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Vorsicht bei gemischter Raumnutzung: BFH engt Abzugsmöglichkeiten weiter ein

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

BFH-Urteil vom 22.3.2016, VIII R 24/12

 

Die nicht nur untergeordnete private Mitbenutzung eines in die häusliche Sphäre eingebundenen Raums schließt den Abzug von Betriebsausgaben für diesen Raum aus. Dies gilt auch dann, wenn es sich um einen nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers entsprechend eingerichteten Raum handelt.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für beruflich genutzte und in die häusliche Sphäre eingebundene Räumlichkeiten hat den BFH schon des Öfteren beschäftigt, so im Zusammenhang mit der Anerkennung eines sog. häuslichen Arbeitszimmers. Nun war über eine Tätigkeit als sog. Coach zu entscheiden, für die ein Gewinn aus selbstständiger Arbeit auf der Grundlage einer Einnahmen-Überschussrechnung (gemäß § 4 Abs. 3 EStG) unter Abzug von Miet- und Mietnebenkosten als Betriebsausgaben für einen Raum in einer im Übrigen privat genutzten Mietwohnung ermittelt worden war.

Zuvor hatte das FG München mit Urteil vom 31.5.2011 (Az.: 13 K 2979/10, EFG 2012, 1825) die ablehnende Auffassung der Finanzverwaltung bestätigt. Basis waren die Feststellungen einer Ortsbesichtigung des Finanzamts, wonach der als Arbeitszimmer bezeichnete, 37 qm große Raum wie folgt ausgestattet war:

  • mit einem Schreibtisch,
  • einem Flipchart,
  • einem langen Tisch mit sechs Stühlen,
  • einem Regal und
  • einem Kachelofen mit umlaufender Bank.

Im Obergeschoss der Wohnung befanden sich ein Bad und ein Wohn- sowie ein Schlafzimmer. Zwar sah das Finanzgericht den Raum wegen seiner Ausstattung nicht als unter die Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG fallendes häusliches Arbeitszimmer an. Dennoch verneinte es die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen als Betriebsausgaben, da es von einer nicht unerheblichen privaten Mitbenutzung des Raums ausging.

 

 

Lösung

Auch der BFH verneinte in seinem vom 22.3.2016 stammenden, am 14.9.2016 veröffentlichten Urteil die Abzugsfähigkeit der betreffenden Aufwendungen. Er sah sich an die Feststellung des FG gebunden, dass das Zimmer im Untergeschoss der Wohnung der Kläger in den Streitjahren in nicht unerheblichem Umfang auch privat genutzt wurde. Die private Mitbenutzung hatte das FG daraus abgeleitet, dass das streitige Zimmer der größte Raum in der Wohnung der Kläger gewesen sei. Es sei mit einem Kachelofen mit umlaufender Bank ausgestattet gewesen, und man habe von dort aus den Balkon betreten können, der einen schönen Blick auf die Umgebung ermöglicht habe. Der im Raum befindliche lange Tisch habe sich gut für die Bewirtung mehrerer Gäste geeignet. Auch habe für die Kläger die Möglichkeit bestanden, das Zimmer als Esszimmer zu nutzen oder sich in der kalten Jahreszeit aufgrund des Kachelofens dort aufzuhalten.

Da der streitige Raum pro Jahr an höchstens 20 Tagen den Coaching-Sitzungen gedient habe, sei auch nicht davon auszugehen, dass er ständig durch die Coachingtätigkeit blockiert gewesen sei. Selbst wenn man die Vorbereitung und Nachbereitung der Behandlungen sowie die Akquisetätigkeit der Klägerin am Schreibtisch in die Zeiten der beruflichen Nutzung des Raums einbeziehe und die Zeiten, zu denen der Raum gar nicht benutzt worden sei, nicht der privaten Nutzung zuordne, verbleibe eine private Mitbenutzung des Raums an bis zu 300 Tagen jedes Streitjahrs.

