Mittwoch, 27.11.2019
BVerfG zum "Recht auf Vergessenwerden": Verfassungsbeschwerde zwecks Löschung von Suchmaschinen-Link auf Presseinterview gescheitert

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde einer Frau zurückgewiesen, die vom Suchmaschinenbetreiber Google die Entfernung eines bei Eingabe ihres Namens angezeigten Links auf das Transskript eines "Panorama"-Interviews begehrte. Das Oberlandesgericht Celle habe die betroffenen Grundrechte sachgerecht gegeneinander abgewogen und unter Berücksichtigung des zeitlichen Faktors noch kein Recht der Beschwerdeführerin auf Vergessenwerden gesehen. Das BVerfG hat in seiner Entscheidung erstmals als Prüfungsmaßstab die Unionsgrundrechte zugrunde gelegt (Beschluss vom 06.11.2019, Az.: 1 BvR 276/17).

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OLG Frankfurt am Main weitet Rechtsprechung zu Folgen des Dieselskandals aus

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat seine Rechtsprechung zu den Folgen des Abgasskandals mit drei am 27.11.2019 veröffentlichten Urteilen ausgeweitet. Danach haben Käufer eines vom Abgasskandal betroffenen Kfz bei Rückabwicklung des Kaufvertrages keinen Anspruch auf sogenannte Deliktszinsen ab Zahlung des Kaufpreises. Keine Schadenersatzansprüche haben Fahrzeugkäufer (wegen vorheriger Aufklärungsmaßnahmen durch VW), wenn der Vertragsschluss erst im Sommer 2016 erfolgte. Und das sogenannte Thermofenster stellt keine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung seitens der Daimler AG dar (Urteile vom 27.11.2019, Az.: 17 U 290/18 und 17 U 113/18 sowie Urteil vom 07.11.2019, Az.: 6 U 119/18).

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Nach BVerfG-Urteil: Hartz-IV-Leistungen werden höchstens um 30% gekürzt

Verwirrung um die Umsetzung des Karlsruher Urteils zu Hartz IV: Das Bundessozialministerium hat am 27.11.2019 betont, dass die Leistungen für Hartz-IV-Empfänger nicht um mehr als 30% gekürzt werden dürfen. Zuvor hatten die "Süddeutsche Zeitung" und das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtet, ein Entwurf des Bundesarbeitsministeriums, der derzeit von verschiedenen Stellen intern beraten werde, sehe Kürzungen über die vom Bundesverfassungsgericht gesetzte Grenze hinaus vor.

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EuG: Frontex muss Presse keine Detailinfos zu Schiffen geben

Zwei Journalisten aus Deutschland und Spanien sind vor dem Gericht der Europäischen Union mit einer Klage gegen die Grenzschutzagentur Frontex gescheitert. Frontex müsse keine detaillierten Auskünfte über im Mittelmeer eingesetzte Schiffe geben, urteilten die Luxemburger Richter am 27.11.2019 (Az.: T-31/18). Die Journalisten hatten sämtliche Namen, Flaggen und Typen der im Mittelmeer patrouillierenden Schiffe gefordert. Dabei ging es dem EuG zufolge um die 2017 im Rahmen der Operation "Triton" eingesetzten Boote.

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Darf die Nutzung von Legal-Tech-Angeboten durch AGB erschwert werden? – Wettbewerbszentrale klagt

Die Wettbewerbszentrale hat beim Landgericht Frankfurt am Main Klage gegen die Irische Fluggesellschaft Ryanair eingereicht wegen der Verwendung bestimmter Klauseln in deren Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Die betreffenden Klauseln bewirkten im Ergebnis, dass Fluggästen die Geltendmachung gesetzlicher Entschädigungsansprüche wegen Verspätung oder Flugausfall und die Inanspruchnahme entsprechender Legal Tech-Angebote erschwert werden, so die Wettbewerbszentrale am 27.11.2019.

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BVerfG zum "Recht auf Vergessenwerden": BGH muss über identifizierende Mord-Presseberichte in Online-Archiv neu entscheiden

Das Bundesverfassungsgericht hat der Verfassungsbeschwerde eines Mannes stattgegeben, der vor bald 40 Jahren wegen Mordes verurteilt worden war und sich gegen alte, über Suchmaschinen auffindbare, identifizierende Presseberichte in einem Onlinearchiv wandte. Das BVerfG betont die Bedeutung des "Rechts auf Vergessenwerden" im Internetzeitalter. Die Rechtsordnung müsse davor schützen, dass sich eine Person frühere Handlungen unbegrenzt vor der Öffentlichkeit vorhalten lassen muss. Der Bundesgerichtshof muss nun neu in der Sache entscheiden. Dabei müsse er im Rahmen des Grundrechtsausgleichs berücksichtigen, wieweit dem Verlag Schutzvorkehrungen gegen die Verbreitung der alten Berichte im Internet möglich seien, so das BVerfG (Beschluss vom 06.11.2019, Az.: 1 BvR 16/13).

