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Buchhalterische Überlegungen zu Deepseek

Christian Thurow

 

Ende Januar 2025 gab es für die US-amerikanische KI-Szene einen „Sputnik“-Moment. Ein chinesisches Tech-Start-up veröffentlichte sein KI-Modell „Deepseek R1“, welches in seiner Leistungsfähigkeit dem stärksten KI-Modell von OpenAI (ChatGPT) mindestens ebenbürtig ist. Der Clou: Das chinesische Modell benötigt nur einen Bruchteil der Rechnerleistung von bisherigen Large Language Models (LLM, sog. generative Künstliche Intelligenz, kurz: KI), verursacht nur einen Bruchteil an Trainingskosten und ist Open Source.


 

Praxis-Info!

Im Bereich der Künstlichen Intelligenz kommt es immer mehr zu einer Art Wettrüsten, insbesondere zwischen den USA und China. Entsprechend groß war der Schock, den die Veröffentlichung von Deepseek R1 in den USA auslöste. Nachdem das Thema zuerst in der Technologieszene für Aufregung sorgte, kam es dann am 27.1.2025 um Börsenbeben. Der Börsenkurs des amerikanischen Chipherstellers Nvidia brach ein, der Marktwert des Unternehmens gab an nur einem Tag um sagenhafte 590 Mrd. USD nach. Auch andere Technologieaktien erlitten teils heftige Verluste. Aus buchhalterischer Sicht ergeben sich aus dieser Situation einige interessante Aspekte.

 

 

Rechnerleistung

Aufgrund des bestehenden US-Embargos werden die hochleistungsfähigsten Computerchips (derzeit produziert vom Monopolisten Nvidia) nicht nach China geliefert. Deepseek R1 basiert daher auf KI-Modellen, welche deutlich weniger Rechnerleistung und somit auch weniger leistungsfähigere Computerchips benötigen. Dies erklärt den deutlichen Kurseinbruch von Nvidia. Gerade im Bereich der Künstlichen Intelligenz erleben wir in den letzten Jahren einen rasanten technologischen Fortschritt. Ein technologischer Durchbruch kann hier den bestehenden Markt komplett umkrempeln und bestehende Sachanlagen und immaterielle Vermögensgegenstände quasi über Nacht signifikant entwerten. Dies kann sowohl bei den betroffenen Unternehmen als auch bei den Eigenkapitalinvestoren zu einer Schieflage führen.

 

 

Trainingskosten

LLM müssen mit großen Datensätzen trainiert werden. Nach Presseberichten hat OpenAI mehrere hundert Millionen US-Dollar für das Training der ChatGPT-Modell-Serie ausgegeben. Das Training von Deepseek R1 soll dagegen „nur“ 5,6 Mio. US-Dollar gekostet haben. Die Situation entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Seit Jahren laufen Beschwerden und Klagen gegen OpenAI bezüglich datenschutzrechtlicher Verstöße bei der Gewinnung und Verwendung von Daten. OpenAI beschwert sich nun seinerseits, dass Deepseek Daten von ChatGPT ohne Genehmigung zu Trainingszwecken verwendet hat. Hieraus ergibt sich eine interessante Verkettung – OpenAI trainiert ein Modell für hunderte von Millionen US-Dollar, welches schließlich genutzt wird, um ein anderes Modell zu trainieren. Dieses steht dann als Open Source allen zur Verfügung, d.h., der Quelltext ist öffentlich und kann von Dritten eingesehen, geändert und genutzt werden. Der immaterielle Vermögensgegenstand „Trainingsdatensatz“ hat somit in kürzester Zeit rasant an Wert verloren. Ähnlich wie beim Thema „Rechnerleistung“ werden die Pionierfirmen, welche die großen Anfangskosten getragen haben, hier eventuell als Verlierer dastehen. Es zeigt sich aber auch, wie wichtig es für Unternehmen ist, die eigenen Daten als Vermögensgegenstand zu sehen und entsprechend zu schützen.

Überdies: Da der Code von Deepseek R1 heruntergeladen, analysiert und genutzt werden darf, ist es für jedermann möglich, diesen kommerziell zu nutzen. KI-Lösungen für Unternehmen, die auf Grundlage von Deepseek R1 entwickelt werden – ob für Produktion, Vertrieb oder Rechnungswesen –, lassen sich kostengünstiger erwerben. Das betrifft gleichermaßen die unternehmensinterne Weiterentwicklung von KI-Anwendungen auf Basis von Deepseek R1 – mit weniger Rechnerleistung (Hardware und Stromverbrauch). Entscheidende Voraussetzung: Der unabhängig genutzte Code von Deepseek R1 lässt sich nach europäischen Standards DSGVO-konform nutzen. Dies hätte erhebliche Auswirkungen auf die beschriebene Ausrüstung von Sachanlagen sowie die künftige Bewertung von erworbenen wie selbst geschaffenen immateriellen Vermögensgegenständen in einem Großteil der Unternehmen.

 

 

Fazit

Für einige Jahre war Blackberry Statussymbol und Marktführer für Smartphones. Innerhalb kürzester Zeit wurde der „Platzhirsch“ jedoch von Apple nicht nur verdrängt, sondern quasi ins Naturkundemuseum abgeschoben. Ob OpenAI und ChatGPT dasselbe Schicksal droht, wird die Zukunft zeigen. Was allerdings bereits zu sehen ist: Die hohen Entwicklungskosten von KI-Modellen führen nicht unbedingt zu einem dauerhaften Vermögensgegenstand. Das Börsenbeben dürfte einige Investoren hier zu größerer Vorsicht und Zurückhaltung mahnen. Es zeigt sich, dass auch im KI-Hype der kühle Kopf eines gewissenhaften Buchhalters von Vorteil sein kann.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Senior Risk Manager, London (E-Mail: c.thurow@thurow.co.uk)

 

 

BC 2/2025

BC20250219

 

 

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