Dr. Hans-Jürgen Hillmer
Impulse anlässlich einer BDU-Fachkonferenz vom 12./13.6.2025

Nach wie vor hohe Insolvenzzahlen und ein Rekordniveau an Unternehmensschließungen mahnen zur Umsteuerung für diejenigen, die am Markt überleben oder sogar ihre Position ausbauen wollen. Vielerorts empfohlene Ansatzpunkte dazu sind Resilienz (Widerstandsfähigkeit) und Innovationsfähigkeit: Aber wie schafft man die Umsetzung entsprechender Transformationsziele?
Praxis-Info!
Problemstellung
Die aktuell von den Unternehmen zu stemmende Veränderungsdynamik ist enorm und erschwert die Planungs- und Führungsarbeit vor allem auch in KMU massiv. Ein Beispiel: Rezession oder doch nicht – nachdem die Bundesbank insbesondere vor dem Hintergrund der anhaltenden Zollstreitigkeiten noch Anfang Juni 2025 vor wachsenden Rezessionsrisiken gewarnt hatte (vgl. F.A.Z. vom 7.6.2025, S. 20) und im KPMG European Economic Outlook am 18.6.2025 immerhin eine moderate Erholung der deutschen Wirtschaft im Jahr 2026 angekündigt wurde (demnach dürfte das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) um 1,1% wachsen), mehren sich andererseits auch die positiven Einschätzungen schon für 2025. So insbesondere abzulesen am ZEW-Index der Konjunkturerwartungen, der sich laut Mitteilung vom 17.6.2025 im Juni 2025 gegenüber dem Vormonat um 22,5 Punkte auf nun 47,5 Punkte verbesserte. Dieser deutliche Anstieg, der nicht nur für Deutschland, sondern insgesamt ähnlich für die Eurozone ermittelt wurde, gibt Anlass zur Hoffnung.
Nach wie vor trüben aber hohe Insolvenzzahlen und vielleicht noch mehr die Rekordhöhe der Unternehmensschließungen (vgl. dazu BC-Newsletter vom 22.5.2025) den Gesamtblick – und schaffen gleichzeitig Chancen für Berater einerseits und für innovativ aufgestellte Unternehmer mit entsprechend motivierter Belegschaft andererseits (hier bei vorhandenen Kompetenzen z.B. im Controlling ggf. auch ohne Berater). Worauf diese oder jene ihre Aktivitäten fokussieren sollten, wurde anlässlich der nicht-öffentlichen BDU-Fachverbandssitzung Unternehmensrestrukturierung am 12./13.6.2025 an der Fachhochschule Kufstein Tirol herausgearbeitet.
Lösung
Beispielsweise stand das Thema „Innovation und Tradition – Wie können etablierte Unternehmen und Start-ups voneinander lernen?” auf der Agenda. Der auf Unternehmen in Schieflagen fokussierte Bankexperte Johannes Pracher akzentuierte, dass die Geschwindigkeit der Veränderung stark zugenommen hat und im Zuge der digitalen Transformation noch weiter zunehmen wird: Über 88% der Fortune-500-Unternehmen von 1955 existieren heute nicht mehr. Zu empfehlen ist die Orientierung an Eigenschaften von Startups: Risikofreudigkeit, Geschwindigkeit, Agilität. Krisen sind aus seiner Sicht für etablierte Unternehmen die perfekte Chance, Dinge anders zu machen.
Ein weiteres Thema befasste sich mit digitalen Geschäftsmodellen. Dr. Stefan Wolpert empfahl, bisherige Transformationsziele mit Fokussierung auf Kostensenkung abzulösen durch das Denken in neuen (oft digitalen) Geschäftsmodellen. Mit dem Schlagwort „Transform or Die“ brachte auch er auf den Punkt, dass heutzutage in atemberaubender Geschwindigkeit Veränderungsbedarf bewältigt werden muss, wobei Top-Level-Orientierung unverzichtbar ist. Probleme bleiben auch hierbei natürlich nicht aus, sie liegen beispielsweise in Cyberangriffen oder dem Mangel an qualifiziertem Personal. Eine Orientierung für die Vorgehensweise bei der digitalen Transformation von Geschäftsmodellen bieten, so die Empfehlung von Wolpert, die neuen Grundlagen ordnungsgemäßer Unternehmensrestrukturierung (GoU) in einem eigens ausformulierten Abschnitt zum Geschäftsmodell-Redesign (S. 11–13). Eine Case Study wurde von Wolpert mit dem Ergebnis beschrieben, dass das Geschäftsmodell um eine digitale Self-Service-Plattform erweitert wurde.
