CHB_RSW_Logo_mit_Welle_trans
JuS_Logobasis_Linsenreflex
Menü

News & Beiträge

Neues vom BFH zu Reihengeschäften

Thomas Streit

BFH-Urteil vom 28.5.2013, XI R 11/09

 

Das jüngste Urteil des XI. Senats des BFH zum Thema „Reihengeschäft“ ist die Folgeentscheidung zum Urteil des EuGH in der Rechtssache VSTR (Urteil vom 27.9.2012, C-587/10). Zentrale Frage ist die Bestimmung der bewegten Lieferung, wenn der mittlere Unternehmer befördert oder versendet. Der XI. Senat wendet sich gegen die Rechtsprechung des V. Senats und dessen Zuordnungskriterium. Auch widerspricht Abschn. 3.14 Abs. 7 Sätze 1, 4 und 5 UStAE nach seiner Sicht wohl der Rechtsprechung des EuGH.

 

 

Praxis-Info!

 

1. Rechtlicher Hintergrund

Ein Reihengeschäft liegt vor, wenn mehrere Unternehmer Umsatzgeschäfte über denselben Gegenstand abschließen und der Gegenstand unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer gelangt. Bei einer grenzüberschreitenden Warenbewegung im Reihengeschäft kann nur eine der Lieferungen steuerfrei sein. Dies ist die sog. warenbewegte Lieferung.

 

 

2. Sachverhalt

Im November 1998 verkaufte eine in Deutschland ansässige Tochtergesellschaft von VSTR Lokotrack-Maschinen zum Brechen von Steinen an das in den USA ansässige Unternehmen B. B hatte eine Niederlassung in Portugal, war aber in keinem Mitgliedstaat der EU für Mehrwertsteuerzwecke registriert. VSTR forderte B auf, seine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer (USt-IdNr.) mitzuteilen. B teilte daraufhin nicht seine eigene USt-IdNr. mit, sondern diejenige seines Kunden C. C ist ein in Finnland ansässiges Unternehmen. Eine Überprüfung durch VSTR ergab, dass die USt-IdNr. von C gültig ist. Im Auftrag von B holte eine Spedition die Lokotrack-Maschinen bei VSTR ab und brachte sie nach Lübeck, von wo diese nach Finnland verschifft wurden. VSTR stellte an B unter Angabe der USt-IdNr. von C eine Rechnung über eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung.

 

 

 

 

 

3. Verkürzte Prozessgeschichte

In erster Instanz sah das Sächsische Finanzgericht die Lieferung der VSTR an B als steuerpflichtig an. Ohne USt-IdNr. von B scheide eine Steuerbefreiung aus. VSTR legte gegen diese Entscheidung Revision beim BFH ein. Dieser legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor, ob die Steuerbefreiung von der USt-IdNr. des Kunden abhängen könne. Der BFH ging davon aus, dass die Lieferung von VSTR an B die bewegte Lieferung sei. Er thematisierte die Frage der Zuordnung der bewegten Lieferung nicht. Das Urteil des EuGH erging am 27.9.2013, C-587/10. Der XI. Senat des BFH führte das Verfahren fort und erließ am 28.5.2013 die vorliegende Entscheidung.

 

 

4. Zentrale Aussagen des BFH

Der XI. Senat verweist den Rechtsstreit an das Sächsische Finanzgericht zurück. Das Finanzgericht muss weitere Tatsachenfeststellungen treffen, um die bewegte Lieferung zuordnen zu können. Ferner gibt der BFH dem Finanzgericht rechtliche Erwägungen mit auf den Weg:

§ 3 Abs. 6 Satz 6 UStG regelt die Zuordnung der bewegten Lieferung im Reihengeschäft, wenn der mittlere Unternehmer den Gegenstand befördert oder versendet. § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG enthält eine widerlegbare Vermutung, dass in einem Reihengeschäft die erste Lieferung die bewegte Lieferung ist. Der XI. Senat verweist darauf, dass die 6. EG-Richtlinie keine dem § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG entsprechende Regelung enthalte. Die teilweise vertretene Auffassung, § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG sei unionsrechtswidrig, teilt der XI. Senat nicht.

