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Zehnjahres-Rekord bei Insolvenzen deutscher Unternehmen

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

Tiefrote Alarmsignale aufgrund neuer Creditreform-Zahlen

 

Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist im 1. Halbjahr 2025 auf den höchsten Stand seit zehn Jahren gestiegen. Nach Creditreform-Angaben vom 26.6.2025 schwinden die finanziellen Reserven, und Kredite werden teils nicht mehr verlängert, sodass immer mehr Betriebe in ernsthafte Schwierigkeiten geraten. Risiko- und Forderungsmanager sind gefordert wie lange nicht mehr.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Mit ihrer Statistik über die Insolvenzen in Deutschland im 1. Halbjahr 2025 wird für die Creditreform-Experten mehr als deutlich, dass die deutsche Wirtschaft trotz einiger positiver Signale (Stichwort Investitionsbooster bzw. steuerliches Sofortprogramm, siehe hier, im Bundestag am 26.6.2025 beschlossen) weiter in einer Rezession steckt. Es wurden 11.900 Unternehmensinsolvenzen registriert, damit ein Anstieg von 9,4% gegenüber dem Vorjahreszeitraum (1. Halbjahr 2024: 10.880 Fälle). Bereits im Vorjahr war ein kräftiger Zuwachs von 28,5% zu verzeichnen gewesen. „Trotz einiger Hoffnungssignale steckt Deutschland weiter in einer tiefgreifenden Wirtschafts- und Strukturkrise. Unternehmen kämpfen mit schwacher Nachfrage, steigenden Kosten und anhaltender Unsicherheit; immer mehr Betriebe geraten in ernsthafte Schwierigkeiten“, erklärt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung. Denn finanzielle Reserven sind vielerorts aufgebraucht, und neue Finanzmittel werden seitens der Kapitalgeber verweigert. Da auch im weiteren Jahresverlauf keine nennenswerte Konjunkturerholung erwartet wird, bleibt das Insolvenzrisiko derzeit hoch. Das ist nicht nur für die unmittelbar Betroffenen misslich, sondern auch für Kunden und Lieferanten in Form von ausfallenden Lieferungen bzw. Forderungen.

 

 

Problemdimensionen

 

1. Forderungsausfälle und Arbeitsplatzverluste

Die wirtschaftlichen Folgen der Insolvenzen sind erheblich: So beliefen sich die geschätzten Forderungsausfälle aus Unternehmensinsolvenzen im 1. Halbjahr 2025 auf rund 33,4 Mrd. €. Pro Insolvenzfall ergibt sich damit eine durchschnittliche Schadenssumme von etwa 2,8 Mio. € (und damit deutlich mehr als in den Jahren 2022 und 2023). Auch die Zahl der betroffenen Arbeitsplätze ist gestiegen: Rund 141.000 Arbeitnehmer arbeiteten in den insolventen Unternehmen – ein Anstieg von 6% gegenüber dem Vorjahr (133.000).

 

 

2. Zunahme der Großpleiten und Mittelstandsinsolvenzen

Vor allem Großinsolvenzen treiben die Zahl der Arbeitsplatzverluste in die Höhe. Zu den jüngsten prominenten Fällen zählen der Pflegeheimbetreiber Argentum Pflege und die Haushaltswarenkette KODi Diskontläden GmbH, beide mit jeweils über 2.000 Beschäftigten.

Im Segment der mittelständischen Unternehmen zeigt die aktuelle Insolvenzstudie von Creditreform ein weiterhin dynamisches Insolvenzgeschehen. So stieg die Zahl der Insolvenzen in der Größenklasse von 51 bis 250 Beschäftigten überdurchschnittlich stark um 16,7%. Auch bei größeren Unternehmen mit Umsätzen ab 5 Mio. € stiegen die Insolvenzen und liegen mittlerweile mehr als doppelt so hoch wie noch vor der Corona-Krise. Diese Entwicklung ist nach der Einschätzung von Hantzsch auch auf die modernen Möglichkeiten des deutschen Insolvenzrechts zurückzuführen, das stark auf die Sanierung krisenhafter Unternehmen ausgerichtet ist: „Vor allem größere Unternehmen nutzen diese Optionen zunehmend, um sich im Zuge einer Insolvenz neu aufzustellen.“