Seiner Erfahrung nach hat sich als eines der größten Hindernisse bei der Entwicklung neuer digital-orientierter Geschäftsmodelle die Fokussierung auf die IT-Abteilung und/oder IT-Technologie herausgestellt. Das bestätigten in Kufstein auch Dr. Christoph Ebensperger und Fabian Kürpick, die im Rahmenthema „Digital Workflow & Digitalisierung“ Chancen für die Restrukturierung herausarbeiteten. Sie betonten, dass Künstliche Intelligenz (KI) eine neue Dynamik in die Entwicklung gebracht habe, die insbesondere auch IT-Abteilungen überfordere.
Wichtig sei die grundlegende Einstellung, dass auch kleine Ansätze Großes bewirken können, nicht nur bahnbrechende Innovationen. Zwecks Nutzung der Chancen in der Sanierung und Restrukturierung empfahlen sie, die klassische Betrachtung von Prozess, Technologie und Mensch um ein sog. Human Impact Management („Management menschlicher Auswirkungen“) zu erweitern. Dieses wird insbesondere empfohlen, um emotionale Abwehrhaltungen zu überwinden. Gehe es beispielsweise um die KI-Integration in Vertriebs- oder Reportingprozesse, sei das herkömmliche Change Management um die KI-System-Eigenschaft Explainability (Erklärbarkeit) zu erweitern. Damit ist die Nachvollziehbarkeit der KI-Ergebnisse insbesondere einschließlich der Dokumentation von Denkschritten gemeint: Was kann das System, und was kann es nicht? Auch hierzu bietet, so Ebensperger/Kürpick, ein Abschnitt der oben genannten GoU zur Digitalisierung als strategischem Werttreiber (auf S. 20 bis 21) wertvolle Hilfestellungen.
- Auf die neuen, sehr praxisorientierten GoU als BDU-Empfehlungen für Unternehmensrestrukturierungen wurde in BC 2025, 154, Heft 4, bereits hingewiesen, siehe zum Download unter https://www.bdu.de/media/119763/grundlagen-unternehmensrestrukturierung.pdf. Beispielsweise finden interessierte BC-Leser dort einen Fragenkatalog zur Einschätzung des aktuellen Digitalisierungsgrads. Ferner wird zum Thema „Nachhaltigkeit“ ein 3x7-Fragenkatalog angeboten, um den ESG-Reifegrad abprüfen zu können.
- Zum ab 1.1.2025 neu aufgestellten BDU-Fachverband Unternehmensrestrukturierung (zuvor Fachverband „Sanierungs- und Insolvenzberatung“) siehe unter https://www.bdu.de/verband/fachverbaende/unternehmensrestrukturierung/: Vorsitzender ist wie zuvor Burkhard Jung (Deloitte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mbH), weitere Vorstandsmitglieder sind Prof. Dr. Markus W. Exler (FHS Kufstein, nexum Beteiligungs GmbH), Tamara Kaes (Kaes und Kollegen GmbH), Klaus-Dieter Pruss (Pruss Unternehmensberatung und Management) und Reinhard Willemsen (Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH).
- Zum eingangs erwähnten Erfolgsfaktor Resilienz (Widerstandsfähigkeit) gibt es ebenfalls Neuigkeiten: Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) hat eine umfassende Studie zur Unternehmensresilienz veröffentlicht. Diese führt gemäß Angaben vom 17.6.2025 als Ergebnis erstmals 130 Methoden zusammen, mit denen Unternehmen aus verschiedenen Branchen ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber externen Störereignissen stärken können – mehr dazu in Kürze im nächsten BC-Newsletter.
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Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld
BC 7/2025
BC20250721