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Größenabhängige Erleichterungen bei der Offenlegung

Prof. Dr. Christian Zwirner

Restriktive Anforderungen an die Prüfungsbefugnis der das Unternehmensregister führenden Stelle

 

Aufgrund der dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers bekannten Funktionsweise von DATEV besteht kein objektiver Anlass, eine Nachfrage im Sinne des § 329 Abs. 2 S. 1 HGB zur Mitteilung der Umsatzerlöse und der durchschnittlichen Zahl der Arbeitnehmer zu stellen, da die Abfrage der Größenkriterien bereits systemseitig via DATEV erfolgt. Die Einhaltung der Größenkriterien ist somit bekannt. Daher ist die Annahme (§ 329 Abs. 2 S. 2 HGB) bei nicht fristgemäßer Mitteilung, wonach die größenabhängigen Erleichterungen als zu Unrecht in Anspruch genommen gelten, in diesen Fällen nicht zulässig.


 

Praxis-Info!

Kleinstkapitalgesellschaften können bei der Offenlegung die Erleichterung des § 326 Abs. 2 HGB in Anspruch nehmen. Demnach muss lediglich die Bilanz übermittelt und beim Unternehmensregister dauerhaft hinterlegt werden. Die Größenkriterien für die Einordnung als Kleinstkapitalgesellschaft sind in § 267a Abs. 1 HGB geregelt. Demnach ist aktuell eine Einordnung als Kleinstkapitalgesellschaft möglich, wenn

  • die Bilanzsumme ≤ 450.000 € ist,
  • die Umsatzerlöse ≤ 900.000 € betragen und
  • im Jahresdurchschnitt nicht mehr als 10 Mitarbeiter beschäftigt werden.

Dabei muss die Gesellschaft, um als Kleinstkapitalgesellschaft zu gelten, zwei der drei vorstehenden Kriterien erfüllen. Andernfalls ist eine Einordnung als Kleinstkapitalgesellschaft und die Inanspruchnahme der hiermit einhergehenden Erleichterungen bei der Offenlegung nicht mehr möglich.

Die das Unternehmensregister führende Stelle kann gemäß § 329 Abs. 2 S. 1 HGB die Mitteilung der Umsatzerlöse sowie der durchschnittlichen Mitarbeiterzahl verlangen, wenn die Prüfung Anlass zur Annahme gibt, dass die Erleichterungen zu Unrecht in Anspruch genommen wurden. Unterlässt die Gesellschaft die fristgemäße Mitteilung, gelten die Erleichterungen gemäß § 329 Abs. 2 S. 2 HGB als zu Unrecht in Anspruch genommen (Fiktion = Annahme).

Das Landgericht (LG) Bonn hat mit Beschluss vom 1.8.2023 (33 T 52/23) entschieden, dass die Nachfrage des Betreibers des elektronischen Bundesanzeigers im Sinne des § 329 Abs. 2 S. 1 HGB im zugrunde liegenden Sachverhalt rechtswidrig war. Durch die Prüfung bestand gerade kein Anlass zur Annahme einer zu Unrecht in Anspruch genommenen Erleichterung. Infolgedessen greift auch nicht die Fiktion des § 329 Abs. 2 S. 2 HGB, wonach die Erleichterungen als zu Unrecht in Anspruch genommen gelten.

Im zugrunde liegenden Sachverhalt hat die Beschwerdeführerin die Erleichterung für Kleinstkapitalgesellschaften bei der Offenlegung in Anspruch genommen und die Bilanz zur Hinterlegung mithilfe des DATEV-Programms eingereicht. DATEV verlangt dabei vom Anwender die Angabe, ob die Arbeitnehmerzahl im Jahresdurchschnitt unter 10 lag und ob die Umsatzerlöse 700.000 € (für den Sachverhalt galten noch die alten Größenkriterien vor der Anhebung durch das „Zweite Gesetz zur Änderung des DWD-Gesetzes sowie zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften“ vom 11.4.2024) unterschritten. Die Bilanzsumme, welche aus der eingereichten Bilanz ersichtlich war, lag mit 411.196,52 € nur leicht über dem damals gültigen Wert für die Bilanzsumme in Höhe von 350.000 €. Mangels Beantwortung der Nachfrage wurde ein Ordnungsgeld in Höhe von 5.000 € festgesetzt, da die größenabhängigen Erleichterungen aufgrund der Fiktion des § 329 Abs. 2 S. 2 HGB als zu Unrecht in Anspruch genommen galten.

Der Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers musste laut LG Bonn davon ausgehen, dass auf die Nachfrage keine andere Antwort zu erwarten sei, als dass die Umsatzerlöse sowie die Arbeitnehmerzahl im Jahresdurchschnitt nicht die Grenzen des § 267a Abs. 1 HGB übersteigen, was bereits bei der Einreichung von DATEV systemseitig abgefragt wird. Die Funktionsweise des von sehr vielen Einreichern verwendeten DATEV-Programms sei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers bekannt. Daher sei die Einhaltung der Größenkriterien dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers ex ante (im Voraus) bekannt gewesen. Das ergab sich zwar nicht direkt aus der eingereichten Bilanz, aber konkludent (schlüssig) aus der ihm bekannten Funktionsweise des DATEV-Programms. Daher bestand kein objektiver Anlass für die Nachfrage des Betreibers des elektronischen Bundesanzeigers, weshalb die Nachfrage rechtswidrig war. Zudem sprach auch bereits die nur geringfügige Abweichung zum damaligen Grenzwert der Bilanzsumme in Höhe von 350.000 € dafür, dass die Gesellschaft tatsächlich eine Kleinstkapitalgesellschaft ist. Das LG Bonn führt darüber hinaus aus, es sei sehr fragwürdig, dass eine Nachfrage per E-Mail solche rechtlich weitreichenden Folgen haben soll, zumal E-Mails vom Empfänger leicht übersehen werden können. Deshalb ist die Voraussetzung der Rechtmäßigkeit der Nachfrage im Sinne des § 329 Abs. 2 S. 1 HGB kritisch und restriktiv zu prüfen.

Aus praktischer Sicht ist die Entscheidung des LG Bonn zu begrüßen, da in einer Vielzahl von Fällen DATEV zur Offenlegung verwendet wird. Es ist daher angebracht, sich künftig auf die Kenntnis des Betreibers des elektronischen Bundesanzeigers bzw. des Unternehmensregisters zu berufen. Interessant ist vor dem Hintergrund der nunmehr auch bei der Verwaltung beginnenden Digitalisierung, ob zukünftig weiter via E-Mail kommuniziert wird, welche laut LG Bonn leicht übersehen werden kann, oder ob sich andere Lösungen etablieren werden.

WP/StB Prof. Dr. Christian Zwirner,
Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München (www.kleeberg.de)

 

BC 3/2025

BC20250310

 

 

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