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Aktivierung von Provisionsansprüchen bei Versicherungsvertretern

Prof. Dr. Christian Zwirner

BFH Urt. v. 30.4.2025 – X R 12-13/22

 

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat eine Entscheidung zur steuerlichen Aktivierung von Provisionsansprüchen bei Versicherungsvertretern gefällt. Das Urteil hebt hervor, dass sich der Zeitpunkt der Aktivierung strikt nach der individuellen Vertragsgestaltung richtet und nicht zwingend an das gesetzliche Leitbild des § 92 Abs. 4 HGB gebunden ist.

 


 

Praxis-Info!

 

Hintergrund

Im vorliegenden Fall arbeitete der Kläger als Versicherungsvermittler; seine Provisionsansprüche waren allerdings vertraglich von sogenannten Stornohaftungszeiten abhängig. Die Provisionsforderung entstand rechtlich erst, nachdem der Kunde (Versicherungsnehmer) die vereinbarten Beiträge teilweise oder vollständig bezahlt hatte. In der Zwischenzeit erhielt der Kläger jedoch Provisionsvorschüsse, die im Fall eines Vertragsabbruchs durch den Kunden rückzahlbar waren.

Die Provisionsauszahlungen wurden als „Ist-“ und „Soll-Rückstellungen“ in Abrechnungen geführt. Dabei handelte es sich nicht um bilanzrechtliche Rückstellungen im eigentlichen Sinn, sondern um vertraglich definierte Einbehaltsgrößen:

  • Soll-Rückstellungen geben den Betrag an, den der Auftraggeber (hier: die Versicherungsgesellschaft) nach den vertraglichen Vereinbarungen theoretisch hätte einbehalten dürfen. Diese Rechengröße bildet also die rechnerisch korrekte Höhe der Einbehalte ab, unabhängig davon, ob sie tatsächlich vorgenommen wurden.
  • Ist-Rückstellungen spiegeln hingegen den tatsächlich vorgenommenen Einbehalt wider, der dem Vermittler aufgrund bislang entstandener Provisionsansprüche noch nicht zur Verfügung steht.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, dass die auf dem Provisionsrückstellungskonto ausgewiesenen Beträge zu aktivieren seien. Maßgebend hierfür sei die Soll-Rückstellung.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Forderungen gegen die Versicherungsgesellschaft nur mit dem Ist-Stand des Provisionsrückstellungskontos angesetzt werden dürften, da nur in dieser Höhe eine Forderung bestanden habe. Der höhere Soll-Betrag sei nicht maßgebend. Die Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg. Der Kläger reichte daraufhin Revision beim BFH ein.

 

 

Urteil des BFH

Die Revision war begründet, da das Finanzgericht (FG) Schleswig-Holstein (Urt. v. 26.10.2021 – 3 K 28/20) keine vollständigen Feststellungen zu den zivilrechtlichen Vereinbarungen zwischen dem Kläger und dessen Auftraggeber getroffen hatte. Wesentlich für die Entscheidung ist nach Ansicht des BFH, dass sich die Aktivierung von Provisionsansprüchen nach den handels- und steuerrechtlichen Grundsätzen zur Gewinnrealisierung richtet. Dabei sind insbesondere folgende Punkte von Bedeutung:

  • Realisationsprinzip: Nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB und § 4 Abs. 1 EStG sowie § 5 Abs. 1 EStG sind Gewinne nur dann zu berücksichtigen, wenn sie am Bilanzstichtag bereits realisiert wurden. Das bedeutet: Eine Forderung muss rechtlich entstanden oder zumindest wirtschaftlich begründet sein. Auf die Fälligkeit der Forderung kommt es dabei nicht an. Aufschiebend bedingte Ansprüche dürfen hingegen nicht aktiviert werden.
  • Ertragsteuerliche Behandlung von Vorschüssen: Auszahlungen, die lediglich als Provisionsvorschüsse geleistet werden, sind beim Versicherungsvertreter nicht als Provisionsanspruch gewinnwirksam zu aktivieren. Sie sind vielmehr als erhaltene Anzahlungen zu passivieren, da das Provisionsrecht nach § 92 Abs. 4 HGB grundsätzlich das endgültige Entstehen der Provision an die Prämienzahlungen des Versicherungsnehmers knüpft.

Der BFH stellte klar, dass die Begriffe „Ist-“ und „Soll-Rückstellung“ keine geeigneten bilanzrechtlichen Kategorien sind. Während der Begriff „Soll-Rückstellung“ eine theoretische Größe darstellt, die keine bilanzielle Relevanz hat, könnte die „Ist-Rückstellung“ ein realistisches Bild der tatsächlich offenen Provisionsforderungen und Einbehalte liefern. Letztendlich muss jedoch geprüft werden, inwieweit die vertraglichen Grundlagen diese Begriffe stützen und ob daraus Forderungen abzuleiten sind, die aktivierungspflichtig sind. Da das FG Schleswig-Holstein die Bedeutung der vertraglichen Regelungen nicht hinreichend geprüft hatte, wurde die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

 

 

Kernaussagen für die Praxis:

Obwohl der BFH in seinem Urteil keine endgültige Entscheidung zu dem zu beurteilenden Fall fällt, lassen sich aus dem Urteilsspruch wesentliche Aspekte zur Aktivierungspflicht von Provisionsansprüchen ableiten:

  1. Aktivierungserfordernisse: Ein Provisionsanspruch ist zu aktivieren, wenn er rechtlich entstanden ist und der Vermittler mit seiner Realisation rechnen kann. Dies ist der Fall, wenn beispielsweise die Vertragsbedingungen das Entstehen bereits mit der ersten Prämienzahlung des Versicherungsnehmers vorsehen.
  2. Stornorisiko: Falls ein aktivierungspflichtiger Provisionsanspruch mit einem Stornorisiko behaftet ist, ist dieses Risiko durch Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu berücksichtigen.
  3. Verzicht auf Schätzung: Der BFH betont, dass qualitative Sachverhalte – wie die Frage, ob ein Provisionsanspruch aktivierungspflichtig ist – nicht im Wege der Schätzung festgelegt werden dürfen.
  4. Präzisierung bei Rückstellungen: Rückstellungen für Stornorisiken müssen auf Basis der vertraglich vereinbarten Risiken und nicht bloß anhand abstrakter Bewertungsgrößen berechnet werden.

Das BFH-Urteil stellt eine wichtige Orientierungshilfe für Versicherungsvertreter dar, indem es die Anforderungen an die Gewinnrealisation und die Aktivierung von Provisionsansprüchen klärt. Zwischen Versicherungsunternehmern und Vermittlern müssen die vertraglichen Regelungen sorgfältig abgestimmt werden, um bilanzielle Unsicherheiten zu vermeiden. Das Urteil des BFH unterstreicht zudem die Notwendigkeit einer genauen Tatsachenermittlung durch die Finanzgerichte, da Deutlichkeit in der Vertragsgestaltung und Anwendung der gesetzlichen Regelungen entscheidend ist.

 

WP/StB Prof. Dr. Christian Zwirner,
Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München (www.kleeberg.de)

 

 

BC 8/2025 

BC20250822

 

 

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