kündigte er am 18.09.2017 in der ARD-Sendung "Wahlarena“ in Lübeck an. Der Union und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) warf er vor, dieses Vorhaben blockiert zu haben.

Mehr lesen
Montag, 18.9.2017
AG Essen-Borbeck verurteilt nach Tod eines Rentners drei Bankkunden wegen unterlassener Hilfeleistung
Ein hilfloser Rentner liegt vor einem Geldautomaten im Vorraum einer Essener Bank. Kunden ignorieren ihn, er stirbt später. Nun müssen drei Angeklagte eine Geldstrafe wegen unterlassener Hilfeleistung zahlen, wie das Amtsgericht Essen-Borbeck am 18.09.2017 entschieden hat. Amtsrichter Karl-Peter Wittenberg wirft ihnen Gleichgültigkeit vor. Die drei Bankkunden hätten billigend in Kauf genommen, dass da jemand liege, der Hilfe benötige. "Keiner wollte Hilfe leisten." (Az.3 Ds /70 Js 654/16 – 252/17) Mehr lesen
"Satanist von Witten" nach 16 Jahren Haft wieder frei

Der Mann, der nach einem Ritualmord an einem Arbeitskollegen als "Satanist von Witten" bekannt wurde, ist nach mehr als 16 Jahren Haft wieder frei. Er dürfe das Gefängnis sofort verlassen, erklärte das Landgericht Bochum am 15.09.2017. Zuvor hatte die Staatsanwaltschaft eine Beschwerde gegen die bereits im August 2017 vom LG angeordnete vorzeitige Entlassung zurückgenommen.

Mehr lesen
SG Halle: Heißluftballon-Sportpilot ist zu teures Hobby für Hartz-IV-Empfänger

Einkünfte aus einem Hobby sind bei der Berechnung von Hartz-IV-Leistungen ohne Gegenrechnung der für das Hobby angefallenen Ausgaben zu berücksichtigen, wenn die Ausübung des Hobbys für einen SGB-II-Leistungsbezieher unangemessen ist. Dies hat das Sozialgericht Halle im Fall eines Hartz-IV-Empfängers entschieden, der dem Hobby "Heißluftballon-Sportpilot" nachgegangen war (Beschluss vom 18.10.2016, Az.: S 17 AS 1033/14, nicht rechtskräftig, BeckRS 2016, 123719).

Mehr lesen
Inhaftierte Deutsche: Regierung fordert rechtsstaatliche Verfahren in der Türkei

Die Bundesregierung mahnt rechtsstaatliche Verfahren in der Türkei an und fordert das Land auf, deutsche Staatsbürger, die aus politischen Gründen inhaftiert sind, freizulassen. Die Türkei entferne sich "sehr schnell von rechtsstaatlichen Maßstäben", so Kanzlerin Angela Merkel (CDU) laut Regierungsmitteilung vom 16.09.2017.

Mehr lesen
USA: Erneut Unruhen in St. Louis bei Protesten nach Polizisten-Freispruch
In der US-Stadt St. Louis hat es am Abend des 17.09.2017 bereits den dritten Tag in Folge Unruhen bei Protestkundgebungen gegeben. Zahlreiche Menschen wurden nach Polizeiangaben festgenommen, nachdem es in der Stadt zu neuer Gewalt gekommen war. "Gruppen von Kriminellen arbeiten sich durch die Innenstadt und schaffen Chaos", twitterte die Polizei. Mehr lesen
OVG Lüneburg geht neue Wege zur Unterstützung der Verwaltungsrichter in Asylverfahren
Eine Nicht-Juristin wird ab sofort die niedersächsischen Verwaltungsrichter in Asylverfahren unterstützen, indem sie unter anderem zu asylrelevanten Fragestellungen recherchiert und Länderinformationen zusammenstellt. Ziel ist die Entlastung der derzeit aufgrund des Flüchtlingszustroms stark beanspruchten Richter. Mehr lesen
AG München: Eigentümergemeinschaft kann einheitliche Rauchmelder beschließen
Der Beschluss einer Eigentümergemeinschaft über die einheitliche Anschaffung und Wartung von Rauchwarnmeldern ist in der Regel nicht ermessensfehlerhaft. Dies hat das Amtsgericht München entschieden und die Klage eines Wohnungseigentümers abgewiesen, dessen Wohnung bereits mit anderen Rauchmeldern als den von der Wohnungseigentümergemeinschaft nun vorgegebenen ausgestattet war (Urteil vom 08.02.2017, Az.: 482 C 13922/16 WEG, rechtskräftig). Mehr lesen
LAG Düsseldorf: Vorsicht Falle! Neue Angriffs- und Verteidigungsmittel in der Berufungsbegründung

