Dr. Hans-Jürgen Hillmer
Hinweise anlässlich der Münchner Steuerfachtagung vom 26./27.3.2025

Vor dem Hintergrund der im internationalen Vergleich zu hohen Steuerbelastungen und zunehmender Bürokratielasten, die die notwendige Innovationsfreudigkeit im Mittelstand ersticken, sind im Rahmen der aktuellen Koalitionsverhandlungen dringend neue Weichenstellungen erforderlich. Noch ist das Ergebnis offen. Wie dieses jedoch aussehen sollte, hat eine vom Bundesministerium der Finanzen (BMF) eingesetzte Expertenkommission skizziert.
Praxis-Info!
Problemstellung
Die deutsche Steuer- und Wirtschaftspolitik der nächsten Jahre wird derzeit neu verhandelt. Die Ergebnisse werden maßgeblich darüber entscheiden, wie die schon beschlossenen Milliardenpakete wirken werden. Dass der Reformbedarf im Unternehmenssteuerrecht groß ist, lässt sich aus dem Umfang der Vorschläge der Expertenkommission ableiten, die vom BMF im September 2023 eingesetzt worden ist. Nach der Präsentation des Abschlussberichts „Besteuerung der Unternehmen – Einfacher und Effizienter“ im Juli 2024 ist die Veröffentlichung der Endfassung (2. Auflage) im Dezember 2024 im Wahlkampfgetöse untergegangen. Anlässlich der Münchener Steuerfachtagung wurden die Grundzüge dargestellt. Sie werden sicher auch eine wichtige Rolle beim nahenden Abschluss der Koalitionsverhandlungen spielen. Deshalb lohnt ein Blick auf das, was die 13 Vertreter und Vertreterinnen aus Wissenschaft und Wirtschaft in vier Unterarbeitsgruppen für empfehlenswert halten.
In seinen Erläuterungen der Ergebnisse der Expertenkommission „Vereinfachte Unternehmensteuer“ stellte Prof. Dr. Wolfgang Schön vom Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen am 27.3.2025 in München eingangs vor, welche Maßstäbe an eine Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung angelegt wurden.
Maßstab Nr. 1 ist die erreichbare Steuerentlastung: Ausgehend von einer aktuellen Steuerbelastung von Gewinnen in Körperschaften in Höhe von ca. 30% (in Abhängigkeit von der GewSt) wird als Zielgröße im internationalen Steuerwettbewerb ein Niveau von ca. 25% genannt.
Maßstab Nr. 2 ist die Reduktion von Befolgungskosten (Compliance Costs): Damit sind die Erklärungs-, Informations-, Dokumentations-, Anzeigepflichten angesprochen; dies ist nicht nur eine Frage des finanziellen Aufwands, sondern auch des verfügbaren Personals in Unternehmen, in Beratungsgesellschaften und in der Finanzverwaltung; ferner spielen die Haftungsrisiken eine wichtige Rolle.
Maßstab Nr. 3 ist der Abbau ökonomischer Zusatzlasten. Dies sind volkswirtschaftliche Schäden, die dadurch entstehen, dass betriebswirtschaftlich sinnvolle Maßnahmen nicht durchgeführt werden. Als Beispiele wurden genannt:
- Einschränkungen der Verlustverrechnung führen zur Unterlassung riskanter Investments.
- Nachteile im Umwandlungssteuerrecht hindern die flexible Entwicklung von Unternehmen.
- Sonderlasten auf internationale Sachverhalte bestrafen die grenzüberschreitende Tätigkeit von Unternehmen.
Lösung
1. Im Rahmen der Gewinnermittlung empfiehlt die Kommission die Rückkehr zur Maßgeblichkeit der HGB-Bilanz (angemessene Risikovorsorge, IFRS untauglich (trotz globaler Mindestbesteuerung)) und die Ausweitung der Einnahmen-Überschuss-Rechnung (auf Antrag).
2. Hinsichtlich der Verrechnung von Verlusten weist die Expertenkommission auf die zentrale Bedeutung der Verlustverrechnung für riskante Investitionen hin. Empfohlen werden insbesondere die Abschaffung der Mindestgewinnbesteuerung, die Erweiterung des Verlustrücktrags und die Reform des § 15a EStG (steuerliche Berücksichtigung nachträglicher Einlagen) sowie Erleichterungen bei §§ 8c, 8d KStG und die Aufhebung der Verlustübertragungsschranken im UmwStG.
