Das Amtsgericht Frankfurt am Main hat in einem mittlerweile rechtskräftig gewordenen und jetzt veröffentlichten Urteil vom 22.03.2020 klargestellt, dass eine Gewichtsabnahmeberatung keine "medizinische Behandlung“ ist. Im konkreten Fall sei daher durch die Annahme des Angebots zu einer Gewichtsabnahmetherapie kein Behandlungs-, sondern (lediglich) ein Dienstleistungsvertrag zustande gekommen, bei dem gerade keine Ansprüche wegen mangelhafter Leistung geltend gemacht werden können (Urteil vom 22.03.2020, Az.: 31 C 2664/18 (23).
Mehr lesen1. Nicht behebbare unabwendbare Schwierigkeiten oder unvorhersehbare Zufälle und schicksalhafte Ereignisse, wie etwa die krankheitsbedingte, zur Aussetzung der Hauptverhandlung zwingende Verhinderung unentbehrlicher Verfahrensbeteiligter stellen einen wichtigen Grund im Sinne des § 121 I StPO dar.
2. Ein solcher wichtiger Grund kann auch in der aktuell rapide fortschreitenden COVID-19-Pandemie bestehen, wenn sich das Gericht nicht in der Lage sieht, das Ansteckungsrisiko der Verfahrensbeteiligten, der Bediensteten des Gerichts, der Sicherheitsbeamten und des Publikums im Einklang mit den Vorschriften über das Verfahren, namentlich der zur Sicherung der Verteidigungsrechte und zur Gewährleistung der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung, auf ein vertretbares Maß zu reduzieren.
3. Dem zur Entscheidung berufenen Spruchkörper steht bei der Einschätzung, ob und welche Maßnahmen zur Senkung des Ansteckungsrisikos geeignet und zumutbar sind, ein - vom Oberlandesgericht im Haftprüfungsverfahren nach § 121 ff. StPO nur eingeschränkt überprüfbarer.
4. Dabei wird allerdings - auch unter Berücksichtigung der hohen Bedeutung des Rechts, von einem Verteidiger des Vertrauens verteidigt zu werden - ernsthaft zu prüfen sein, ob die Bestellung eines anderen Verteidigers erforderlich wird, wenn allein das besondere Gesundheitsrisiko des bisherigen Pflichtverteidigers einem dem Beschleunigungsgebot entsprechenden Fortgang des Verfahrens entgegenstehen sollte. (amtl. Ls.)
OLG Stuttgart, Beschluss vom 06.04.2020 - H 4 Ws 72/20, BeckRS 2020, 5689
Mehr lesenDas Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 05.05.2020 mehreren Verfassungsbeschwerden gegen das PSPP-Staatsanleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) teilweise stattgegeben. Die EZB-Beschlüsse seien kompetenzwidrig ergangen, da die EZB die wirtschaftlichen Folgen des Programms ausgeblendet und damit die Verhältnismäßigkeit nicht ausreichend geprüft habe. Bundesregierung und Bundestag seien dagegen nicht vorgegangen und hätten dadurch Grundrechte verletzt. Das hierzu bereits ergangene Urteil des Europäischen Gerichtshofs stehe dieser Entscheidung nicht entgegen, da es in Bezug auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar und somit ebenfalls ultra vires ergangen sei (Az.: 2 BvR 859/15, 2 BvR 980/16, 2 BvR 2006/15, 2 BvR 1651/15).
Mehr lesenDer frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hat den Schutz der Freiheitsrechte in der Coronavirus-Krise betont. In der Krise seien nicht die Maßnahmen der Lockerung rechtfertigungsbedürftig, sondern die Aufrechterhaltung von Beschränkungen der Grundrechte, sagte Papier in einem Streitgespräch im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel“ am 01.05.2020. "Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass Sinn und Zweck eines Verfassungsstaates in erster Linie der Schutz der Freiheit ist.“ Der Gesundheitsschutz rechtfertige nicht jedweden Freiheitseingriff, sagte Papier.
Mehr lesenAufgrund seiner Wahl zum Landrat im Landkreis Freising ist Helmut Petz, Richter am Bundesverwaltungsgericht, mit Ablauf des Monats April 2020 von seinem Richteramt unter Wegfall der Besoldung beurlaubt worden, wie das BVerwG am 04.05.2020 mitteilte. Seit Dezember 2008 gehörte Helmut Petz dem Vierten Revisionssenat an. Dieser ist unter anderem für das Bau- und Bodenrecht, das Recht des Ausbaus von Energieleitungen, das Recht der Anlegung und des Betriebes von Flugplätzen, das Denkmalschutzrecht sowie das Natur- und Landschaftsschutzrecht zuständig.
