Dr. Hans-Jürgen Hillmer
BFH-Urteil vom 22.3.2016, VIII R 10/12
Ein büromäßig eingerichteter Arbeitsbereich, der durch einen Raumteiler (z.B. Regal, Sideboard) vom Wohnbereich abgetrennt ist, ist nicht als häusliches Arbeitszimmer im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG anzuerkennen.
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Problemstellung
Zu entscheiden war, ob ein Betriebsausgabenabzug aufgrund der vom Kläger geltend gemachten betrieblichen Mitbenutzung der Küche, Diele und des Bades in zwei Wohnungen anerkannt werden kann. Das Finanzamt hatte nur insoweit einem Abzug zugestimmt, wie Mietaufwendungen auf ausschließlich betrieblich genutzte Räume entfielen (z.B. als Archiv genutzter Kellerraum).
Darüber hinausgehend begehrte der Kläger nach Maßgabe eines Flächenschlüssels den Abzug der Aufwendungen, die auf gemischt genutzte Räumlichkeiten entfallen.
Lösung
In Kenntnis der bisherigen Rechtsprechung kann es nicht überraschen, dass die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) Düsseldorf vom 1.2.2012 (Az.: 7 K 87/11 E) als unbegründet zurückgewiesen wurde. Der als Architekt tätige Kläger hat in den Streitjahren nach den Feststellungen des FG in seinen Wohnungen insbesondere weder in größerem Umfang Kunden empfangen noch Angestellte beschäftigt, die Küche und Bad mitgenutzt hätten. Auf dieser Grundlage kommt in den Streitjahren ein Abzug anteiliger Mietaufwendungen für „betrieblich mitgenutzte Flächenanteile“ in Küche, Diele und Bad als Betriebsausgaben schon deshalb nicht in Betracht, weil es an der (gemäß § 4 Abs. 4 EStG) erforderlichen betrieblichen Veranlassung der Aufwendungen fehlt.
Aufwendungen für in die private Sphäre eingebundene Räume, die bereits nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht dem Typus des Arbeitszimmers zuzurechnen sind, sondern ihrer Art (z.B. Durchgangszimmer) oder ihrer Einrichtung nach (z.B. bei einer Arbeitsecke in einem Wohnraum) erkennbar auch privaten Wohnzwecken dienen, können nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abgezogen werden. Für den BFH ist entscheidend, dass sich die nahezu ausschließliche betriebliche Nutzung weder bei einem gemischt genutzten und als Arbeitszimmer eingerichteten Raum noch bei einem abgetrennten Arbeitsbereich in einem auch zu privaten Wohnzwecken genutzten Zimmer objektiv feststellen lässt. Nur ein durch Wände und Türen abgeschlossener Raum könne ein zum Abzug von Betriebsausgaben berechtigendes häusliches Arbeitszimmer sein; denn ein solcher Raum sei die kleinste Einheit, über die sich eine nachprüfbare Aussage für die nahezu ausschließlich berufliche Nutzung treffen lässt.
Kein häusliches Arbeitszimmer ist – anknüpfend an diese raumbezogene Betrachtungsweise – ein Arbeitsbereich,
- der vom angrenzenden Wohnzimmer aus durch einen offenen Durchgang ohne Türabschluss betreten werden kann,
- der durch einen Raumteiler vom Wohnbereich abgetrennt ist oder
- der auf einer Empore oder offenen Galerie eingerichtet ist.
Im Streitfall sei die Abgrenzung durch das einen Meter hohe Sideboard mit daneben liegendem Durchgang zum Rest des Zimmers einem durch Wände und Türen abgeschlossenen Raum nicht gleich zu erachten.
- Das steuerliche Aus für die sog. Arbeitsecke war bereits dem BFH-Urteil vom 17.2.2016 ( X R 32/11, siehe dazu Hillmer) zu entnehmen: Aufwendungen für einen in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebundenen Raum, der sowohl zur Erzielung von Einkünften als auch (in mehr als nur untergeordnetem Umfang) zu privaten Zwecken genutzt wird, sind demnach insgesamt auch nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG nicht abziehbar. Das gilt ebenso für Zimmer, die im Wege einer räumlichen Aufteilung mit einer „Arbeitsecke“ zur Erzielung von Einnahmen und in der übrigen Fläche zu privaten Wohnzwecken genutzt werden. Die Abtrennung durch ein Regal genügte dem BFH nicht, um aus dem einheitlichen Raum zwei Räume zu machen. Nun ereilte ein als Sideboard bezeichneter Raumteiler das gleiche Schicksal.
- Möglicherweise hätte ein in Steuersachen eher fachkundiger Bilanzbuchhalter geschickter argumentieren können als im Streitfall der Architekt, der sogar die Mitbenutzung von Küche und Bad meinte ansetzen zu können. Die BFH-Rechtsprechung muss aber nun als so gefestigt angesehen werden, dass die Argumentation nur bei sehr untergeordneter privater Mitbenutzung Erfolg haben könnte.
- Der BFH sichert sich auch verfassungsrechtlich ab: Das BVerfG habe betont, dem Gesetzgeber komme für die sachgerechte Begrenzung der Abzugsfähigkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer ein erheblicher Gestaltungsspielraum sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu. Denn eine effektive Kontrolle der tatsächlichen Nutzung häuslicher Arbeitszimmer sei wegen des engen Zusammenhangs zur Sphäre der privaten Lebensführung und des Schutzes durch Art. 13 GG wesentlich eingeschränkt oder gar unmöglich (BVerfG-Beschluss in BVerfGE 126, 268, Rz. 47). Dies gelte umso mehr für Arbeitsbereiche in gemischt genutzten Räumen.
- In Anbetracht von Instrumenten wie Umsatzsteuer-Nachschau und Lohnsteuer-Nachschau sollte diese Sichtweise nicht unterschätzt werden. Tatsächlich können hier Beschränkungen der Abzugsfähigkeiten die Privatsphäre schützen – ein Argument, das in Zeiten von Big-Data-Auswertungen noch an Gewicht gewinnen dürfte. Hätte der Kläger recht bekommen, würden die technisch schon jetzt möglichen Durchleuchtungen aller Art den gläsernen Steuerbürger möglicherweise auch in seinem Bad und Schlafzimmer erfassen: Lieber ein steuerlich nicht absetzbares stilles Örtchen, als mit Steuervorteilen erkaufte Entblößungen!
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Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld
BC 10/2016
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