CHB_RSW_Logo_mit_Welle_trans
JuS_Logobasis_Linsenreflex
Menü

News & Beiträge

Gewerbesteuerrechtliche Zurechnung des Gewinns aus der Anteilsveräußerung bei doppelstöckigen Personengesellschaften

Dr. Martin Weiss

BFH Urt. v. 8.5.2025 – IV R 40/22

 

  1. Der nach § 7 S. 2 Nr. 2 GewStG unterfallende Gewinn aus der Veräußerung eines Anteils an der Oberpersonengesellschaft ist nicht auf die stillen Reserven der Oberpersonengesellschaft und die stillen Reserven der Unterpersonengesellschaft aufzuteilen. Es handelt sich vielmehr um einen einheitlichen Veräußerungsvorgang auf der Ebene der Oberpersonengesellschaft.
  2. Der Gewerbeertrag der Oberpersonengesellschaft unterliegt im Hinblick auf den Gewinn aus der Veräußerung des Anteils an der Oberpersonengesellschaft auch insoweit nicht der Kürzung nach § 9 Nr. 2 GewStG, als der Veräußerungsgewinn auf stille Reserven der Unterpersonengesellschaft entfällt.
  3. § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG ist nicht anwendbar, wenn eine Oberpersonengesellschaft ihren Anteil an der Unterpersonengesellschaft veräußert, deren Gewerbeertrag nach § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG (teilweise) von der Gewerbesteuer befreit ist.

 


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die Gewerbesteuer soll das Steuerobjekt – den Gewerbebetrieb des § 2 Abs. 1 GewStG – „mit der ihm eigenen Ertragskraft ohne Rücksicht auf die persönlichen Merkmale des Steuersubjekts und seiner persönlichen Beziehung zum Steuerobjekt“ erfassen (BFH Urt. v. 1.9.2021 – III R 20/19, BStBl. II 2022, 83, Rn. 21). Die Schuldnerschaft (§ 43 S. 1 AO) liegt dabei bei dem Unternehmer (§ 5 Abs. 1 S. 1, 2 GewStG).

Im Fall der gewerblichen Personengesellschaft liegt die Schuldnerschaft jedoch bei der Personengesellschaft selbst (§ 5 Abs. 1 S. 3 GewStG). Diese Regelung zur Schuldnerschaft greift – zum Erstaunen mancher Beteiligten – auch, wenn die Anteile an der Personengesellschaft veräußert werden:  Sie schuldet auf den aus den Anteilen an ihr selbst erzielten Veräußerungsgewinn die Gewerbesteuer (BFH Urt. v. 19.7.2018 – IV R 31/15, BeckRS 2018, 23772, Rn. 21). Allerdings sind Veräußerungsgewinne aus dem gesamten Mitunternehmeranteil grundsätzlich gewerbesteuerlich nicht zu erfassen (§ 7 S. 1 GewStG; BFH Urt. v. 11.7.2019 – I R 26/18, BStBl. II 2022, 93, Rn. 9). Ausnahmen hat der Gesetzgeber jedoch in § 7 S. 2 Nr. 2 GewStG für nicht unmittelbar beteiligte natürliche Personen und Kapitalgesellschaften aufgestellt.

Als ob damit der Komplikationen noch nicht genug wären: Wie funktioniert dieses System, wenn sich eine Personengesellschaft (Obergesellschaft) an einer anderen Personengesellschaft (Untergesellschaft) beteiligt und damit eine „doppelstöckige“ Personengesellschaft entsteht (BFH Urt. v. 4.8.2020 – VIII R 24/17, BStBl. II 2021, 81, Rn. 15)? Werden nun die Anteile an der Untergesellschaft veräußert, ist die Rechtslage nach § 7 S. 2 Nr. 2 GewStG klar: Es besteht maximal eine mittelbare Beteiligung natürlicher Personen, sodass bei der Untergesellschaft Gewerbesteuer auf den Veräußerungsgewinn entsteht. Bei der Obergesellschaft wird dieser Gewinn nach § 9 Nr. 2 S. 1 GewStG aus dem Gewerbeertrag eliminiert.

Was aber, wenn die Anteile an der Obergesellschaft veräußert werden und der Veräußerer eine Körperschaft ist? Dann ist der Veräußerungsgewinn unter § 7 S. 2 Nr. 2 GewStG in jedem Fall gewerbesteuerpflichtig. Im Kaufpreis vergütet der Käufer jedoch die stillen Reserven der Ober- und Untergesellschaft. Dann stellt sich die Frage, ob die Gewerbesteuer auf die beiden Gesellschaften – z.B. im Verhältnis der stillen Reserven zum Gesamtwert – aufzuteilen ist und auf beiden Ebenen anteilig geschuldet wird („Durchstockung“). Alternativ schuldet die Obergesellschaft (§ 5 Abs. 1 S. 3 GewStG) die Gewerbesteuer insgesamt.

