Dr. Hans-Jürgen Hillmer
BFH-Beschluss vom 21.11.2013, IX R 23/12
Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer können auch dann steuerlich geltend gemacht werden, wenn der jeweilige Raum nicht ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird.
Praxis-Info!
Problemstellung
Der BFH hatte sich mit einem Fall zu beschäftigen, in dem ein sog. häusliches Arbeitszimmer zwar mit einer Büroausstattung eingerichtet war, aber letztlich nur zu 60% für berufliche/betriebliche Tätigkeiten genutzt wurde. Diese bestanden in der Verwaltung von zwei vermieteten Mehrfamilienhäusern.
Das Finanzamt hatte die Kosten im Rahmen der Einkünfte aus der Vermietung der Mehrfamilienhäuser nicht zum Abzug zugelassen, da sog. gemischte Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG nicht abgezogen werden dürften.
Lösung
Demgegenüber wandte das Finanzgericht (FG) auf der Basis eines beruflichen Nutzungsanteils von 60% die sog. Reisekosten-Rechtsprechung des Großen Senats des BFH aus dem Jahr 2009 ( Beschluss vom 21.9.2009, GrS 1/06, vgl. dazu Hillmer, BC 2012, 186 ff.) auch auf das häusliche Arbeitszimmer an. Hiernach ist für Aufwendungen, die sowohl berufliche/betriebliche als auch privat veranlasste Teile enthalten (gemischte Aufwendungen), kein allgemeines Aufteilungs- und Abzugsverbot normiert.
Der IX. BFH-Senat schließt sich dem nun an und geht folglich mit dem FG davon aus, dass Aufwendungen für abgeschlossene häusliche Arbeitszimmer, die (in zeitlicher Hinsicht) nur teilweise beruflich bzw. betrieblich genutzt werden, aufzuteilen sind. Der danach anteilig steuerlich zu berücksichtigende Aufwand ist (nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG) abzugsfähig. Allerdings erhält die Praxis insoweit eine nur vorläufige Gestaltungsmöglichkeit; denn der BFH rief wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache in Verbindung mit voneinander abweichender Rechtsprechung verschiedener BFH-Senate den Großen Senat (GrS) an. Dieser wird nun endgültig über die folgenden Vorlagefragen zu befinden haben:
- Setzt der Begriff des häuslichen Arbeitszimmers voraus, dass der jeweilige Raum (nahezu) ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird?
- Sind die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer entsprechend den Grundsätzen des Beschlusses des Großen Senats des BFH vom 21.9.2009 (GrS 1/06, siehe oben) aufzuteilen?
In die Beurteilung durch den Großen Senat wird auch die Rechtsansicht des Bundesfinanzministeriums (BMF) einfließen, das dem nun entschiedenen Verfahren beigetreten war und – nicht überraschend – eine Aufteilungsmöglichkeit wie folgt ablehnte: Nur durch das Merkmal der ausschließlichen betrieblichen/beruflichen Nutzung sei gewährleistet, dass das Arbeitszimmer vom privaten Bereich der Lebensführung hinreichend abgegrenzt werde. Lasse man eine Aufteilung im Einzelfall zu, müsse der betriebliche und private Nutzungsanteil ermittelt werden; eine pauschale Schätzung genüge nicht. Praktikabilitätserwägungen sprächen indes gegen eine solche Aufteilung der Aufwendungen. Auch bilanziell sei das ganze Arbeitszimmer ein Wirtschaftsgut. Der Typus des häuslichen Arbeitszimmers gestatte mithin keine Einbeziehung von Arbeitsecken.
Aus der weiteren Begründung des BFH wird jedoch sehr klar, dass aus seiner Sicht die Auffassung der Finanzverwaltung nicht haltbar ist. Dies betrifft insbesondere die von der Finanzverwaltung genannte Voraussetzung einer (nahezu) ausschließlichen betrieblichen/beruflichen Nutzung; lediglich eine untergeordnete private Mitbenutzung soll unschädlich sein (BMF-Schreiben vom 2.3.2011, BStBl. I 2011, S. 195, Tz. 3). Dem Gesetzeswortlaut ist aber – so der BFH unzweideutig – eine Einschränkung auf eine (nahezu) ausschließliche betriebliche/berufliche Nutzung nicht zu entnehmen. Vielmehr sei der Begriff des Arbeitszimmers ausschließlich am Raumtypus festzumachen: Arbeitszimmer ist lediglich ein Raum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient.
