Aktuelle Urteile des BFH sowie des FG Baden-Württemberg
Die steuerliche Absetzbarkeit von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sorgt auch weiterhin für Kontroversen zwischen Finanzamt und Steuerpflichtigen, wie einige aktuelle Urteile des BFH und des Finanzgerichts Baden-Württemberg zeigen:
- Aufwendungen für ein „außerhäusliches“ Arbeitszimmer in einem Zweifamilienhaus als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung – BFH-Urteil vom 20.6.2012 (IX R 56/10), veröffentlicht am 12.9.2012
- Nachweispflicht für Bewirtungsaufwendungen bei Bewirtungen in einer Gaststätte – Einheitliche Qualifizierung mehrerer Räume als häusliches Arbeitszimmer – BFH-Urteil vom 18.4.2012 (X R 57/09), veröffentlicht am 12.9.2012
- Keine Änderung bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide wegen rückwirkender Neuregelung der Abziehbarkeit von Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer – Urteil des FG Baden-Württemberg vom 25.5.2012 (3 K 149/12), veröffentlicht am 7.9.2012
- Höchstbetrag von 1.250 € für ein häusliches Arbeitszimmer ist objektbezogen – Urteil des FG Baden Württemberg vom 12.7.2012 (3 K 447/12), veröffentlicht am 7.9.2012
Praxis-Info!
Die besagten Urteile befassen sich mit vier verschiedenen Themenkreisen:
1. „Häusliches“ versus „außerhäusliches“ Arbeitszimmer
Der Begriff häusliches Arbeitszimmer ist gesetzlich nicht näher definiert. Nach der Urteilsbegründung des BFH handelt es sich bei einem häuslichen Arbeitszimmer um einen Arbeitsraum, „der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient. Der Nutzung entsprechend ist das häusliche Arbeitszimmer daher typischerweise mit Büromöbeln eingerichtet, wobei der Schreibtisch regelmäßig das zentrale Möbelstück darstellt“.
Anhand dieser Definition ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob ein „Arbeitszimmer“ vorliegt. Wird dies bejaht, so ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob dieses „häuslich“ oder „außerhäuslich“ ist. Entscheidend hierfür ist die Einbindung in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen. Diese ist nur dann gegeben, wenn das Arbeitszimmer unmittelbar zum Wohnhaus oder zur Wohnung des Steuerpflichtigen gehört. Dies schließt Keller und Dachgeschoss mit ein. Von einer unmittelbaren Zugehörigkeit ist auszugehen, wenn Arbeitszimmer und private Wohnräume eine gemeinsame Wohneinheit bilden. Ist eine Zuordnung zur häuslichen Sphäre nicht möglich, fehlt es an einem inneren Zusammenhang zwischen dem beruflich genutzten Bereich und den privaten Wohnräumen mit der Folge, dass kein häusliches, sondern ein „außerhäusliches“ Arbeitszimmer vorliegt. Für Letzteres gelten die Abzugsbeschränkungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG nicht.
2. Mehrere Räume als funktionale Einheit
Wird der Betriebsausgabenabzug für mehrere Räume in Anspruch genommen, ist grundsätzlich jeder Raum gesondert als häusliches Arbeitszimmer zu qualifizieren. Eine Ausnahme besteht, wenn die Räume eine funktionale Einheit bilden. So erfüllt beispielsweise ein Ablage- und Archivraum eine Funktion, die typischerweise einem häuslichen Arbeitszimmer zukommt. Insofern bildet der Archivraum mit dem häuslichen Arbeitszimmer eine „funktionale Einheit“, obwohl er in der Einzelbetrachtung nicht den Kriterien eines häuslichen Arbeitszimmers genügen würde.
3. Keine Änderung bestandskräftiger Einkommensteuerbescheide
Im Ausgangsfall (zum Urteil des FG Baden-Württemberg vom 25.5.2012) machte der Steuerpflichtige im Jahr 2008 in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2007 Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer geltend. Diese wurden seinerzeit vom Finanzamt nicht akzeptiert, da das Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen und betrieblichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen darstellte. Der entsprechende Einkommensteuerbescheid erlangte in diesem Punkt Bestandskraft. Im Jahr 2011 begehrte der Steuerpflichtige – u.a. mit Verweis auf das zwischenzeitlich ergangene Urteil des BVerfG – eine nachträgliche Änderung des Einkommensteuerbescheids 2007 und eine Berücksichtigung der Aufwendungen für das häusliche Arbeitszimmer. Das Finanzamt lehnte dies mit Hinweis auf die eingetretene Bestandskraft ab.
