FG Nürnberg Urt. v. 22.1.2025 – 3 K 760/22 (Revision zugelassen)

Der Handel mit Kryptowährungen ist in vielen Fällen noch steuerrechtliches Neuland. Liegt z.B. eine Gewinnrealisation vor, wenn eine Kryptowährung gegen eine andere Kryptowährung getauscht wird? Mit diesen und einigen anderen Fragen hat sich das Finanzgericht (FG) Nürnberg in einem Urteil auseinandergesetzt.
Praxis-Info!
Problemstellung
Der Kläger investierte privat in diverse Kryptowährungen. In seiner Steuererklärung wies der Kläger Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften innerhalb eines Jahres in Höhe von rund 100.000 € aus Kryptogeschäften aus. Gegen die sich hieraus ergebende Steuer legte er Einspruch ein, wobei er vor allem die folgenden Argumente anführte:
- Kryptowährungen seine keine Wirtschaftsgüter; daher bestehe keine Steuerpflicht für Veräußerungsgewinne.
- Es besteht ein strukturelles Vollzugsdefizit, da wohl nur ein Bruchteil der Steuerpflichtigen die Gewinne melden würde, die im Zusammenhang mit Kryptowährungen erzielt werden.
- Es bestehen keine Aufzeichnungspflichten für den privaten Handel mit Kryptowerten, sodass für die Steuererklärung auch keine Aufzeichnungen vorgelegt werden müssen.
- Insgesamt resultiert der Gewinn aus dem Handel und Tausch von 56 verschiedenen Kryptowerten. Das Finanzamt habe nicht ausreichend geprüft, welche Rechte und Ansprüche sich aus den einzelnen Kryptowerten ergeben.
- Das Finanzamt habe die erklärten Werte ohne weitere Prüfung übernommen. Da seine Werte teilweise auf Annahmen und Schätzungen beruhen, sei das Finanzamt hier seiner Pflicht zur Prüfung nicht nachgekommen.
In seinem Beschluss vom 8.4.2020 (3 V 1239/19) hatte das FG Nürnberg bereits eine Aussetzung der Vollziehung (AdV) gewährt (siehe BC-Newsletter vom 28.5.2020). Die AdV wurde u.a. damit begründet, dass sich das Finanzamt nicht ausführlich genug mit den einzelnen Kryptowerten und ihren Rechten und Pflichten auseinandergesetzt hatte.
Lösung
Das FG Nürnberg widerspricht in seinem Urteil nun der Auffassung des Klägers. Zunächst stellt das Gericht klar, dass auf einer Blockchain („Blockkette“; Datenbank ohne zentrale Kontrolle mit mehreren Beteiligten) basierende Kryptowerte als Wirtschaftsgut anzusehen sind, wenn die Rechtspraxis Wege gefunden hat, den kommerzialisierbaren Teil der Rechtsposition entgeltlich einem Dritten zu überlassen und wirtschaftlich zu verwerten. Den Wirtschaftsgutcharakter von Kryptowerten hat auch der BFH in seinem Urteil vom 14.2.2023 (IX R 3/23) bestätigt.
Der maßgebliche Besteuerungszeitpunkt ist dabei die Veräußerung, welche auch in Form eines Tauschs in einen anderen Kryptowert vorliegen kann. Ausführlich geht das FG Nürnberg in seinem Urteil auf die folgenden – für den Ausgangsfall relevanten – Kryptowerte ein:
Da der Gewinn aus den Kryptowerten CoffeeCoin, CoExist-Coin und Core in Summe bei unter 0,50 € liegt, hat das Finanzgericht auf eine Darstellung dieser Werte verzichtet. Die weiteren Kryptowerte waren im Zuge eines sog. Airdrops unentgeltlich zugeflossen und sind daher bei der Besteuerung außer Acht gelassen worden.
Bei einem Airdrop werden zusätzliche Einheiten einer Kryptowährung kostenlos an die Halter der Kryptowährung „ausgeschüttet“ (z.B. als Prämie, Willkommensgeschenk etc.). |
Ausführlich legt das FG Nürnberg dar, warum beim Handel mit Kryptowerten kein strukturelles Vollzugsdefizit vorliegt. Der Finanzverwaltung stehen Kontrollmöglichkeiten, wie etwa das Einholen von Kontrollmitteilungen, zur Verfügung. Die relevanten Daten werden auf Rechnern gespeichert; Blockchain-Transaktionen können in der Regel nicht geändert werden. Zumindest theoretisch kann sich die Finanzverwaltung die Möglichkeiten, die sich hieraus ergeben, früher oder später zunutze machen und retrospektiv (rückblickend) die Blockchain auslesen sowie die hinter den Transaktionen stehenden Personen identifizieren.
Eine fehlende Aufzeichnungspflicht bedingt ebenfalls nicht automatisch ein Vollzugsdefizit. Das FG Nürnberg weist z.B. darauf hin, dass es auch im Bereich der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung keine automatische Aufzeichnungspflicht gibt, ohne dass sich hieraus ein Vollzugsdefizit ergibt.
Hinsichtlich des Arguments der fehlenden Prüfung der Steuererklärung durch das Finanzamt stellt das FG klar, dass ein Steuerpflichtiger den Sachverhalt richtig, vollständig und deutlich angeben muss. Bei eventuellen Unklarheiten und Zweifelsfragen hat das Finanzamt auf eine Klärung hinzuwirken. Das Finanzamt muss den Angaben des Steuerpflichtigen aber nicht mit Misstrauen begegnen. Im Ausgangsfall sind keine Anhaltspunkte erkennbar, die ein Misstrauen rechtfertigen würden. Es ist somit nicht zu beanstanden, dass das Finanzamt die vom Kläger selbst ermittelten Werte für die Berechnung der Steuer übernommen hat.
Praxishinweis: Das Urteil wurde vor Veröffentlichung des BMF-Schreibens vom 6.3.2025 zu „Einzelfragen zur ertragsteuerrechtlichen Behandlung bestimmter Kryptowerte“ (BC 2025, 148 f., Heft 4) gefällt. Einige der im Urteil angesprochenen Aspekte, wie z.B. die Zugangsbewertung von Airdrops oder der Wirtschaftsgutcharakter von Kryptowerten, sind in dem BMF-Schreiben nunmehr zentral dargestellt. Das BMF-Schreiben weist auch auf die bestehenden Aufzeichnungs- und Mitwirkungspflichten hin. So müssen die Aufzeichnungen nachvollziehbar, vollständig, widerspruchsfrei, richtig und zeitnah geführt werden. Das Urteil zeigt auch, dass im Zweifelsfall jeder einzelne Kryptowert hinsichtlich seiner genauen Ausgestaltung separat betrachtet werden muss. Auch hier ist es hilfreich, wenn der Steuerpflichtige selbst bereits eine gewisse Dokumentation der verschiedenen Werte in seinem Portfolio vornimmt. |
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Risk Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)
BC 6/2025
BC20250607