 

 

3. Branchen- und Lebenszyklusunterschiede

Besonders stark betroffen von der schwachen Industrieproduktion ist das Verarbeitende Gewerbe. Hier stiegen die Insolvenzen entsprechend deutlich um 17,5%. Auch im Handel wurde ein überdurchschnittlicher Zuwachs von 13,8% verzeichnet, bedingt durch Kaufzurückhaltung und den intensiven Wettbewerb im Online-Handel. Im Baugewerbe fiel die Zunahme mit plus 1,7% vergleichsweise gering aus. Nach wie vor entfällt der Großteil der Insolvenzen auf den Dienstleistungssektor: Mit fast 7.000 Fällen macht dieser Bereich rund 58,5% aller Unternehmensinsolvenzen aus.

Der Anteil junger Unternehmen (bis 4 Jahre alt) am Insolvenzgeschehen ist weiter zurückgegangen und liegt mit 21,3% auf dem niedrigsten Stand seit 2021. Ursache hierfür ist vor allem die rückläufige Zahl an Unternehmensgründungen in Deutschland. Am häufigsten betroffen sind weiterhin ältere, etablierte Unternehmen mit über zehn Jahren Betriebsbestand – ihr Anteil liegt bei fast 42%.

 

 

Praxishinweise:

  • Zusätzliche Besorgnis verursacht die noch viel höhere Zahl der Unternehmensschließungen, die im Jahr 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 16% auf fast 200.000 gestiegen ist. Allein in energieintensiven Bereichen wurden 1.050 Betriebsschließungen registriert – ein Anstieg um 26% im Vergleich zum Vorjahr. In der Chemie- und Pharmaindustrie gaben 360 Unternehmen auf – der höchste Stand seit über 20 Jahren (mehr dazu siehe in der Meldung vom 21.5.2025 im BC-Newsletter vom 22.5.2025).
  • Für im Rahmen des Forderungs-, Vertriebs- und Risikomanagements verantwortliche Bilanzbuchhalter und Controller steigt der Handlungsdruck also nochmals an. Die Spannweite der Maßnahmen reicht von Wertberichtigungen über eine intensive Marktbeobachtung bis hin zur Neuaufstellung im Vertrieb, um Ausfälle kompensieren zu können. Das Management insgesamt ist mit der Auswertung von Frühwarnsignalen gefordert, die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle voranzutreiben, um das eigene Unternehmen nicht eines (möglicherweise nicht so fernen) Tages in die Vielzahl der Schließungen oder Insolvenzen einreihen zu müssen.
  • Ein kurzer Exkurs zum Allheilmittel KI sei hier noch erlaubt: Inwieweit bei der Existenzsicherung eine KI-gestützte Entscheidungsfindung helfen kann, bleibt abzuwarten. Im Forrester-Wave-Report 2025 wird in diesem Zusammenhang laut FICO-Mitteilung vom 25.6.2025 (Fair Isaac Corporation, USA) in bestem IT-Deutsch betont: „Modulare Architekturen ermöglichen es Unternehmen, KI-Entscheidungsagenten zu entwickeln, die sich autonom an Echtzeitdaten anpassen und so die intelligente Entscheidungsfindung für spezifische Anwendungsfälle maximieren.“ Die FICO-Vision lautet: „Unternehmensentscheider formulieren in Zukunft Geschäftsziele – KI-gestützte Systeme schaffen die dazu passende Entscheidungslogik und passen sie kontinuierlich an, um diese Ziele zu erreichen.“ Ob da in dieser abstrakten KI-Welt Bilanzbuchhalter und Controller als „Unternehmensentscheider“ ihren Platz finden bzw. sich in der Umgebung KI-gestützter Systeme behaupten können, wird zu beobachten sein.


     

    Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

     

     

    BC 7/2025 

    BC20250730

     

     

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