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Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine neu gegründete Kapitalgesellschaft: Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG

Dr. Martin Weiss

BFH Urt. v. 25.9.2024 – II R 2/22

 

1. Die Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine zu diesem Zweck neu gegründete Kapitalgesellschaft kann nach § 6a des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) steuerbegünstigt sein.

2. Kann die Vorbehaltensfrist des § 6a S. 4 GrEStG in diesem Fall umwandlungsbedingt nicht eingehalten werden, steht dies der Begünstigung nicht entgegen.

3. Die Nachbehaltensfrist des § 6a S. 4 GrEStG muss insoweit eingehalten werden, als der nach Erlöschen des Einzelunternehmens als Alleingesellschafter an der Kapitalgesellschaft beteiligte (frühere) Einzelkaufmann diese Beteiligung in Höhe von mindestens 95% über weitere fünf Jahre halten muss.


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Bei Umwandlungen fällt dem Steuerberater zunächst das Umwandlungssteuergesetz ein. Der BFH sieht es als eine „aus wirtschaftspolitischen Gründen gewährte Steuervergünstigung“ (BFH Urt. v. 12.4.2023 – I R 48/20, BStBl. II 2023, 888, Rn. 19), die „betriebswirtschaftlich sinnvolle Umstrukturierungen steuerneutral“ (BFH Urt. v. 30.5.2018 – I R 31/16, DStR 2018, 2474, Rn. 26) ermöglichen soll. Dementsprechend kann der durch Umwandlungen ausgelöste „tauschähnliche Vorgang“ (BFH Urt. v. 27.10.2021 – I R 39/19, BStBl. II 2022, 683, Rn. 21) auf Antrag unterhalb des gemeinen Werts, z.B. zum Buchwert, bewertet werden. Somit werden stille Reserven nicht aufgedeckt, sondern im Wege der „Durchbrechung des Subjektsteuerprinzips“ (Weiss, DStR 2024, 1585) auf einen anderen Steuerpflichtigen verschoben.

Allerdings ergibt sich bei den häufig im übertragenen Vermögen vorhandenen „inländischen Grundstücken“ mit der Grunderwerbsteuer ein weiteres Problem. In Fällen der Umwandlung liegt zwar kein „Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG vor. Allerdings hat der Gesetzgeber mit § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG einen weiteren Tatbestand geschaffen, der weder eines einen Anspruch auf Übereignung begründenden Rechtsgeschäfts noch einer Auflassung bedarf.

Um dessen Folgen bei Umwandlungen zu mildern, bestehen u.a. Vorschriften wie §§ 5, 6 GrEStG, die allerdings nur bei einer „Gesamthand“ (§ 24 GrEStG) greifen. Daneben hat der Gesetzgeber mit § 6a GrEStG eine Norm zur „Steuervergünstigung bei Umstrukturierungen im Konzern“ geschaffen. Nach unionsrechtlicher Begutachtung, innerhalb der der EuGH die Eigenschaft als verbotene Beihilfe verneint hatte (EuGH Urt. v. 19.12.2018 –C-374/17, IStR 2019, 70 – A-Brauerei), gingen die Streitereien um den Anwendungsbereich der Norm so richtig los. Durch § 6a S. 3 GrEStG wird sie nur einem herrschenden Unternehmen und einer oder mehreren von diesem herrschenden Unternehmen abhängigen Gesellschaft(en) gewährt. § 6a S. 4 GrEStG macht diese Konstellation davon abhängig, dass „das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahren nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 vom Hundert ununterbrochen“ am Kapital oder Gesellschaftervermögen der abhängigen Gesellschaft beteiligt ist.

