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News & Beiträge

Going Concern und Insolvenz in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit

Prof. Dr. Christian Zwirner

Fragen und Antworten des IDW

 

Die wirtschaftliche Lage in Deutschland bleibt angespannt: Im Jahr 2024 ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen um 22,4% gestiegen; eine baldige Verbesserung der Situation ist nicht absehbar. Zusätzlich stehen internationale Handelsbeziehungen, insbesondere mit den USA, unter Druck. Die wachsende Unsicherheit bei der Geschäftsentwicklung der Unternehmen muss auch von Wirtschaftsprüfern, insbesondere im Hinblick auf die Going-Concern-Annahme (Bewertung unter Berücksichtigung der Unternehmensfortführung), berücksichtigt werden. Hierfür hat das Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) aktuell einen umfassenden Fragen-und-Antworten-Katalog (F&A) zur Verfügung gestellt.


 

Praxis-Info!

Ziel des aktuellen F&A-Papiers des IDW ist es, das Bewusstsein für die derzeitigen Unsicherheiten zu schärfen und gängige Fragen zur Anwendung der Going-Concern-Annahme zu klären. Die Inhalte stützen sich dabei auf bestehende Standards, insbesondere den IDW PS 270 n.F. (Beurteilung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit im Rahmen der Abschlussprüfung) und den IDW S 11 (Beurteilung von Insolvenzeröffnungsgründen), ohne diese Standards zu ändern.

 

 

Handelsrechtliche Fortführungsannahme

§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB regelt den Grundsatz der Fortführungsannahme (Going-Concern-Annahme) in der handelsrechtlichen Rechnungslegung. Es wird dabei grundsätzlich davon ausgegangen, dass ein Unternehmen seine Geschäftstätigkeit fortführt, solange keine tatsächlichen oder rechtlichen Gegebenheiten vorliegen, die dagegen sprechen. Selbst bei erheblichen Zweifeln wird bis zum Eintritt objektiver Hindernisse weiterhin nach der Fortführungsannahme bilanziert. Die Annahme entfällt nur in Ausnahmefällen. Die gesetzlichen Vertreter müssen bei der Einschätzung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit einen Prognosezeitraum von mindestens 12 Monaten ab Abschlussstichtag zugrunde legen. Ein längerer Zeitraum kann aufgrund von Einzelfallumständen notwendig sein.

 

 

Insolvenzrechtliche Pflichten des gesetzlichen Vertreters

Die Insolvenzantragspflicht ist in Deutschland in § 15a InsO geregelt. Danach ist bei Zahlungsunfähigkeit (Frist: 3 Wochen) oder Überschuldung (Frist: 6 Wochen) unverzüglich ein Insolvenzantrag zu stellen. Gesetzliche Vertreter müssen die wirtschaftliche Lage ihres Unternehmens laufend beobachten, um Risiken frühzeitig zu erkennen (§ 1 Abs. 1 StaRUG). Eine fehlende Überwachung oder ein verspäteter Antrag können eine Haftung und Strafen wegen Insolvenzverschleppung auslösen. Die Beurteilung von Insolvenzgründen erfordert dabei fundierte Kenntnisse des Insolvenzrechts. Fehlt diese Sachkunde, ist fachlicher Rat, etwa von einem Wirtschaftsprüfer, einzuholen.

 

 

Berücksichtigung des Insolvenzrechts und des StaRUG bei der handelsrechtlichen Fortführungsprognose

Von der Going-Concern-Annahme ist abzusehen, wenn die gesetzlichen Vertreter gezwungen sind oder entschieden haben, das Unternehmen zu liquidieren oder die Geschäftstätigkeit einzustellen. Dies gilt in der Regel bei bestehender Insolvenzantragspflicht, gestelltem Insolvenzantrag oder eröffnetem Insolvenzverfahren, da in diesen Fällen rechtliche oder tatsächliche Gegebenheiten gegen eine Fortführung sprechen.

Eine Bilanzierung nach Fortführungswerten bleibt jedoch möglich, wenn:

  • ein erfolgsversprechender Insolvenzplan eine Unternehmensfortführung anstrebt;
  • eine übertragende Sanierung innerhalb des Prognosezeitraums geplant ist oder
  • die Geschäftstätigkeit während und nach dem Insolvenzverfahren fortgeführt wird.

Die Fortführungsvermutung entfällt nur dann, wenn es keine realistische Alternative zur Geschäftseinstellung gibt. Bei maßgeblichen Zweifeln wird weiterhin unter der Fortführungsannahme bilanziert, solange dies (noch) objektiv vertretbar ist.

 

 

Abschlussprüfung

Nach § 317 Abs. 4a HGB umfasst die Abschlussprüfung nicht die Sicherstellung des Fortbestands des Unternehmens oder die Prüfung einer Insolvenzantragspflicht – dies liegt in der alleinigen Verantwortung der gesetzlichen Vertreter.

Erkennt der Abschlussprüfer jedoch Anzeichen für eine Insolvenzgefahr, muss er die gesetzlichen Vertreter auf ihre insolvenzrechtlichen Pflichten hinweisen.

Eine Abkehr von der Fortführungsannahme ist im Falle einer Insolvenzantragspflicht oder endgültigen Geschäftseinstellung erforderlich. Ist die Fortführung jedoch auch bei einem Insolvenzverfahren innerhalb des Prognosezeitraums plausibel nachgewiesen, kann weiterhin unter der Fortführungsannahme bilanziert werden.

Ein Prüfungshemmnis liegt vor, wenn …

  • keine (vorläufige) Einschätzung der gesetzlichen Vertreter zur Fortführungsfähigkeit vorliegt,
  • Prüfungsnachweise zu den Plänen und Annahmen der gesetzlichen Vertreter fehlen oder
  • die gesetzlichen Vertreter den betrachteten Zeitraum für die Fortführungsprognose nicht angemessen ausdehnen.

 

 

Besonderheiten bei der Erstellung von Jahresabschlüssen

In Sanierungssituationen kann eine Berichterstattung über den Stand der Prüfung erfolgen, wenn Verhandlungen noch andauern und ein Bestätigungsvermerk nicht möglich ist. Der Abschlussprüfer erklärt, dass die Prüfung noch nicht abgeschlossen ist, und kann vorläufige Einschätzungen zu möglichen Prüfungsurteilen geben. Beigefügt sind diesen Einschätzungen in der Regel vorläufige Abschlussbestandteile wie Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung, Anhang und Lagebericht.

WP/StB Prof. Dr. Christian Zwirner,
Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München (www.kleeberg.de)

 

BC 6/2025

BC20250619

 

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