Thanh in Sicherheitsgefängnis inhaftiert
Das Straflager B14 in Vietnams Hauptstadt Hanoi ist kein gewöhnliches Gefängnis. Der streng gesicherte Bau im Stadtteil Thanh Liet untersteht dem Ministerium für Öffentliche Sicherheit. Hier bringt der kommunistische Einparteienstaat Dissidenten unter, die aus seiner Sicht Gefahr bedeuten. Oder auch Parteigänger, die sich der Korruption in besonders schweren Fällen schuldig gemacht haben sollen. Dazu gehört ein Mann, der bis vor ein paar Monaten noch einigermaßen sorglos in Berlin lebte: Trinh Xuan Thanh, ehemals Chef einer Tochterfirma des staatlichen Energiekonzerns PetroVietnam (PVN) und hochrangiger KP-Funktionär, bis er 2016 in Ungnade fiel und sich nach Deutschland absetzte.
Bundesregierung von Entführung überzeugt
Gerichtsverfahren wie das nun gegen Trinh Xuan Thanh beginnende hat es in Vietnam schon mehrere gegeben, ohne dass sie international größeres Aufsehen erregt hätten. Was den Fall Thanh so heikel macht, sind die merkwürdigen Umstände seiner Rückkehr: Die Bundesregierung ist überzeugt davon, dass der schwerreiche Geschäftsmann, der einst zu DDR-Zeiten in Deutschland studierte, Opfer einer Entführung wurde, wie man sie sich nach dem Ende des Kalten Kriegs eigentlich kaum noch vorstellen konnte.
Ermittler sehen vietnamesischen Geheimdienst und Botschaft in Berlin als Drahtzieher
Nach Erkenntnissen der deutschen Ermittler wurde Thanh am 23.07.2017 auf offener Straße gekidnappt, als er mit seiner Freundin in der Nähe des Bundeskanzleramts spazieren ging. Demnach wurde das Paar von einem Überfallkommando in einen VW-Transporter mit tschechischem Kennzeichen gezerrt, verhört und schließlich - mit unterschiedlichen Flügen - zurück nach Vietnam gebracht. Dahinter sollen Vietnams Geheimdienst und die Botschaft in Berlin stecken.
Bundesregierung: "Unakzeptabler Rechtsbruch"
Die Bundesregierung nennt das Ganze einen "unakzeptablen Rechtsbruch". Zwei vietnamesische Diplomaten mussten Deutschland deshalb verlassen. In der ersten Empörung forderte Berlin auch Tranhs sofortige Freilassung. Inzwischen hat man keine große Hoffnung mehr. Vorrangiges Ziel ist es nun, die Todesstrafe zu vermeiden.
Hanoi behauptet freiwillige Rückkehr
Nach vietnamesischer Lesart stellt sich die Sache ohnehin ganz anders dar. Hanoi behauptet, dass Thanh aus freien Stücken zurückgekommen sei. Das Staatsfernsehen führte den ehemaligen KP-Kader im letzten Sommer mit den Worten vor: "Ich bin zurück, um der Wahrheit ins Auge zu sehen. Und ich will hohe Führer treffen, um mich zu entschuldigen." Unter welchen Umständen die Aufnahmen zustande kamen, ist nicht bekannt.
Anklage wirft Thanh Korruption vor
Thanh wird in der Anklageschrift zur Last gelegt, als Chef des Baukonzerns PetroVietnam Construction (PVC) umgerechnet mehr als 50 Millionen Euro zweckentfremdet zu haben. Mindestens vier Milliarden vietnamesische Dong (etwa 150.000 Euro) soll er in die eigene Tasche gesteckt haben. Zudem soll er bei einem Bauprojekt in Hanoi eine halbe Million Euro Schmiergeld kassiert haben. Über seinen Vater, der ihn im Lager B14 besuchen durfte, ließ er alle Vorwürfe am 05.01.2018 zurückweisen. Zugleich ließ Thanh aber auch erklären: "Als Chef der Firma habe ich Verantwortung dafür zu übernehmen, wenn meine Untergebenen durch ihr Handeln der Firma Schaden zugefügt haben."
Korruption in Vietnam weit verbreitet
Korruption ist in Vietnam weit verbreitet. Nach der wirtschaftlichen Öffnung des Landes wurden viele Menschen in den vergangenen Jahren sehr schnell reich, auch Funktionäre der KP. Im Korruptionsindex von Transparency International liegt Vietnam auf Rang 113 von 176. Die aktuelle Führung unter KP-Generalsekretär Nguyen Phu Throng hat eine Anti-Korruptions-Kampagne gestartet. Viele sehen darin allerdings einen Machtkampf zwischen seinen Anhängern und dem Lager des früheren Ministerpräsidenten Nguyen Tan Dung, zu dem auch Thanh gerechnet wird.
Thanh droht Todesstrafe
Thanh hat nun das besondere Pech, dass Vietnam zu den wenigen Ländern der Welt gehört, das wegen Korruption die Todesstrafe verhängt - und sogar vollstreckt. Erst im September 2017 wurde der ehemalige PVN-Chef Nguyen Xuan Son, sein früherer Vorgesetzter, wegen Veruntreuung zum Tod durch die Giftspritze verurteilt. Er sitzt nun in der Todeszelle. Erschwerend kommt hinzu, dass Vietnam seit einiger Zeit offensichtlich wieder mehr Hinrichtungen ausführen lässt. Normalerweise werden die Zahlen geheimgehalten, aber 2017 kam heraus, dass zwischen Juni 2011 und Juni 2016 mindestens 429 Menschen hingerichtet wurden. Damit liegt das Land in der weltweiten Rangliste der Henkerstaaten hinter China und dem Iran auf Platz drei.
Deutsche Botschaft will Prozess genau beobachten
Falls gegen Thanh ein Todesurteil verhängt wird, käme dies für die Bundesregierung einer weiteren Düpierung gleich. Vorsichtshalber wurde der vietnamesische Botschafter in Berlin kürzlich noch einmal zum Gespräch ins Auswärtige Amt gebeten. Ergänzend heißt es nun dazu, die deutsche Botschaft in Hanoi werde den Prozess "sehr eng beobachten und begleiten".
Hanoi lässt keine ausländischen Journalisten zum Prozess zu
Wenn es nach dem Willen der Führung in Hanoi geht, sollen ausländische Journalisten diese Möglichkeit nicht bekommen. Das Außenministerium kündigte am 05.01.2018 an, dass alle internationalen Medien vom Prozessbeginn ausgeschlossen werden. Eine rein vietnamesische Angelegenheit angeblich, über die nur lokale Medien berichten sollen.