Dem Argument in der Literatur, das häusliche Arbeitszimmer lasse sich dem häuslichen Bereich zuordnen und es sei kein hinreichend abzugrenzender betrieblicher bzw. beruflicher Mehraufwand gegeben, hält der BFH entgegen, dass sich der Mehraufwand gerade im höheren Mietzins niederschlägt, der für eine Wohnung fällig wird, die einen zusätzlichen, als Arbeitszimmer genutzten Raum enthält. Im Zweifel könnte es sehr auf die Art der Einrichtung ankommen. Dabei sollten Büromöbel mit einem Schreibtisch als zentralem Möbelstück das Bild prägen ( BFH-Urteil vom 20.6.2012, IX R 56/10, BFH/NV 2012, S. 1776). Die Grenzen sind aber fließend, und so wird es vielfach einer Gesamtwürdigung der Einzelumstände bedürfen. Die hier im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gestellten Vorlagefragen sind auf andere Einkunftsarten übertragbar und entfalten daher große Breitenwirkung. So ist beim BFH z.B. ein weiteres Verfahren anhängig, das die Kosten für als Arbeitszimmer eingerichtete (separate) Räume betrifft, die zeitanteilig (zu 70%) für die Verwaltung vermieteter Immobilien und (zu 30%) für eine wissenschaftliche, vom Finanzamt jedoch als Liebhaberei qualifizierte und damit private Tätigkeit genutzt werden. Stehen Aufwendungen mit mehreren Einkunftsarten in einem objektiven Zusammenhang, sind sie nach ständiger BFH-Rechtsprechung (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 25.11.2010, VI R 34/08, BFHE 232, S. 86, BFH/NV 2011, S. 680; dazu Hillmer, BC 2012, 48 f.) bei der Einkunftsart zu berücksichtigen, zu der sie nach Art und Weise die engere Beziehung haben. Maßgebend sind auch hier wiederum die Gesamtumstände des jeweiligen Einzelfalls (BFH-Beschluss vom 10.2.2005, IX B 169/03, BFH/NV 2005, S. 1057). Im Ergebnis dürfte – dem Grundsatzbeschluss des Großen Senats vom 21.9.2009 (siehe oben) zur Aufteilbarkeit gemischter Aufwendungen folgend – auch für den Sonderfall des häuslichen Arbeitszimmers die Tendenz zum anteiligen Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzug gehen. Die vom BFH ins Feld geführten Argumente (die sehr ausführlich gehaltene Begründung konnte hier nur in wesentlichen Kernbereichen angeführt werden) geben zu berechtigten Hoffnungen Anlass, dass die einschränkende Haltung der Finanzverwaltung keinen Bestand haben wird. So grenzt der BFH klar ab, dass der zu entscheidende Fall weder eine Arbeitsecke noch einen Bilanzierungsfall betreffe, weshalb die diesbezüglichen Argumente der Verwaltung nicht durchgreifen. Die gegenüber einem abgeschlossenen Raum schwierigeren Abgrenzungsfragen bei einer Arbeitsecke (z.B. im Wohnzimmer) sind also vom BFH ausdrücklich ausgeschlossen worden. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Große Senat im Sinne des vorlegenden Senats entscheiden wird, sehr. Dass die Arbeitsecke in sonstigen Räumen nicht mit den Vorlagefragen abgedeckt ist, wird zwar manchen Steuersparkünstler enttäuschen. Denn die sonst im Detail zu klärenden Abgrenzungsfragen hätten auch vor dem Schlafzimmer nicht haltgemacht. Einblicke in dieses sollten auch leidenschaftliche Steuersparer Finanzrichtern ebenso wie Finanzbeamten vielleicht eher nicht gewähren, es sei denn, die gewünschten Einblicke ergäben sich in ausdrücklich privater Mission. Aber auch dann ist Zurückhaltung angebracht: Denn wer sein Kopfkissen mit allzu viel unversteuerten Scheinen gepolstert haben sollte, dem wäre im unbeabsichtigten Offenbarungsfall auch seitens steuerzahlerfreundlich eingestellter BFH-Richter(-innen) kaum mehr zu helfen. Sogar für eine Selbstanzeige könnte es dann zu spät zu sein – egal, ob Promi oder nicht.
|
Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld
BC 3/2014
becklink355139