Mehr lesen19 Anwälte von Angehörigen der NSU-Opfer haben nach Vorlage des schriftlichen Urteils gegen die Rechtsterroristin Beate Zschäpe mit dem Münchner Oberlandesgericht abgerechnet. In einer schriftlichen Stellungnahme, die sie nun veröffentlichten, werfen sie den Richtern eine "hässliche Gleichgültigkeit" gegenüber den Nebenklägern vor und beklagen ein "Versagen des Rechtsstaats".
Mehr lesenDer ehemalige Boxweltmeister Felix Sturm muss unter anderem wegen Steuerhinterziehung und versuchter Steuerhinterziehung drei Jahre ins Gefängnis. Dabei ging es um eine Gesamtsumme von rund einer Million Euro in den Jahren 2008 bis 2010 sowie 2013. Das Landgericht Köln verurteilte ihn am 30.04.2020 aber auch wegen Dopings. Als richtungsweisend bezeichnete die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada) das Urteil. Der in Leverkusen geborene Sohn bosnischer Eltern, der mit bürgerlichem Namen Adnan Catic heißt, ist der erste deutsche Spitzensportler, der auf Grundlage des im Dezember 2015 erlassenen Anti-Doping-Gesetzes verurteilt wurde.
Mehr lesenDie Bundesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) vorgelegt (BT-Drs. 19/18792). Eine Reihe von ergänzenden Regelungen soll die Bekämpfung strafbarer Inhalte auf den Plattformen der erfassten Anbieter sozialer Netzwerke weiter verbessern und transparenter machen. Ferner soll die Beilegung von Streitigkeiten zwischen Beschwerdeführern sowie Nutzern mit den Anbietern zukünftig vereinfacht und effektiver gemacht und die Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche wegen der Verletzung absolut geschützter Rechte aufgrund rechtswidriger Inhalte erleichtert werden.
Mehr lesenNach einem Rechtsgutachten ist eine politische Betätigung zivilgesellschaftlicher Organisationen nach geltendem Recht in größerem Umfang mit der Gemeinnützigkeit vereinbar als dies vom Bundesfinanzhof in seinem Attac-Urteil (BeckRS 2019, 2190) angenommen wird. Dies schreibt die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF), die das Gutachten in Auftrag gegeben hat, mit Blick auf die geplante Reform des Gemeinnützigkeitsrechts in einer Pressemitteilung vom 02.05.2020.
Mehr lesenDie Volkswagen AG muss dem Käufer eines vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeugs wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung nach § 826 BGB Schadenersatz leisten, obwohl die Klage erst im Jahr 2019 erhoben wurde. Dies hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart entschieden, der die Ansprüche – anders als der 10. Zivilsenat des OLG Stuttgart nicht als verjährt ansieht. In dem Urteil vom 30.04.2020 (Az.: 7 U 470/19) wurde die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.
Mehr lesenBei einseitigen Preiserhöhungen durch den Mobilfunkanbieter haben Kunden stets – auch bei Erhöhungen unter 5% – ein Widerspruchsrecht. Dies hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschieden. In dem Urteil vom 09.04.2020 zu den AGB einer Mobilfunkanbieterin stellte es zugleich klar, dass die Androhung einer Sperre für den Fall eines Zahlungsverzugs des Handy-Kunden in Höhe von mindestens 75 Euro auch in Textform erfolgen kann (Az.: 1 U 46/19).
Mehr lesenDer Deutsche Richterbund (DRB) weist die Kritik von Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) an korrigierenden Entscheidungen der Gerichte in der Corona-Krise zurück. "Die Exekutive sollte sich darüber bewusst sein, dass eine Korrektur unverhältnismäßiger Maßnahmen durch die Gerichte gerade in der aktuellen Ausnahmesituation erkennen lässt, dass der Rechtsstaat funktioniert“, sagten die DRB-Vorsitzenden Barbara Stockinger und Joachim Lüblinghoff am 03.05.2020.
