Dr. Hans-Jürgen Hillmer
Bestandssanierung erfordert Dokumentation qualifizierter Daten
Im Rahmen des europäischen „Green Deal“ ist die Immobilienbewirtschaftung von zentraler Bedeutung: Bis spätestens 2050 sollen alle Gebäude in der EU klimaneutral sein. Schon jetzt legen deshalb Eigentümer, Finanzierer, Mieter und Investoren immer mehr Wert auf einen schlanken ökologischen Fußabdruck, über den dann auch in der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu informieren ist. Ergänzend zu Neubaumaßnahmen sind die ESG-konforme Sanierung und die Neupositionierung von Bestandsimmobilien wichtige Treiber dieser Entwicklung (ESG steht für Environmental, Social and Governance, also Umwelt, Soziales und Unternehmensführung).
Praxis-Info!
Problemstellung
Wie herausfordernd die mit der Transformation der Immobilienwirtschaft verbundenen Problemstellungen sind, ist trotz der Diskussion um das sog. Heizungsgesetz vermutlich noch nicht allen bewusst. Ein Blick in die Strategien von Immobilien-Assetmanagern und Kapitalverwaltungsgesellschaften hilft auch KMU, die Anforderungen zu erkennen und Maßnahmen einzuleiten. Als Insider der Immobilienbranche hat sich hierzu Ralf Fröba, Head of ESG Real Estate, Wealthcap Kapitalverwaltungsgesellschaft mbH, in einem Beitrag in der Porperty Post, Nr. 511, vom 16.1.2025 geäußert. Danach sind 35% der Gebäude in der EU älter als 50 Jahre und 75% des Gebäudebestands aus Klimagesichtspunkten ineffizient. Schätzungsweise 85% bis 95% der Gebäude werden, so seine Prognose, auch im Jahr 2050 noch stehen. Vor dem Hintergrund der langen Nutzungszeiten von Immobilien kann also die Bewältigung der Anforderungen des Klima- und Umweltschutzes in und außerhalb der Immobilienwirtschaft nur begrenzt im Wege eines ausschließlich energieeffizienten und klimafreundlichen Neubaus realisiert werden. Abriss und Neubau würden zudem immense „graue“ Emissionen produzieren; das wäre in aller Konsequenz – z.B. in historischen Innenstädten – auch gar nicht erstrebenswert. Was also ist zu tun?
Lösung
Im Rahmen seiner Einschätzung zur Bestandssanierung unterlegt Fröba die Auffassung, dass es entscheidend auf eine umfassende energetische Transformation und Optimierung des Gebäudebestands ankommen wird – mit Empfehlungen zur Sanierungsplanung. In einer EY-Umfrage habe bereits mehr als die Hälfte der befragten Immobilien-Assetmanager bestätigt, dass diese Transformation derzeit ihren Investitionsschwerpunkt darstelle.
Um einen sowohl effektiven als auch kosteneffizienten Sanierungsplan zu entwerfen, ist es demnach erforderlich, das Objekt zunächst komplett zu durchleuchten, sämtliche Verbrauchsdaten zu erfassen, Transparenz zu schaffen, zu analysieren und sprichwörtlich „jeden Stein umzudrehen“. Nicht selten seien es kleinere Maßnahmen, die einen vergleichsweise großen Effekt haben, z.B. die Umrüstung auf LED-Beleuchtung, eine effizientere bzw. sogar „smarte“ Konfiguration der Lüftungs- und Heizungsanlagen oder auch eine Optimierung des Liftmanagements.
Anhand des Beispiels eines kürzlich energetisch und ökologisch sanierten Bürohochhauses und anderweitig bereits erfolgreich umgesetzter energetischer Ertüchtigungen von älteren Büroimmobilien in ganz Deutschland wird eine strategische Planung empfohlen, die der Reihe nach folgende Punkte umfasst:
- Erfassung der Ist-Situation,
- Reduzierung der Energiebedarfe und -Verbräuche,
- weitestgehende Umstellung auf erneuerbare Energien,
- Schaffung flexibler Gebäudestrukturen,
- langfristiger Bestandserhalt (zirkulärer Ansatz),
- Verwendung ökologischer Materialien und
- Unterstützung bei der Optimierung des Nutzerverhaltens.
