Prof. Dr. Christian Zwirner und Dr. Corinna Boecker
Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) vom 10.7.2025


Das BMJV hat den neuen Referentenentwurf zur Umsetzung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD – Europäische Richtlinie für Nachhaltigkeitsberichterstattung) in nationales Recht veröffentlicht. Der Entwurf knüpft inhaltlich weitestgehend an den ursprünglichen Regierungsentwurf zur CSRD-Umsetzung vom Juli 2024 an. Aufgrund der Neubildung der Bundesregierung im Jahr 2025 muss das Gesetzgebungsverfahren allerdings neu beginnen, sodass dieser Schritt erforderlich ist.
Praxis-Info!
Der vorherige Gesetzgebungsprozess wurde nach dem Scheitern der Koalition im Jahr 2024 abgebrochen (Diskontinuitätsprinzip) und musste nach Übernahme der Amtsgeschäfte durch die neue Bundesregierung daher neu initiiert werden. Die EU-Mitgliedstaaten waren gemäß der CSRD eigentlich verpflichtet, die Richtlinie bereits bis Anfang Juli 2024 in nationales Recht zu überführen. Da dies nicht geschehen war, leitete die Europäische Kommission Ende September 2024 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland – neben einigen anderen Staaten – ein.
Zwischenzeitlich wurde die ursprüngliche CSRD vom 14.12.2022 durch die sog. Änderungsrichtlinie COM(2025)80 am 14.4.2025 bereits in einem Punkt geändert. Dies ist Ausfluss der sog. Omnibus-Initiative der EU zur Vereinfachung der Nachhaltigkeitsberichterstattung. Der vorliegende neue Referentenentwurf vom 10.7.2025 soll nun für die Umsetzung der CSRD inklusive COM(2025)80 in deutsches Recht sorgen.
Der jetzt veröffentlichte Entwurf greift weitestgehend die Inhalte des bisherigen Regierungsentwurfs vom 24.7.2024 auf (vgl. Zwirner/Boecker, BC 2024, 419 ff., Heft 9). Insbesondere sieht er umfangreiche Änderungen bzw. Ergänzungen im HGB vor. So soll künftig durch weitreichende Anpassungen der §§ 289b ff. HGB-E bzw. §§ 315b ff. HGB-E der Lagebericht von Kapital- und bestimmten Personenhandelsgesellschaften um einen Nachhaltigkeitsbericht erweitert werden. Die Vorschriften regeln u.a.
- den Kreis der berichtspflichtigen Unternehmen,
- mögliche Befreiungen in Konzernstrukturen,
- den Inhalt der Berichterstattung sowie
- das Format der Offenlegung.
In inhaltlicher Hinsicht ist dabei auf die Europäischen Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (European Sustainability Reporting Standards, ESRS) abzustellen. Diese europäischen Berichtsstandards befinden sich derzeit allerdings – im Zuge der Omnibus-Initiative – in Überarbeitung durch die Europäische Beratungsgruppe für Finanzberichterstattung (EFRAG).
Die Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts (§§ 324b ff. HGB-E) soll gemäß Referentenentwurf eine Vorbehaltsaufgabe für Wirtschaftsprüfer sein (§ 324e HGB-E), d.h., der deutsche Gesetzgeber will von dem Wahlrecht der CSRD, eine Prüfung auch durch andere unabhängige Erbringer von Bestätigungsleistungen zuzulassen, keinen Gebrauch machen. Als Ergebnis der Prüfung soll ein Prüfungsvermerk erteilt werden (§ 324i HGB-E). Darüber hinaus werden die Straf- und Bußgeldvorschriften sowie die Ordnungsgeldvorschriften modifiziert (§§ 331 ff. HGB-E).
Für große Unternehmen von öffentlichem Interesse mit im Jahresdurchschnitt mehr als 500 Arbeiternehmern, die laut CSRD schon für das abgelaufene Jahr 2024 berichtspflichtig gewesen wären, für die mangels CSRD-Umsetzung in Deutschland allerdings die bisherigen Vorschriften des HGB zur nichtfinanziellen Berichterstattung weiter fortgalten, soll nun in Art. 96 Abs. 3 EGHGB-E ausdrücklich geregelt werden, dass eine CSRD-konforme Berichtspflicht für nach dem 31.12.2024 – und damit regelmäßig für das nun laufende Geschäftsjahr 2025 – gelten soll (sog. Welle 1).