Nach Ansicht des XI. Senats ist § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG unionsrechtskonform auszulegen. Entscheidend sei eine umfassende Würdigung aller Umstände des Einzelfalls. Ergebe sich daraus, dass der Ersterwerber den Gegenstand als Lieferer befördert oder versendet hat, sei die Warenbewegung nicht der ersten Lieferung zuzuordnen. Dabei sei insbesondere der Zeitpunkt von Bedeutung, zu dem der Zweiterwerber Verfügungsmacht an dem Gegenstand erhält. Demzufolge tätige VSTR dann keine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung, wenn C bereits Verfügungsmacht an den Maschinen erlangt habe, bevor die innergemeinschaftliche Beförderung nach Finnland erfolgt sei.

Nicht allein entscheidungserheblich ist nach Ansicht des XI. Senats hingegen, wenn B VSTR bereits vor Übergabe der Maschinen deren Weiterverkauf mitgeteilt habe. Der XI. Senat wendet sich ausdrücklich gegen die Rechtsauffassung des V. Senats des BFH. Dieser hatte mit Urteil vom 11.8.2011 (V R 3/10) unter Berufung auf das Urteil des EuGH in der Rs. Euro Tyre Holding (Urteil vom 16.12.2010, C-430/09) eine solche Mitteilung als entscheidungserhebliches Kriterium angesehen. Teile der Ersterwerber seinem Lieferanten den Weiterverkauf vor der Beförderung oder Versendung mit, könne die Warenbewegung nicht mehr der ersten Lieferung zugeordnet werden. Diese Auffassung ist nach Ansicht des XI. Senats nicht mit der Rechtsprechung des EuGH in der Rs. Euro Tyre Holding, jedenfalls aber nicht mit dem Urteil in der Rs. VSTR vereinbar.

Das Sächsische Finanzgericht muss nach Ansicht des XI. Senats folglich unter Berücksichtigung aller Umstände des Sachverhalts beurteilen, wann C Verfügungsmacht an den Maschinen erhalten hat. Einen Rückschluss aus der Transportverantwortlichkeit auf die Verfügungsmacht verneint der BFH. Soweit sich aus Abschn. 3.14 Abs. 7 Sätze 1, 4 und 5 UStAE etwas anderes ergebe, sei dies mit der Rechtsprechung des EuGH unvereinbar.

Ferner muss das Sächsische Finanzgericht weitere Feststellungen treffen, ob VSTR in redlicher Weise alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um eine USt-IdNr. von B zu erhalten.

 

 

Praxishinweise:

  • Das letzte Wort zur Zuordnung der bewegten Lieferung im Reihengeschäft scheint damit nicht gesprochen. Das Sächsische Finanzgericht wird sich erneut mit der Sache VSTR befassen. Es bleibt abzuwarten, wie der V. Senat auf diese Rechtsprechung des XI. Senats reagieren wird, wenn er das nächste Mal über ein Reihengeschäft entscheidet.
  • In gerichtlichen Auseinandersetzungen erfordert das Abstellen auf die Gesamtumstände umfassende Detailarbeit. Bei der Gestaltung von Reihengeschäften sollten Unternehmer weiter mit großer Vorsicht handeln und ggf. mit zusätzlichen Vereinbarungen für Klarheit sorgen.

 

Thomas Streit, LL.M. Eur., Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Mitarbeiter der auf Umsatzsteuerrecht spezialisierten Kanzlei küffner maunz langer zugmaier, München

 

 

BC 10/2013

becklink350702

Rubriken

Anzeigen

BC Newsletter

beck-online Bilanzrecht PLUS

wiwicareer-vahlen

Teilen

Menü