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BGH prüft Knöllchen-Streit auf privatem Klinikparkplatz

Falschparker auf Privatparkplätzen könnten möglicherweise bald größere Probleme bekommen. Der Bundesgerichtshof prüft einen Fall aus Nordrhein-Westfalen, bei dem ein Auto dreimal vor zwei Krankenhäusern falsch parkte (Az.: XII ZR 13/19). Die Halterin weigerte sich, die Knöllchen von insgesamt 75 Euro zu zahlen. Sie bestritt, das Auto gefahren zu haben. Weil ungeklärt blieb, wer tatsächlich am Steuer saß, hatten das Amts- und später das Landgericht Arnsberg die Klage des privaten Parkplatzbetreibers auf Zahlung eines "erhöhten Parkentgelts" sowie der Kosten für Halteranfragen und Inkassogebühren von insgesamt etwa 215 Euro abgewiesen.

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Kinderrechte ins Grundgesetz – Was soll das konkret bringen?

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat am 26.11.2019 in Berlin den lange erwarteten Gesetzentwurf für eine Änderung des Grundgesetzes zugunsten von Kindern vorgelegt. Sie sollen so in Deutschland künftig rechtlich deutlich besser gestellt werden.

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Insolvenzverfahren für deutsche Thomas Cook eröffnet

Das Amtsgericht Bad Homburg hat das förmliche Insolvenzverfahren für das Reiseunternehmen Thomas Cook eröffnet. Insgesamt sind sechs Gesellschaften des Konzerns betroffen, wie das Gericht am 27.11.2019 mitteilte. Für den einst zweitgrößten Anbieter der Branche in Deutschland gibt es als Ganzes mangels Investoren keine Zukunft mehr. Der Geschäftsbetrieb wurde eingestellt. Für Teile der Gruppe gibt es Käufer, dadurch soll gut die Hälfte der einst etwa 2.100 Jobs gesichert werden.

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Alte Hasen, Neulinge, Einwechselspieler – Europaparlament bestätigt neue EU-Kommission

Mit breiter Mehrheit hat das Europaparlament die neue EU-Kommission unter Ursula von der Leyen am 27.11.2019 bestätigt. Die EU-Kommissionspräsidentin und ihre 26 Kommissare können damit am 01.12.2019 starten. Die Christdemokratin Ursula von der Leyen (61) war die Überraschungskandidatin der EU-Staats- und Regierungschefs und wurde Mitte Juli 2019 vom EU-Parlament mit knapper Mehrheit gewählt. In Deutschland war die in Brüssel geborene und mehrsprachige Mutter von sieben Kindern unter anderem Familien-, Sozial- und Verteidigungsministerin.

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BGH: Begriff der Inkassodienstleistung weit auszulegen – Online-Portal-Betreiber darf weiter für Mieter klagen

Der registrierte Inkassodienstleister "Lexfox" darf weiter für Mieter Ansprüche aus der "Mietpreisbremse" einklagen. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 27.11.2019 entschieden und damit eine Grundsatzentscheidung dazu getroffen, welche Tätigkeiten einem Unternehmen aufgrund einer Registrierung als Inkassodienstleister nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz erlaubt sind. "Lexfox" betreibt das Legal-Tech-Portal "www.wenigermiete.de" (Az.: VIII ZR 285/18).

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OVG Münster: ADHS im Erwachsenenalter berechtigt nicht zum Prüfungsrücktritt

Eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS-Erkrankung) im Erwachsenenalter stellt prüfungsrechtlich ein Dauerleiden dar und berechtigt deshalb nicht zum Rücktritt von Prüfungen. Das hat das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in Münster entschieden (Urteil vom 07.11.2019, Az.: 14 A 2071/16).

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Ellwanger Mordprozess: Zuschauer greift Angeklagten an

Mit erhobenen Fäusten ist ein Zuschauer im Mordprozess gegen einen Vater und dessen Söhne vor dem Landgericht Ellwangen auf einen Angeklagten losgegangen. Der Mann aus dem Publikum griff am 26.11.2019 den 55 Jahre alten Vater an, als dieser in der Mittagspause aus dem Saal geführt werden sollte. Drei Justizbeamte überwältigten den Angreifer und führten ihn in Handfesseln ab. Nach Feststellung der Personalien wurde er aus dem Gerichtsgebäude gewiesen (Az.: TO-11/19).

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Bundesjustizministerin: Verbrennen von Flaggen soll Straftatbestand werden

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) will das Verbrennen von Staatsflaggen generell unter Strafe stellen. In einem Interview des "Mannheimer Morgens" vom 26.11.2019 wies Lambrecht darauf hin, dass bei Demonstrationen in Deutschland immer öfter Flaggen verbrannt würden, zum Beispiel bei anti-israelischen oder anti-türkischen Kundgebungen. "Damit werden die Gefühle vieler Angehöriger einer Nation tief verletzt.“ Sie werde deshalb bis Ende 2019 einen Gesetzentwurf vorlegen, in dem das Verbrennen des Hoheitszeichens eines Staates als Straftatbestand eingestuft wird.