In Antizipation der – im Rahmen der Finalisierung von COM(2025)81 – auf europäischer Ebene zu erwartenden Verkleinerung des Anwendungsbereichs für diese Unternehmen ist im Referentenentwurf ausdrücklich geregelt, dass für Unternehmen der 1. Welle mit 500 bis 1.000 Beschäftigten für die Geschäftsjahre 2025 und 2026 keine Pflicht zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nach den §§ 289b ff. HGB-E bzw. § 315b HGB-E ff. besteht (Art. 96 Abs. 8 EGHGB-E). Auf diese Weise soll verhindert werden, dass betroffene Unternehmen nur für einen kurzen Zeitraum berichtspflichtig wären.
Die größte Veränderung zum „alten“ Gesetzgebungsverfahren aus dem Jahr 2024 resultiert aus der seither erfolgten Modifikation der CSRD selbst: Im Gegenzug zum bisherigen Regierungsentwurf berücksichtigt der neue Referentenentwurf nämlich die Verschiebung der Erstanwendung der CSRD durch die oben genannte Änderungsrichtlinie COM(2025)80. Basierend darauf sieht der neue Referentenentwurf vom 10.7.2025 nun in § 289b HGB-E i.V.m. Art. 96 Abs. 3 EGHGB-E bzw. § 315b HGB-E i.V.m. Art. 97 Abs. 3 EGHGB-E vor, dass große nicht-kapitalmarktorientierte Unternehmen bzw. Gruppen erstmals für das Geschäftsjahr 2027 zu einer CSRD- und ESRS-konformen Nachhaltigkeitsberichterstattung (und damit zwei Jahre später als ursprünglich in der CSRD geregelt) verpflichtet sind (sog. Welle 2). Bislang sollte das Jahr 2025 als das erste Berichtsjahr gelten. Für in zeitlicher Hinsicht nachgelagerte Kategorien, insbesondere für kleine und mittlere kapitalmarktorientierte Unternehmen (KMU), soll sich die Berichtspflicht entsprechend bis zum Geschäftsjahr 2028 (vormals 2026) verschieben (Art. 96 Abs. 4 EGHGB-E; sog. Welle 3). Diese Modifikation wird auch „Stop-the-Clock“ genannt. Sie wurde am 14.4.2025 im EU-Amtsblatt veröffentlicht und muss bis Ende 2025 von allen EU-Mitgliedstaaten in nationales Recht überführt werden.
Der weitere Gesetzgebungsprozess bleibt abzuwarten. Ausweislich der Pressemitteilung des BMJV haben die Länder und Verbände bis 21.7.2025 Zeit, zum Referentenentwurf Stellung zu nehmen. Nach Abschluss dieser Anhörung wird die Bundesregierung einen Regierungsentwurf vorlegen. Es ist nicht auszuschließen, dass sich bis zur endgültigen Verabschiedung des Gesetzes noch Änderungen ergeben werden.
Ausgewählte bedeutsame durch die CSRD-Umsetzung geplante Änderungen bzw. Ergänzungen im HGB: Kurzübersicht |
§ 289b HGB-E: Pflicht zur Erweiterung des Lageberichts um einen Nachhaltigkeitsbericht; Befreiungen; Beteiligung von Arbeitnehmervertretern
- Gilt für große Kapitalgesellschaften und kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften
– bilanzrechtlich groß im Sinne von § 267 Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 bis 5 HGB – kapitalmarktorientiert im Sinne von § 264d HGB (keine Kleinstkapitalgesellschaften) - Befreiungsmöglichkeiten bei Konzernanbindung
- Informationspflichten gegenüber Arbeitnehmervertretern.
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§ 289c HGB-E: Inhalt des Nachhaltigkeitsberichts
- Beschreibung von Geschäftsmodell, Strategien, Zielen, Risiken, Sorgfaltspflichten (Due Diligence)
- Angaben zum Prozess der doppelten Wesentlichkeitsanalyse (double materiality)
- Einbindung der Wertschöpfungskette in die Angaben
- Bezugnahme auf europäische Berichtsstandards (ESRS).
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§ 289d HGB-E: Abweichende Vorgaben für bestimmte Kapitalgesellschaften Gilt für kapitalmarktorientierte kleine oder mittelgroße Kapitalgesellschaften (KMU) --> Können den Nachhaltigkeitsbericht auf bestimmte Angaben beschränken. |
§ 289g HGB-E: Format des Lageberichts
- Aufstellung des Lageberichts im ESEF-Format (Aufstellungslösung)
- Elektronische Auszeichnung des Nachhaltigkeitsberichts (Tagging).