Wie soll diese Fristenregelung gehandhabt werden, wenn durch Umwandlungen Gesellschaften „unter Auflösung ohne Abwicklung“ (§ 2 Nr. 1 UmwG) untergehen – oder auch durch die Umwandlung erst entstehen („Umwandlung zur Neugründung“)? Viele dieser Fragen hatte der BFH in einer Reihe von Urteilen im August 2019 zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden (Überblick bei Gleich lautende Erlasse GLE vom 25.5.2023, BeckVerw 623748, Tz. 1). Einer der letzten Konflikte zwischen der Finanzverwaltung und den Steuerpflichtigen bestand in der Frage, ob bei einer Ausgliederung eines Einzelunternehmens auf eine neu zu gründende Kapitalgesellschaft (§ 123 Abs. 3 Nr. 2 UmwG i.V.m. § 152 UmwG) die Steuervergünstigung in § 6a GrEStG zu gewähren ist (verneinend GLE vom 25.5.2023, BeckVerw 623748, Tz. 2.1).

 

 

Lösung

Der BFH hat dies nun bejaht: Der Gesetzgeber habe alle Umwandlungen im Sinne des „§ 1 Absatz 1 Nummer 1 bis 3 des Umwandlungsgesetzes“ in § 6a S. 1 GrEStG begünstigen wollen – somit auch die Ausgliederung zur Neugründung. Die Vorbehaltensfrist des § 6a S. 4 GrEStG müsse bei der Ausgliederung zur Neugründung nicht eingehalten werden, um die Steuerbegünstigung zu erlangen. Denn eine vor der Umwandlung nicht existente Gesellschaft könne die in § 6a S. 4 GrEStG bestimmten zeitlichen Voraussetzungen der Abhängigkeit aus rechtlichen Gründen nicht erfüllen.

 

 

Praxishinweise:

  • Die „Nachbehaltensfrist“ muss allerdings auch bei der Ausgliederung zur Neugründung eingehalten werden. Innerhalb von fünf Jahren – gerechnet ab dem „Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs“ (GLE vom 25.5.2023, BeckVerw 623748, Tz. 3.2.2), nicht etwa dem steuerlichen Übertragungsstichtag (§ 20 Abs. 5 UmwStG) – muss die natürliche Person zu mindestens 95 vom Hundert ununterbrochen an der übernehmenden Gesellschaft beteiligt bleiben.
  • Wird die Nachbehaltensfrist nicht eingehalten, entfällt die Begünstigung des § 6a GrEStG. Die Verletzung der Nachbehaltensfrist stellt ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 2 S. 1 AO dar. Die Grunderwerbsteuer ist nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO festzusetzen. Ein Freistellungsbescheid ist nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO zu ändern. Die Festsetzungsfrist beginnt nach § 175 Abs. 1 S. 2 AO mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem das Ereignis eintritt („Anlaufhemmung“).
  • Eine Verletzung der Nachbehaltensfrist ist nach § 19 Abs. 2 Nr. 4a GrEStG anzeigepflichtig. Die Anzeigen sind Steuererklärungen im Sinne der Abgabenordnung (§ 19 Abs. 5 S. 1 GrEStG).
  • Die „umgekehrte Umwandlung“, nämlich die Verschmelzung der Kapitalgesellschaft (mit inländischem Grundbesitz) auf den alleinigen Anteilseigner als natürliche Person (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 UmwG), ist in „spiegelbildlicher Weise“ nach § 6a GrEStG begünstigt. Hierzu hat der BFH entschieden (BFH Urt. v. 21.8.2019 – II R 15/19 (II R 50/13), DStR 2020, 343), dass die Frist von fünf Jahren nach dem Umwandlungsvorgang (Nachbehaltensfrist) in Bezug auf die verschmolzene abhängige Gesellschaft nicht eingehalten werden muss, weil sie aufgrund der Verschmelzung nicht eingehalten werden kann. Die Finanzverwaltung hat sich dieser Auffassung angeschlossen (GLE vom 25.5.2023, BeckVerw 623748, Tz. 1).

 

Dr. Martin Weiss, Steuerberater, Fachberater für Internationales Steuerrecht, Dipl.-Kfm., Verlag C.H.BECK, München

 

 

BC 3/2025

BC20250320

 

 

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