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Dienstag, 26.11.2019
DAV fordert Anpassung von TMG und TKG an DS-GVO

Der Deutsche Anwaltverein (DAV) fordert in einer Pressemitteilung vom 26.11.2019, dass "die beiden wichtigsten deutschen Digital-Gesetze", das Telemediengesetz (TMG) und das Telekommunikationsgesetz (TKG), endlich an die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) angepasst werden, um bestehende erhebliche Rechtsunsicherheiten zu beseitigen. 

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BGH: Keine Sittenwidrigkeit eines Behindertentestaments ohne konkrete Verwaltungsanweisungen an den Testamentsvollstrecker

GG Art. 14 I; BGB §§ 138, 1836c, 1908i, 2205, 2209, 2114, 2216, 2123, 2127, 2131, 2133, 2134; VBVG § 1; SGB XII § 90

1. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BGH zum „Behindertentestament“ sind Verfügungen von Todes wegen, in denen Eltern eines behinderten Kindes die Nachlassverteilung durch eine kombinierte Anordnung von Vor- und Nacherbschaft sowie einer - mit konkreten Verwaltungsanweisungen versehenen - Dauertestamentsvollstreckung so gestalten, dass das Kind zwar Vorteile aus dem Nachlassvermögen erhält, der Sozialhilfeträger auf dieses jedoch nicht zugreifen kann, grundsätzlich nicht sittenwidrig, sondern vielmehr Ausdruck der sittlich anzuerkennenden Sorge für das Wohl des Kindes über den Tod der Eltern hinaus. (Leitsatz der Redaktion)

2. Ein Behindertentestament ist nicht allein deshalb sittenwidrig, weil in der letztwilligen Verfügung konkrete Verwaltungsanweisungen an den Testamentsvollstrecker fehlen, aus denen sich ergibt, in welchem Umfang und zu welchen Zwecken der Betroffene Vorteile aus dem Nachlass erhalten soll. (amtl. Leitsatz)

3. Der Testamentsvollstrecker ist grundsätzlich befugt, Erträge zu thesaurieren. Nutzungen sind jedoch an den Erben herauszugeben, soweit dies zur Bestreitung des angemessenen Unterhalts des Erben sowie zur Begleichung fälliger Steuerschulden erforderlich ist. (Leitsatz der Redaktion).

BGH, Beschluss vom 24.07.2019 - XII ZB 560/18 (LG Verden), BeckRS 2019, 27746

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VG Schleswig fragt EuGH: DUH für Klage gegen KBA-Freigabebescheide bei "Skandal-Dieseln" aus EU-Recht klagebefugt?

Das Verwaltungsgericht Schleswig hat den Europäischen Gerichtshof angerufen, um klären zu lassen, ob Umweltverbände unmittelbar aus Unionsrecht gegen Produktzulassungen klagen können (Beschluss vom 20.11.2019, Az.: 3 A 113/18). Hintergrund ist eine Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) gegen einen Freigabebescheid des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) für ein vom Abgasskandal betroffenes VW-Modell, bei dem auch nach Aufspielen des Software-Updates noch eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines "Thermofensters" vorhanden sei.

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BGH: Strafvollzugsbedienstete haften nicht für Straftat eines Gefangenen im offenen Vollzug

Verursacht ein mehrfach wegen Verkehrsdelikten vorbestrafter Strafgefangener im offenen Vollzug einen Verkehrsunfall mit tödlichem Ausgang, kann den für die Lockerung der Haftbedingungen verantwortlichen Strafvollzugsbediensteten mangels Vorhersehbarkeit nicht der Vorwurf der fahrlässigen Tötung gemacht werden. Dies hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 26.11.2019 entschieden und damit die landgerichtliche Entscheidung aufgehoben (Az.: 2 StR 557/18).

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OLG Dresden: Werbung für Flugpreis darf nicht nur mit seltener Kreditkarte erzielbaren Rabatt einbeziehen

Vermittler von Flugreisen müssen auf transparente und nachvollziehbare Preisangaben achten. Rabatte, die nur bei Zahlung mit einer wenig verbreiteten Kreditkarte gelten, dürfen daher nicht in den Endpreis eingerechnet werden. Das hat das Oberlandesgericht Dresden auf die Klage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) gegen das Internet-Reiseportal “Ab-in-den Urlaub“ mit nicht rechtskräftigem Urteil vom 29.10.2019 entschieden (Az.: 14 U 754/19).

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OLG Celle: Bund muss keine höhere Vergütung an Betreiber eines Steckenabschnitts der BAB 1 zahlen

Übernimmt ein Konzessionspartner des Bundes den Bau und Betrieb eines Autobahnstreckenabschnitts, steht ihm kein Anspruch auf Anpassung der Vergütung zu, weil er durch plötzlichen Rückgang des LKW-Verkehrs Mindereinnahmen hat. Dies gilt zumindest im Fall der vertraglichen Übernahme des Verkehrsmengenrisikos, entschied das Oberlandesgericht Celle mit Urteil vom 26.11.2019 und bestätigte damit die Klageabweisung der Vorinstanz im Verfahren der A1 mobil GmbH & Co. KG gegen den Bund (Az.:13 U 127/18).

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