Auf dieser Grundlage scheidet der Abzug von Betriebsausgaben für dieses Zimmer unabhängig davon aus, ob man das Zimmer als ein häusliches Arbeitszimmer im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG einordnet (mit unmittelbar daraus erwachsenden Abzugsbeschränkungen) oder nicht. Diese Differenzierung ist deshalb wichtig, weil Aufwendungen für Räume innerhalb des privaten Wohnbereichs des Steuerpflichtigen, die nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers entsprechen, gleichwohl unbeschränkt als Betriebsausgaben/Werbungskosten (gemäß § 4 Abs. 4 oder § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) abziehbar sein können, wenn sie betrieblich/beruflich genutzt werden und sich der betriebliche/berufliche Charakter des Raums und dessen Nutzung anhand objektiver Kriterien feststellen lassen:

  • Entspricht ein Raum nach seinem äußeren Bild durch seine Einrichtung mit Büromöbeln dem Typus des Arbeitszimmers, muss er als Voraussetzung für den Betriebsausgabenabzug (gemäß § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Sätze 2 und 3 EStG) überdies nachweisbar (nahezu) ausschließlich zur Erzielung von Einkünften genutzt werden.
  • Entspricht ein Raum nach seinem äußeren Bild nicht dem Typus des häuslichen Arbeitszimmers, gilt der für die Abzugsbeschränkung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG maßgebliche Grund der nicht auszuschließenden privaten Mitbenutzung nicht, wenn sich bereits aus der Ausstattung des Raums und/oder wegen seiner Zugänglichkeit durch dritte Personen eine private Mitbenutzung ausschließen lässt (BFH-Beschluss vom 27.7.2015, GrS 1/14, Rz. 65). Ist ein nicht durch die büromäßige Einrichtung geprägter Raum – trotz einer geringfügigen Widmung für den Publikumsverkehr – jedoch aufgrund seiner Ausstattung auch privat nutzbar und wird er tatsächlich auch privat genutzt, führt die gemischte Nutzung zur vollständigen Versagung des Betriebsausgabenabzugs.

 

 

Praxishinweise:

  • Für die sog. Arbeitsecke war das steuerliche Aus bereits dem BFH-Urteil vom 17.2.2016 ( X R 32/11, dazu Hillmer) zu entnehmen und ist erst kürzlich nochmals bestätigt worden: Die Abtrennung durch ein Regal oder einen als Sideboard bezeichneten Raumteiler genügte dem BFH nicht, um aus dem einheitlichen Raum zwei Räume zu machen (zuletzt BFH vom 22.3.2016, VIII R 10/12, BC-Newsletter vom 15.9.2016).
  • Der BFH sichert sich auch hier wie zuvor in seiner Arbeitsecken-Entscheidung verfassungsrechtlich ab und sieht es anknüpfend an den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6.7.2010 (Az.: 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268, BStBl. II 2011, 318) von der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers als gedeckt an, den Abzug von Aufwendungen für Arbeitsbereiche in gemischt genutzten Räumen generell auszuschließen.
  • Im Streitfall wurde die Vermutung einer „privaten Nutzung von nicht nur untergeordneter Bedeutung“ insbesondere auf das Ausstattungsmerkmal „Kachelofen mit Sitzbank“ sowie den Umstand gestützt, dass das Zimmer einen Balkon hatte und mit einem langen Tisch ausgestattet war, der sich für private Gästebewirtungen eignete. Hier hatte es im Vorverfahren möglicherweise an einer geschickten Argumentation gefehlt; denn gerade für Coaching-Sitzungen lassen sich durchaus Argumente finden, die gerade solche Ausstattungsmerkmale als betrieblich förderlich werten lassen. Damit musste sich der BFH aber nicht befassen, da er auf die ihn bindenden Feststellungen des Finanzgerichts verweisen konnte – und offenbar wollte, indem eine Rückverweisung mit vertiefender Sachaufklärung für ihn nicht in Betracht kam.
  • In ähnliche Konstellationen eingebundene Controller und Bilanzbuchhalter sollten zudem bedenken, dass die beabsichtigte steuerliche Geltendmachung vielleicht mehr Erfolg gehabt hätte, wenn nach dem Prinzip „Weniger ist mehr“ verfahren worden wäre und nicht der größte Raum der Wohnung mit Balkon zum Arbeitsraum bestimmt worden wäre. Selbst die im oben genannten BFH-Beschluss vom 27.7.2015 zugunsten der Steuerpflichtigen angeführten Beispiele wie eine Notarztpraxis, ein häusliches Tonstudio oder ein Warenlager könnten in gefährliches Fahrwasser geraten, wenn auf sie entfallende Wohnungsanteile zu groß bemessen werden und daher Zweifel aufkommen lassen. Sind solche Zweifel erst einmal geboren, dürfte die Krimi-Liebhabern bekannte „Columbo-Spürnase“ auch bei Aufklärungen in Fiskus-Amtsstuben zum Einsatz kommen.

 

Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld

 

BC 10/2016

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