3. Bei der Reform der Gewerbesteuer sind den Experten folgende Aspekte wichtig:
- Erstreckung der Anrechnung der GewSt auf die KSt (unter gleichzeitiger Anhebung des KSt-Satzes)
- Weitgehender Abbau von Hinzurechnungen und auch Abbau von Kürzungen
- Gleichlauf von Unternehmensbeginn und -ende zwischen ESt und GewSt
- Aufgabe der „Unternehmeridentität“ für die Weiterführung von Verlustvorträgen im Betrieb; begrenzter Verlustrücktrag
- Volle Abzugsfähigkeit des Unternehmerlohns, entweder – wie bei Kapitalgesellschaften – als Betriebsausgabe oder – wie bei Einzelunternehmen – über einen in Zukunft realitätsgerechten Freibetrag
- Aufhebung der Kürzungen für Immobilien – vor allem der erweiterten Kürzung für Immobiliengesellschaften.
4. Im Themenbereich Liquidation und Sanierung hält die Expertenkommission die fehlende (§ 8b Abs. 3 KStG) oder eingeschränkte (§ 3c Abs. 2 EStG) Abzugsfähigkeit von Liquidationsverlusten für systemwidrig, weil mit diesen Verlusten keine Abzugsmöglichkeit auf der Ebene der Körperschaft korrespondiert. Geboten sei eine vollständige Verlustverrechnung in Höhe des eingezahlten Kapitals. Ebenfalls systemwidrig seien die Einschränkungen für die Abzugsfähigkeit des Ausfalls von Gesellschafterdarlehen. Der Verlust des vom Gesellschafter eingesetzten Eigen- und Fremdkapitals müsse steuerlich voll zur Geltung kommen. Ferner wird gefordert, den Verzicht auf ein Gesellschafterdarlehen bei der Gesellschaft in Höhe des Nennbetrags als Einlage buchen zu können.
Praxishinweise: - Deutlich wurde in München, dass neben dem Steuersatz viele andere Aspekte zu beachten sind. Unternehmerisches Handeln kann an vielen Stellen im Steuerrecht spürbar erleichtert werden durch den Abbau von bürokratischen Lasten und den Abbau von Hindernissen bei der Übernahme unternehmerischer Risiken und der flexiblen Fortentwicklung von Unternehmen. Auch die Erleichterung internationaler Unternehmenstätigkeit ist ein wesentlicher Gestaltungsbereich. Die Gesamtfassung des Expertengutachtens kann unter https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Broschueren_Bestellservice/bericht -kommission-vereinfachteunternehmensteuer.html eingesehen werden.
- Was davon kommt, bleibt noch abzuwarten. Immerhin sicherte der bayerische Minister der Finanzen Füracker auf Nachfrage des Verfassers in München am 26.3.2025 zu, dass die im Sondierungspapier genannten Steueraspekte gesetzt seien. Also dürfen sich z.B. Rentner auf die Steuerfreiheit der sog. Aktivrente im Umfang von 2.000 € monatlich freuen. Ferner sind demnach die Erhöhung der Pendlerpauschale und die Steuerfreiheit der Zuschläge für Mehrarbeit, die über die tariflich vereinbarte bzw. an Tarifverträgen orientierte Vollzeitarbeit hinausgehen, sicher. Um die Chancen von Künstlicher Intelligenz und Digitalisierung stärker nutzen zu können, soll es eine massive Aufstockung der Mittel für Forschung und Entwicklung geben. Für schnelle Entlastungen um mindestens 5 Cent pro kWh sollen in einem ersten Schritt die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß gesenkt und die Übertragungsnetzentgelte halbiert werden (mehr zum Sondierungspapier im BC-Newsletter vom 13.3.2025).
- Bürokratieabbau, Steuervereinfachungen und das im BC-Newsletter vom 27.3.2025 bereits fokussierte Thema „KI-Einsatz“ werden die Fachwelt sicher auch im nächsten Jahr beschäftigen: Die 65. Münchner Steuerfachtagung ist für den 18./19.3.2026 terminiert.
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Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld
BC 5/2025
BC20250504