Selbstverständlich verfügt nicht jeder Immobilien-Halter unter den BC-Lesern über das dafür erforderliche Know-how, die notwendigen finanziellen Mittel oder die Management-Kapazitäten, um die energetische Optimierung aus eigener Hand durchzuführen. Deshalb ist zu prüfen, ob es sinnvoll sein kann, die direkt gehaltenen Immobilien in eine Fondsstruktur einzubringen, die von einer professionellen Kapitalverwaltungsgesellschaft (KVG) sowie einem kompetenten Immobilien-Assetmanager verwaltet wird. Dort tätige Spezialisten können durch die Bündelung (z.B. über Skaleneffekte) die Kosten für aufwendige regulatorische Erfordernisse, wie das Reporting, senken und den Aufwand insgesamt reduzieren, damit sich die Bestandshalter auf ihre originären Aufgaben konzentrieren können. Ein spezialisierter Assetmanager dürfte zudem in vielen Fällen einen besseren Marktzugang zu potenziellen Mietern, Finanzierern und Dienstleistern haben.
Praxishinweise: - Ob nun mit Immobilienfonds oder einer Kapitalverwaltungsgesellschaft – in jedem Fall wird es für KMU darauf ankommen, mit ESG-relevanten Daten und Risiken im Rahmen ihres Risikomanagements umgehen zu können. Die Aufgabe besteht darin, dass Risikomanagement zukunftssicher zu gestalten, denn die Rolle der Risikomanager wandelt sich: Sie sind zunehmend gefragt, über die reine Überwachung hinauszugehen und ESG-Risiken aktiv zu steuern. Dabei spielen digitale Lösungen und wissenschaftlich fundierte Modelle eine wachsende Rolle (zum Thema „ESG“ wird die sog. ESG Factory als Praxiskonferenz für die Immobilienbranche am 30.1.2025 in Berlin mit dem Ziel stattfinden, das komplexe Thema „ESG“ in seinen vielen Aspekten zu verstehen und zu diskutieren, mehr dazu siehe unter https://www.esg-factory.de/).
- Aus der Immobilienwirtschaft wird zudem der Erfahrungssatz untermauert, dass sich mit einer ESG-Strategie auch Vorteile einstellen, die in barer Münze gemessen werden können. Dazu verweist Holger Weber, Vorstand, x.project AG, in dem oben genannten Newsletter vom 16.1.2025 darauf, dass schon heute Banken verpflichtet sind, Nachhaltigkeitskriterien bei der Kreditvergabe zu berücksichtigen: „Diejenigen Kreditnehmer, die im Sinne des europäischen Green Deals nachweisen können, dass ihre Anstrengungen zur CO2-Reduktion und zur Energieeinsparung fruchten, werden Finanzierungen erhalten, die mehrere Basispunkte besser sind.“ Im verstärkten Maß zeige sich dieser finanzielle Vorteil beim Verkauf. Und Weber betont einen aus BC-Sicht besonders wichtigen Aspekt: „Zentral sind auch hier die konsolidierte Dokumentation und die daraus qualifizierten Daten, die – einmal richtig aufgesetzt – ihre Investition bei der Beschaffung um ein Vielfaches einspielen.“
- Das sollten sich mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung befasste BC-Leser als Wertschätzung ihrer Arbeit merken und bis zum nächsten Gehaltsgespräch nicht vergessen haben.