 

 

Lösung

Der BFH hat sich – mit der herrschenden Meinung im Schrifttum – für eine ausschließliche Schuldnerschaft auf Ebene der Obergesellschaft und gegen die „Durchstockung“ entschieden. § 7 S. 2 Nr. 2 GewStG enthalte keine Anhaltspunkte für eine (teilweise) Zurechnung des Veräußerungs- oder Aufgabegewinns zum Gewerbebetrieb der Unterpersonengesellschaft. Der Gesetzgeber verwende den zivilrechtlich geprägten Begriff des „Anteils eines Gesellschafters“ – statt des „Mitunternehmeranteils“. Dies deute auf einen einheitlichen Veräußerungsvorgang auf der Ebene der Gesellschaft, deren Anteile veräußert werden, hin.

Dies entspreche auch der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH: Danach können Personengesellschaften im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG Gesellschafter und Mitunternehmer einer weiteren Personengesellschaft sein, mit der Folge, dass die Gesellschafter der Obergesellschaft nicht auch Mitunternehmer der Untergesellschaft sind. Der „Durchgriff“ durch die Obergesellschaft sei ausgeschlossen (BFH Beschl. v. 25.2.1991 – GrS 7/89, BStBl. II 1991, 691, Rz. 116).

 

 

Praxishinweise:

  • Der konkrete Sachverhalt vor dem IV. Senat des BFH war noch komplexer: Der Veräußerungsgewinn aus den Anteilen entstand durch eine Sperrfristverletzung unter § 22 Abs. 1 UmwStG und damit rückwirkend (§ 22 Abs. 1 S. 2 UmwStG). Umstritten war bislang in dieser Hinsicht, wie sich eine teilweise Veräußerung der erhaltenen Anteile („soweit“ in § 22 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 UmwStG) gewerbesteuerlich auswirkte. Das BMF hat im „neuen“ UmwStE vom 2.1.2025 (BStBl. I 2025, 92) die Rechtsprechung des BFH zu dieser Thematik anerkannt, wonach die Gewerbesteuerfreiheit auch gilt, „… wenn nicht sämtliche erhaltenen Anteile in einem Vorgang veräußert werden (BFH vom 11.7.2019 I R 26/18, BStBl. 2022 II S. 93)“ (UmwStE, Tz. 22.07).
  • Durch die Steuerermäßigung des § 35 EStG wird bei einem gewerbesteuerpflichtigen Veräußerungsgewinn eine Milderung der Einkommensteuer unter den restriktiven Bedingungen der Vorschrift erreicht. Im Fall von Körperschaften – wie vor dem BFH – geht diese Ermäßigung allerdings ins Leere.
  • Die Diskussionen rund um § 7 S. 2 GewStG und eine mögliche Gewerbesteuerfreiheit drehen sich immer um die Veräußerung des gesamten Mitunternehmeranteils. Die Gewinne aus der Veräußerung oder Aufgabe eines Teils eines Mitunternehmeranteils sind ohnehin bereits nach allgemeinen Regeln als laufender Gewinn (§ 16 Abs. 1 S. 2 EStG) und Teil des Gewerbeertrags des § 7 S. 1 GewStG anzusehen (GewStR 7.1 Abs. 3 S. 6; BFH Urt. v. 8.12.2016 – IV R 14/13, BStBl. II 2017, 494, Rn. 15).
  • § 18 Abs. 3 UmwStG stellt eine  umfassende Ausnahme von der Gewerbesteuerfreiheit bei unmittelbar beteiligten natürlichen Personen dar. Nach der Regelung sind Veräußerungs- oder Aufgabegewinne innerhalb von fünf Jahren nach einer Umwandlung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft oder natürliche Person gewerbesteuerpflichtig. Die Frist beginnt mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtags (§ 2 Abs. 1, 2 UmwStG; BMF 2.1.2025, BStBl. I 2025, 92, Rn. 18.05 i.V.m. Rn. 06.10). Zudem wird die Steuerermäßigung nach § 35 EStG insoweit nicht gewährt (§ 35 Abs. 1 S. 3 EStG i.V.m. § 18 Abs. 3 S. 4 UmwStG; BMF v. 3.11.2016, BStBl. I 2016, 1187, Rn. 13).
  • Durch einen neuen Satz 3 in § 18 Abs. 3 UmwStG hat der Gesetzgeber im JStG 2024 insoweit die vom BFH nun entschiedene Systematik während der Laufzeit der Sperrfrist „auf den Kopf gestellt“ (BeckOK GewStG/Weiss, 14. Ed. 1.6.2025, GewStG § 7, Rn. 167.12 ff.). Nach Ablauf der Sperrfrist kehrt das Ganze wieder zur vom IV. Senat nun entschiedenen Systematik zurück.

 

Dr. Martin Weiss, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht, Dipl.-Kfm., Verlag C.H.Beck, München

 

 

BC 8/2025

BC20250810

 

 

Rubriken

Anzeigen

BC Newsletter

beck-online Bilanzrecht PLUS

wiwicareer-vahlen

Teilen

Menü