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Atypisch stille Beteiligungen und die Anerkennung von Organschaften

Prof. Dr. Christian Zwirner und Anna Günther

BFH Urt. v. 11.12.2024 – I R 33/22; I R 17/21

 

In zwei Urteilen hat sich der BFH mit der Frage beschäftigt, ob eine Kapitalgesellschaft, an der eine atypisch stille Beteiligung besteht, dennoch Organgesellschaft im Rahmen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft sein kann. Der BFH entschied, dass dies möglich ist, da die Gesellschaft ihren – unter Berücksichtigung der Gewinnbeteiligung des stillen Gesellschafters ermittelten – handelsrechtlichen Jahresüberschuss als „ganzen Gewinn“ im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 1 KStG an den Organträger abführen kann.


 


 

Praxis-Info!

 

Hintergrund

Strittig ist in beiden Fällen, ob eine Kapitalgesellschaft, an der eine atypisch stille Beteiligung besteht, in der Lage ist, ihren gesamten Gewinn abzuführen und damit ihrer Verpflichtung aus dem mit dem Organträger abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrag nachzukommen (§ 14 Abs. 1 S. 1 KStG).

In Rechtsprechung, Literatur und Finanzverwaltung bestand bislang Uneinigkeit darüber, ob eine Tochterkapitalgesellschaft, an der eine atypisch stille Beteiligung besteht, eine taugliche Organgesellschaft im Rahmen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft sein kann – eine höchstrichterliche Entscheidung hatte es hierzu noch nicht gegeben.

  • In der finanzgerichtlichen Rechtsprechung wird übereinstimmend davon ausgegangen, dass eine atypisch stille Beteiligung an der Organgesellschaft der Anerkennung der Organschaft entgegensteht.
  • Der überwiegende Teil des Schrifttums geht hingegen davon aus, dass auch bei Bestehen einer atypisch stillen Beteiligung an der Organgesellschaft der „ganze Gewinn“ abgeführt wird, und bejaht das Vorliegen einer Organschaft, da zumeist mit einer zivilrechtlichen Betrachtungsweise argumentiert wird.
  • Die Finanzverwaltung vertritt wiederum die Auffassung, dass eine Kapitalgesellschaft, an der eine atypisch stille Beteiligung besteht, keine Organgesellschaft sein kann (BMF 20.8.2015, IV C 2 – S 2770/12/10001, BeckVerw 313215).

 

 

Sachverhalt I (Az. I R 33/22)

In dem vom BFH zu entscheidenden Fall hatte eine Kommanditgesellschaft mit einer GmbH einen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen, um eine Organschaft zu begründen. Die im Anschluss „abhängige“ GmbH war als Organgesellschaft verpflichtet, ihren gesamten Gewinn an die KG als Organträger abzuführen. Eine Besonderheit bestand im vorliegenden Fall darin, dass an der GmbH als Organgesellschaft eine atypisch stille Beteiligung bestand. Da dem atypisch still Beteiligten ein Anteil von 10% des Gewinns der GmbH zustand, vertraten das Finanzamt und das FG Mecklenburg-Vorpommern (Urt. v. 5.7.2022 – 1 K 395/14) die Auffassung, dass nur 90% des Gewinns an die KG als Organträger abgeführt worden seien. Da das Gesetz jedoch die Abführung des gesamten Gewinns fordere, sei die Organschaft insgesamt nicht anzuerkennen und die Gewinnabführung als verdeckte Gewinnausschüttung zu behandeln.

Die Richter des BFH folgten dieser Einschätzung nicht und schlossen sich der Auffassung des überwiegenden Teils des Schrifttums an. Die zivilrechtliche Qualifikation einer (atypisch) stillen Beteiligung als Teilgewinnabführungsvertrag im Sinne des § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG stehe auf Basis der im Gesetz angelegten zivilrechtlichen Betrachtungsweise der von § 14 Abs. 1 S. 1 KStG geforderten Abführung des „ganzen Gewinns“ nicht entgegen. Aus der in § 14 Abs. 1 S. 1 KStG enthaltenen Formulierung „Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1 AktG“ könne – entgegen der Meinung des BMF – nicht geschlossen werden, dass es als unvereinbar anzusehen ist, wenn neben einem Gewinnabführungsvertrag im Sinne des § 291 Abs. 1 AktG auch ein Teilgewinnabführungsvertrag im Sinne des § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG besteht.