ArbGG §§ 64 VI, 67; ZPO § 520 III

Wird die Berufung auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gestützt, sind nach § 520 III 2 Nr. 4 ZPO die Voraussetzungen des § 67 II, III ArbGG für ihre Zulassung darzulegen. Waren erstinstanzlich wirksam Ausschlussfristen gesetzt worden und fehlen in der Berufungsbegründung jegliche Ausführungen zur Zulässigkeit neuen Angriffs- oder Verteidigungsvorbringens und sind auch im Übrigen keine der Vorgaben aus § 520 III 2 Nr. 2 und 3 ZPO erfüllt, ist die Berufung unzulässig.

LAG Düsseldorf, Urteil vom 21.03.2017 - 3 Sa 762/16 (ArbG Essen), BeckRS 2017, 118673

Mehr lesen
LSG Niedersachsen-Bremen: Zu Blindheit hinzukommende Schwerhörigkeit kann Anspruch auf Blindenhund begründen
Ist die Orientierung eines Blinden durch eine hinzukommende Schwerhörigkeit zusätzlich erschwert, kann die Krankenkasse im Einzelfall dazu verpflichtet sein, einen Blindenhund zu finanzieren. Dies zeigt ein vom Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen am 29.08.2017 entschiedener Fall (Az.: L 16/4 KR 65/12). Mehr lesen
Überwiegend Ablehnung für Junckers Schengen-Pläne in Deutschland
Mit seinem Vorstoß für offene Grenzen in der gesamten EU stößt Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in Deutschland überwiegend auf Unverständnis und Kritik. Länderinnenminister lehnten den Vorschlag am Wochenende ebenso ab wie Polizeigewerkschafter, weil sie Gefahren für die innere Sicherheit sehen. Vor allem eine Ausweitung der Schenken-Zone ohne Grenzkontrollen auf Rumänien und Bulgarien wird als riskant eingeschätzt. Mehr lesen
Polen verabschiedet umstrittenes NGO-Gesetz
Das polnische Unterhaus hat am 15.09.2017 in Warschau ein umstrittenes Gesetz zur Arbeit von Nichtregierungsorganisationen (NGO) im Land verabschiedet. Darin ist die Schaffung eines "Nationalen Freiheitsinstituts" vorgesehen, das unter anderem für die Vergabe von Finanzmitteln an die NGOs verantwortlich sein soll. Mehr lesen
Freitag, 15.9.2017
LG Amberg: Abmahnerfordernis vor Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung im Mietverhältnis - Untervermietung einer Wohnung bei airbnb

BGB § 543

Es besteht ein grundsätzliches Abmahnungserfordernis bei unerlaubter Untermietung der Mieträume über airbnb.com an Gäste für Urlaubsaufenthalte. Bei der Prüfung der Entbehrlichkeit der Abmahnung ist vorrangig auf die vertraglichen Abreden abzustellen. Aber auch im Übrigen ist keine solche schwere Pflichtverletzung gegeben, dass die Fortsetzung des Mietverhältnisses trotz Abmahnung unzumutbar wäre.

LG Amberg, Urteil vom 09.08.2017 - 24 S 299/17 (AG Amberg), BeckRS 2017, 123537

Mehr lesen