Dr. Hans-Jürgen Hillmer
ESG-Reporting auch ohne gesetzlichen Zwang

Auch ohne gesetzliche Verpflichtung setzen 62% der mittelständischen Unternehmen auf eine freiwillige ESG-Berichterstattung (ESG steht für Environmental, Social and Governance, also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung). Angetrieben von Leitmotiven, wie Effizienz, Reputation und Kundenerwartungen, wollen Mittelständler sogar zum Vorreiter der Umsetzung der ESG-Anforderungen werden; so geben es jedenfalls überraschend viele an, nämlich 45% der aktuell befragten Unternehmen.
Praxis-Info!
Problemstellung
Mittelständische Unternehmen stehen bekanntlich vielerorts unter Druck: Globale Krisen, volatile Märkte und neue Regulierungen verlangen den Unternehmen viel ab. Gleichzeitig fordern nicht nur Gesetzgeber und Investoren, sondern auch Kunden und Mitarbeitende ökologische und soziale Verantwortung sowie Compliance, also rechtlich einwandfreies Verhalten, ein.
In dieser Gemengelage zeigt eine aktuelle Studie, die unter dem Titel „ESG und Nachhaltigkeit im Mittelstand 2025“ von Grant Thornton in Deutschland in Zusammenarbeit mit dem Marktforschungsinstitut YouGov erstellt wurde, dass überraschend viele Mittelständler die Nachhaltigkeit als entscheidenden Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstands erkannt haben und auch entsprechend berichten, d.h. in den meisten Fällen freiwillig ohne gesetzlichen Zwang. Was können nicht in die Studie eingebundene Unternehmen mitnehmen?
Lösung
Mit der Bestandsaufnahme in der vorgenannten Studie (bekanntgegeben am 11.7.2025) wird zunächst gezeigt, wo der (gehobene) Mittelstand aktuell steht. Über die Bedeutung von Nachhaltigkeit in Unternehmen ist sich der Mittelstand demnach nahezu flächendeckend bewusst: Insgesamt 93% bestätigen diese als essenziell wichtig (52%) bis eher wichtig (41%). Als Kernergebnisse der Studie lassen sich insoweit im Überblick ferner folgende Sachverhalte festhalten:
- 65% der Unternehmen beschäftigen sich mit ESG, um effizienter zu werden.
- Jeweils 54% sehen die eigenen Kunden bzw. die eigene Reputation als Treiber für ihre Nachhaltigkeitsbestrebungen.
- In 48% der Unternehmen verantwortet bereits die Unternehmensleitung das Thema „ESG“.
- 45% der Unternehmen möchten in fünf Jahren ihr Ambitionsniveau deutlich steigern und ESG-Vorreiter werden; aktuell sind aber lediglich 18% der Unternehmen an diesem Punkt angekommen.
Hinsichtlich der Berichterstattung wurde einerseits ermittelt, dass 44% der Unternehmen durch die aktuelle Komplexität der ESG-Regulatorik in den Nachhaltigkeitsbemühungen eingeschränkt werden. Andererseits sind 62% der mittelständischen Unternehmen freiwillig zur Nachhaltigkeitsberichterstattung bereit, auch wenn sie durch die Omnibus-Initiative der EU nicht mehr dazu verpflichtet wären.
Das ESG-Omnibus-Paket erfordert eine differenzierte Betrachtung: Zwar erleichtert es die Berichtspflichten und verkleinert den Kreis der zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichteten Unternehmen. Marc A. Sahner, Vorstandsmitglied bei Grant Thornton in Deutschland, warnt aber, dass Unternehmen, die aus dem verpflichteten Kreis herausfallen, den Stift an dieser Stelle nicht fallenlassen können: „Sie gehören Lieferketten an und haben weiterhin verpflichteten Unternehmen zwingend Nachhaltigkeitsinformationen zu liefern. Zudem stärkt eine freiwillige Berichterstattung die Glaubwürdigkeit und Transparenz am Markt und ist ein echter Wettbewerbsvorteil.“
Als Gründe, die die Umsetzung von ESG-Projekten im Unternehmen hinderten, nennen 44% die zu hohe Komplexität der vorliegenden ESG-Kriterien und ESG-Standards sowie 39% den Mangel an klaren regulatorischen Vorgaben. Das bestätigt Dr. Claudia Schrimpf-Dörges, Partnerin bei Grant Thornton in Deutschland: „Viele Unternehmen sind trotz wachsender Zahl an internen ESG-Fachkräften mit Regulatorik, Struktur und Tools überfordert und stoßen mit den internen Ressourcen rund um ESG oftmals an ihre Grenzen.“ Dennoch oder gerade deswegen sei es wichtiger denn je, weiterhin beim Thema „Nachhaltigkeit“ Expertise aufzubauen, um besser für die Zukunft aufgestellt zu sein.
Praxishinweise: - Noch nicht oder noch nicht ausreichend an dem Nachhaltigkeitsstreben orientierte Bilanzbuchhalter und Controller sollten sich hinsichtlich ihrer Weiterqualifizierungsaktivitäten angesprochen fühlen. Die komplette Studie steht unter https://www.grantthornton.de/themen/studie-esg-und-nachhaltigkeit-im-mittelstand/ zum kostenlosen Abruf bereit.
- Resümierend fasst Dr. Claudia Schrimpf-Dörges (Head of ESG, Grant Thornton in Deutschland) zusammen: „ESG stärkt Resilienz, Innovationskraft und Marktposition. Wer heute nachhaltig handelt, wird morgen wettbewerbsfähiger sein. Nutzen Sie diese Chance.“ Dem ist – in den allermeisten Fällen jedenfalls – beizupflichten.
- Wer die sehr lesenswerte Studie herunterlädt, erhält eine Fülle von Ansatzpunkten zur Aufstellung eines ESG-Fahrplans mit verbindlichen Zielen und Zwischenzielen. Beispielsweise
– Verantwortung im Management verankern: ESG braucht Rückhalt aus der Führungsebene. Nur wer vorlebt, überzeugt intern und extern. – Nachhaltigkeit in Prozesse integrieren: Verknüpfen Sie ESG mit dem Kerngeschäft – von der Lieferkette bis zum Produkt. – Daten systematisch nutzen: Ohne verlässliche ESG-Daten bleibt Nachhaltigkeit nicht nur unsichtbar, sondern birgt Risiken. Etablieren Sie ein aussagekräftiges Monitoring. – Fortschritte transparent machen: Berichten Sie offen über Ihre ESG-Maßnahmen. Das schafft Vertrauen und erhöht die eigene Transparenz.
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Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld
BC 8/2025
BC20250816