Denn die Zahlungen aufgrund des Teilgewinnabführungsvertrags als eines im Kern schuldrechtlichen Austauschvertrags beträfen die vorgelagerte Ebene der Gewinnermittlung. Deshalb könne der nach Abzug dieser „Geschäftsunkosten“ verbleibende Gewinn als „ganzer Gewinn“ angesehen werden. Dies stehe auch im Einklang zu der im Ertragsteuerrecht nahezu einhellig vertretenen Auffassung, dass Zahlungen der abführungspflichtigen Kapitalgesellschaft an den an ihr typisch still beteiligten Gesellschafter als Betriebsausgabe zu behandeln sind, als solche den Gewinn mindern und der hiernach verbleibende Gewinn als der „ganze Gewinn“ im Sinne des § 14 Abs. 1 S. 1 KStG zu betrachten ist.

 

 

Sachverhalt II (Az. I R 17/21)

In einem anderen Verfahren war streitig, ob zwischen der Klägerin, einer GmbH, als Organträgerin und diversen Gesellschaften in den Streitjahren 2005 und 2006 den gesetzlichen Voraussetzungen entsprechende körperschaftsteuerrechtliche (und gewerbesteuerrechtliche) Organschaften bestanden. Die Klägerin ist ein Beratungsunternehmen mit verschiedenen eigenen Niederlassungen. Sie hält Mehrheitsbeteiligungen (zugleich mit Ergebnisabführungsverträgen bei Tochtergesellschaften) und Minderheitsbeteiligungen an einer Vielzahl von Gesellschaften im In- und Ausland, die ihrerseits wiederum eigene Tochtergesellschaften haben.

Sowohl an den Niederlassungen der Klägerin als auch an der Mehrzahl der Tochtergesellschaften bzw. an deren Niederlassungen bestanden in den Streitjahren atypisch stille Gesellschaften mit einem oder mehreren beteiligten Partnern, die als Berater die jeweilige Niederlassung leiteten und/oder dort Beratungsleistungen erbrachten.

Der BFH verglich diese Strukturen mit sog. Tracking Stocks, deren Vorliegen und Auswirkungen – auch in gewerbesteuerlicher Hinsicht – näherer Aufklärung bedürften. Er verwies das Verfahren deshalb zurück an das Finanzgericht (FG) Düsseldorf. Dieses hat dabei die folgenden, in den Leitsätzen des BFH zum Ausdruck gebrachten Grundsätze zu berücksichtigen:

  • Bestehen unabhängig voneinander mehrere atypisch stille Beteiligungen jeweils (nur) an verschiedenen Niederlassungen einer Kapitalgesellschaft, dann kann diese Kapitalgesellschaft grundsätzlich Organträger einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft sein.
  • Die Rechtsfolgen einer gewerbesteuerlichen Organschaft treten grundsätzlich nicht ein, wenn am Gewerbebetrieb einer Organgesellschaft ein atypisch stiller Gesellschafter beteiligt ist. Dies gilt nicht, wenn sich der atypisch stille Gesellschafter bei Vorliegen mehrerer sachlich hinreichend abgegrenzter Geschäftsbereiche der Organgesellschaft lediglich an einem dieser Geschäftsbereiche beteiligt.

 

 

Fazit

Mit seinen Urteilen hat der BFH eine für die Praxis wichtige Rechtsfrage zugunsten der Unternehmen entschieden. Diese stärken die Flexibilität von Unternehmensstrukturen und bieten eine rechtliche Grundlage für Unternehmen, die atypisch stille Beteiligungen zur Kapitalbeschaffung oder strategischen Einbindung von Partnern nutzen möchten, ohne auf die Vorteile einer ertragsteuerlichen Organschaft verzichten zu wollen.

 

WP/StB Prof. Dr. Christian Zwirner,
Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München (www.kleeberg.de)

StB Anna Günther, Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG

 

BC 5/2025

BC20250520

 

 

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