Das FG Baden-Württemberg schloss sich in seinem Urteil der Auffassung der Finanzverwaltung an. Mangels des Vorliegens einer Änderungsvorschrift kann der bestandskräftig gewordene Einkommensteuerbescheid nicht mehr geändert werden. In seiner Urteilsbegründung führt das Finanzgericht aus, dass sich der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG vom 6.7.2010, 2 BvL 13/09 – siehe hier) nur auf zwei Konstellationen auswirken kann:
- „offene“ Fälle, in denen hinsichtlich der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer noch keine Bestandskraft eingetreten ist;
- unter Umständen auf Fälle, in denen der Steuerpflichtige erst nach der Neuregelung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG durch das JStG 2010 die nachträgliche Berücksichtigung von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer begehrt (nachträglich bekannt gewordene Tatsache, vgl. Schüßler, in: DStR 2011, S. 890 ff.).
Beide Fallkonstellationen sind nicht auf den Ausgangsfall anzuwenden. Insofern ist die Klage als unbegründet abzuweisen.
Das Urteil verdeutlicht, wie wichtig es ist, den Eintritt der Bestandskraft zu hemmen, wenn für die Besteuerung relevante Tatsachen in BFH-, BGH- oder BVerfG-Verfahren anhängig sind. |
4. Objektbezogenheit des Höchstbetrags von 1.250 €
Im Ausgangsfall setzte ein zusammenveranlagtes Ehepaar für beide Ehepartner den Höchstbetrag von 1.250 € für Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer an. Zur Begründung wird u.a. darauf verwiesen, dass das häusliche Arbeitszimmer mit rund 26 qm doppelt so groß sei wie die in den Gesetzesmaterialien genannten 12 bis 14 qm. Ob nun zwei kleinere Einzelarbeitszimmer oder ein großes gemeinsames Arbeitszimmer genutzt werde, sei unerheblich. Das Finanzamt ging hingegen davon aus, dass der Höchstbetrag von 1.250 € nur einmal pro Arbeitszimmer in Anspruch genommen werden kann, er also objektbezogen ist.
Das FG Baden Württemberg schließt sich auch hier der Auffassung des Finanzamts an. Anhand verschiedener Argumentationslinien wird in der Urteilsbegründung ausgeführt, dass der Höchstbetrag von 1.250 € objektbezogen ist. Ferner stellt das Finanzgericht klar, die Nutzung der Wohnfläche unterliege der freien Disposition der Steuerpflichtigen. Es obliegt dem Steuerpflichtigen, bei dieser Disposition die geltende Rechtslage zu beachten. Im Ausgangsfall hätten die Kläger u.a. folgende Möglichkeiten gehabt:
- zwei kleinere Arbeitszimmer im Dachgeschoss ª Höchstbetrag 2 x 1.250 €;
- ein großes Arbeitzimmer im Erdgeschoss ª Höchstbetrag 1 x 1.250 €;
- kein explizites Arbeitszimmer: Die Arbeiten werden im größeren Wohnzimmer mit erledigt ª unter Umständen kein Abzug von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer.
Die Steuerpflichtigen haben sich für die mittlere Variante entschieden. Insofern müssen sie auch die sich hieraus ergebenden steuerlichen Konsequenzen (einfacher Höchstbetrag) tragen.
Der Bund der Steuerzahler hat eine Handlungsempfehlung veröffentlicht, in welcher dargestellt wird, wie sich die Gesetzesänderung auf verschiedene Szenarien (z.B. Steuererklärung ab 2007 noch nicht abgegeben, bereits abgegeben und Kosten für häusliches Arbeitszimmer (nicht) berücksichtigt) auswirkt. Die Handlungsempfehlung ist kostenlos auf der Homepage des BdSt ( www.steuerzahler.de) herunterladbar (am besten das Stichwort „Handlungsempfehlung“ in die Suchmaske eingeben). Wie die Neuregelungen zum häuslichen Arbeitszimmer bei hauptberuflich und nebenberuflich selbstständigen Bilanzbuchhaltern anzuwenden sein dürften, finden Sie hier.
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Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Operational Risk Manager Corporate Finance, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 10/2012
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