Mehr lesenDer Bundesgerichtshof hat das Urteil wegen eines mutmaßlich rechtsextremen Überfalls 2014 auf eine Kirmesgesellschaft in Thüringen gekippt. Die Revision der vor drei Jahren Verurteilten habe Erfolg gehabt, heißt es in einem Beschluss des BGH, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt und über den am 02.05.2020 auch die Nebenklage informierte. Das Urteil aus dem Jahr 2017 werde aufgehoben. Eine andere Strafkammer des Landgerichts Erfurt müsse den Fall nun neu verhandeln (Az.: 2 StR 352/18).
Mehr lesenDas nach § 256 I ZPO erforderliche Feststellungsinteresse ist für eine Elementenfeststellungsklage nur dann gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann. Begehrt der Kläger die Feststellung eines in der Vergangenheit liegenden Rechtsverhältnisses, ist die Klage nur zulässig, wenn sich aus der Feststellung noch Rechtsfolgen für die Gegenwart oder Zukunft ergeben. (Orientierungssatz der Richterinnen und Richter des BAG)
BAG, Urteil vom 03.12.2019 - 9 AZR 54/19 (LAG Schleswig-Holstein), BeckRS 2019, 40413
Mehr lesenDas Landgericht Duisburg hat am 04.05.2020 den Prozess um das Unglück bei der Loveparade 2010 mit 21 Toten ohne Auflagen eingestellt. Bei den drei zuletzt verbliebenen Angeklagten hatte das Gericht zuvor nur eine geringe Schuld vermutet. Eines der aufwendigsten Strafverfahren der Nachkriegszeit endet damit nach knapp zweieinhalb Jahren und 184 Sitzungstagen ohne ein Urteil. Die Kammer wollte am 04.05.2020 im Anschluss an die Verkündung des Beschlusses noch ihre Erkenntnisse aus dem Verfahren vortragen.
Mehr lesenDie Inhaberin eines Sportwarengeschäfts in der Hamburger Innenstadt ist in zweiter Instanz mit ihrem Eilantrag gegen die Beschränkung der Verkaufsfläche von Einzelhandelsgeschäften auf 800 qm gescheitert. Das Oberverwaltungsgericht Hamburg hat auf die Beschwerde der Freien und Hansestadt Hamburg die vorangegangene stattgebende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg geändert und den Eilantrag abgelehnt (Az.: 5 Bs 64/20, unanfechtbar).
Mehr lesenDie Inhaberin eines Sportgeschäfts war mit ihrem Vorgehen gegen die baden-württembergische Beschränkung der Verkaufsfläche auf 800 qm im sonstigen Einzelhandel teilweise erfolgreich. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in Mannheim hat mit Beschluss vom 30.04.2020 entschieden, die Beschränkung sei gleichheitswidrig, da der Handel mit Kraftfahrzeugen und Fahrrädern sowie der Buchhandel, für die keine Verkaufsflächenbegrenzung gelte, ohne sachlichen Grund privilegiert werde. Die Begrenzung der Verkaufsfläche auf 800 qm bleibe aber vorläufig bis zum 03.05.2020 in Kraft (Az.: 1 S 1101/20, unanfechtbar).
Mehr lesenDie Ordnungsverfügung des Oberbürgermeisters der Stadt Mönchengladbach vom 16.05.2019, alle Wahlwerbeplakate der NPD mit dem Wahlwerbeslogan "Stoppt die Invasion: Migration tötet!" in Mönchengladbach zu entfernen, war rechtmäßig. Denn die Gestaltung der Plakate erfülle den Straftatbestand der Volksverhetzung. Das hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf mit Urteil vom 29.04.2020 entschieden und damit die Klage des Kreisverbandes der NPD abgewiesen (Az.: 20 K 3926/19). Dieser war bereits im Vorfeld der Europawahl im Mai 2019 mit einem Eilantrag gescheitert.
Mehr lesenIn Rheinland-Pfalz waren zwei Verfassungsbeschwerden erfolglos, die sich gegen die seit dem 27.04.2020 in dem Bundesland in bestimmten Fällen geltende Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes richten. In beiden Fällen sei der Grundsatz der Subsidiarität nicht gewahrt, da die Beschwerdeführer zunächst um fachgerichtlichen Rechtsschutz hätten nachsuchen müssen, begründet der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz seine beiden Beschlüsse vom 29. und 30.04.2020 (Az.: VGH B 25/20, VGH B 26/20 und VGH A 27/20).
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