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§ 315b HGB-E: Pflicht zur Erweiterung des Konzernlageberichts um einen Konzernnachhaltigkeitsbericht; Befreiungen; Beteiligung von Arbeitnehmervertretern
- Mutterunternehmen, die zur Konzernlageberichterstattung verpflichtet sind, müssen einen Konzernnachhaltigkeitsbericht beifügen
- Befreiungsmöglichkeiten bestehen bei Einbindung in einen befreienden übergeordneten Konzernnachhaltigkeitsbericht.
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§ 315c HGB-E: Inhalt des Konzernnachhaltigkeitsberichts Analoge Übertragung der Inhalte des § 289c HGB-E. |
§ 315h ff. HGB-E: Regelungen im Zusammenhang mit dem Sitz in Drittstaaten
- Großes Tochterunternehmen mit Sitz im Inland, oberstes Mutterunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat:
Vorlage eines richtlinienkonformen Konzernnachhaltigkeitsberichts durch das oberste Mutterunternehmen, wenn Konzernumsatzerlöse des obersten Mutterunternehmens und der in seinen Konzernabschluss einbezogenen Tochterunternehmen in EU-Mitgliedstaaten oder EWR-Staaten in den letzten beiden aufeinander folgenden Geschäftsjahren > € 150 Mio. sind
- Inländische Zweigniederlassung (un-)verbundener Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat:
Vorlage eines richtlinienkonformen Konzernnachhaltigkeitsberichts durch das oberste Mutterunternehmen, wenn die der Zweigniederlassung zuzuordnenden Umsatzerlöse im vorangegangenen Geschäftsjahr > € 40 Mio. sind und die Konzernumsatzerlöse des obersten Mutterunternehmens und der in seinen Konzernabschluss einbezogenen Tochterunternehmen in EU-Mitgliedstaaten oder EWR-Staaten in den letzten beiden aufeinander folgenden Geschäftsjahren > € 150 Mio. sind.
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§ 324b ff. HGB-E: Regelungen zur Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts
- Inhaltliche Prüfungspflicht
- Vorbehaltsaufgabe für Wirtschaftsprüfer
- Zusammenfassung des Prüfungsergebnisses in einem Prüfungsvermerk
- Prüfung mit begrenzter Prüfungssicherheit, solange auf EU-Ebene noch keine Standards für eine Prüfung mit hinreichender Sicherheit gelten (Art. 99 EGHGB-E).
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Art. 96 und 97 EGHGB-E: Regelungen zur Erstanwendung mit Staffelung der Berichtspflicht (sowohl für Unterlagen der Einzelrechnungslegung als auch in Bezug auf Konzernnachhaltigkeitsbericht)
- 1. Welle: Berichtspflicht ab nach dem 31.12.2024 beginnenden Geschäftsjahren
– Kapitalmarktorientierte große Unternehmen, die bisher nach NFRD berichtspflichtig sind (= bisherige Pflicht zur nichtfinanziellen Berichterstattung) – Ausnahme: Unternehmen mit nicht mehr als 1.000 Beschäftigten:keine Berichtspflicht für vor dem 1.1.2027 beginnende Geschäftsjahre (Art. 96 Abs. 8 EGHGB-E; Art. 97 Abs. 7 EGHGB-E)
- 2. Welle: Berichtspflicht ab nach dem 31.12.2026 beginnenden Geschäftsjahren
Bilanzrechtlich große Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 3 HGB): > € 25 Mio. Bilanzsumme; > € 50 Mio. Umsatzerlöse; > 250 Mitarbeiter (zwei von drei Kriterien an zwei aufeinander folgenden Stichtagen)
- 3. Welle: Berichtspflicht ab nach dem 31.12.2027 beginnenden Geschäftsjahren
Kapitalmarktorientierte bilanzrechtlich kleine oder mittelgroße Kapitalgesellschaften (kapitalmarktorientierte KMU) (§ 267 Abs. 1 und 2 HGB): > € 7,5 Mio. Bilanzsumme; > € 15 Mio. Umsatzerlöse; > 50 Mitarbeiter (und nicht bilanzrechtlich „groß“).
Hinweis: Weitere Schwellenwerterhöhungen sowie beispielsweise auch der Wegfall einer hinreichenden Prüfungssicherheit werden zwar derzeit auf europäischer Ebene diskutiert, sind aber noch nicht verabschiedet. Daher haben sie keinen Eingang in den vorliegenden Referentenentwurf vom 10.7.2025 gefunden.
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WP/StB Prof. Dr. Christian Zwirner,
Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München (www.kleeberg.de)
WP/StB Dr. Corinna Boecker, Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG
BC 8/2025
BC20250809