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Exkurs: Wer sich übrigens als Privatperson mit energetischen Maßnahmen an Gebäuden befasst und insoweit die Steuerermäßigung gemäß § 35c EStG in Anspruch nehmen möchte, der benötigt eine Bescheinigung nach amtlichem Muster. Hierzu wurde ihm noch kurz vor dem Weihnachtsfest mit dem BMF-Schreiben vom 23.12.2024 ein „Amtliches Muster der Bescheinigung des ausführenden Fachunternehmens und der nach § 88 Gebäudeenergiegesetz ausstellungsberechtigten Person“ auf den Gabentisch gelegt. Aber ohne Fleiß kein Preis: In präzisem Behördendeutsch handelt es sich um die „Neufassung des BMF-Schreibens vom 26.1.2023 (BStBl I S. 218), zuletzt geändert durch BMF-Schreiben vom 6.2.2024 (BStBl I S. 237)“. Mit dieser Bescheinigung wird nachgewiesen, „dass die Voraussetzungen des § 35c Abs. 1 Satz 1 bis 3 EStG und die Anforderungen der Energetische Sanierungsmaßnahmen-Verordnung (ESanMV) erfüllt sind. Die Bescheinigung wird vom ausführenden Fachunternehmen (§ 35c Abs. 1 Satz 7 EStG) oder von einer nach § 88 Gebäudeenergiegesetz (GEG) ausstellungsberechtigten Person erteilt (§ 2 Abs. 2 ESanMV)“. Das versteht man nur mit Fachwissen. Soweit BC-Leser dies für unternehmerisch genutzte Gebäude erwerben, kann es insoweit leider nicht übertragen werden. Denn nach § 35c Abs. 2 EStG kann die Steuerermäßigung nach Abs. 1 nur in Anspruch genommen werden, wenn der Steuerpflichtige – hier sei einmal an einen Bäcker gedacht – das Gebäude im jeweiligen Kalenderjahr ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken nutzt. Immerhin ist es unschädlich, wenn der Bäcker Teile einer zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung anderen Personen unentgeltlich zu Wohnzwecken überlassen hat. Hier soll nun nicht weiter vertieft werden, was für Freundschaftsdienste gilt, für die keine Rechnung gestellt wird, für die aber eine sonst kostenpflichtige Dienstleistung, wie etwa das Schrubben der Bäckerstube, unentgeltlich zugewendet wird. Denn nach Absatz 3 kann der Bäcker die Steuerermäßigung nach Absatz 1 sowieso nicht in Anspruch nehmen, soweit die Aufwendungen als Betriebsausgaben, Werbungskosten, Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt worden sind. Selbst wenn das nicht der Fall wäre, dann wäre die Steuerermäßigung nach Absatz 1 ebenfalls nicht zu gewähren, wenn für die energetischen Maßnahmen eine Steuerbegünstigung nach § 10f EStG oder eine Steuerermäßigung nach § 35a EStG in Anspruch genommen wird oder es sich um eine öffentlich geförderte Maßnahme handelt, für die zinsverbilligte Darlehen oder steuerfreie Zuschüsse in Anspruch genommen werden. Wenn der Bäcker nun immer noch nicht aus dem Raster gefallen ist, dann endlich ist es für ihn passend, sich mit dem oben genannten Bescheinigungsmuster zu befassen. Da der „Normal-Bäcker“ seine Brötchen aber ohne Steuer-Diplom anbietet, wird er spätestens mit dem Detail-Studium des oben genannten BMF-Schreibens Veranlassung sehen, die Sache einem Ratgeber anzuvertrauen. Damit kann er sich, wie der bereits erwähnte Experte Fröba es ausdrücken würde, „als Bestandshalter auf seine originären Aufgaben“ des Brötchen-Backens konzentrieren. Wem jetzt ein Betätigungsfeld für selbstständige Bilanzbuchhalter in den Blick geraten sollte, dürfte richtig liegen, müsste sich bei der Ausführung allerdings wiederum einschränken, da sonst mit Vorwürfen der berufsrechtlichen Grenzüberschreitung seitens der Steuerberater zu rechnen ist. |
Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld
BC 2/2025
BC20250209