Prof. Dr. Christian Zwirner und Anna Günther
BFH Urt. v. 16.9.2024 – III R 36/22
Eine gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Aufwendungen für die Anmietung von Werbeträgern nach § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG kommt auch bei einem Dienstleistungsunternehmen in Betracht, wenn die Werbeträger bei unterstelltem Eigentum zu dessen Anlagevermögen gehören würden.
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Hintergrund
Gemäß § 8 Nr. 1 GewStG wird zur Ermittlung des Gewerbeertrags (§ 7 GewStG) dem Gewinn aus Gewerbebetrieb ein Viertel der Summe aus den dort unter den Buchstaben a) bis f) genannten Aufwendungen hinzugerechnet, soweit diese bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind und soweit die Summe den Freibetrag von 200.000,00 € (in den Streitjahren 2013 bis 2015 galt noch der damalige Freibetrag von 100.000,00 €) übersteigt.
Der Hinzurechnung unterliegt auch ein Viertel aus einem Fünftel bzw. aus der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen (einschließlich Leasingraten) für die Benutzung der beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die im Eigentum eines anderen stehen (§ 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG).
Maßgeblich für die Beurteilung ist, ob es sich bei den gemieteten Wirtschaftsgütern um Anlagevermögen handeln würde, wenn diese sich im Eigentum des Steuerpflichtigen befänden (Fiktion = Annahme).
Zu den beiden Prüffragen des auf einer Annahme beruhenden Anlagevermögens vgl. Maier-Siegert, Fiktion und Widerspruch, BC 2022, 285, Heft 7. |
Sachverhalt
Im vorliegenden Streitfall warb die Klägerin, eine GmbH, im Rahmen von Sponsoringmaßnahmen für Vereine, z.B. auf den Trikots der Vereine sowie auf dem Spielfeld und in Programmheften, sowie durch Mobil- und Plakatwerbung für ihr Dienstleistungsunternehmen.
Die die Werbung erbringenden Unternehmen waren überwiegend Werbevermittlungsagenturen, die regelmäßig nicht Eigentümer der Werbeträger (Wände, Säulen, Treppen und Verkehrsmittel) waren.
Ihre Werbeaufwendungen verbuchte die Klägerin auf drei Buchungskonten. Auf einem Konto erfasste sie die Sponsoringaufwendungen im Zusammenhang mit den Vereinen. Auf den anderen beiden Buchungskonten verbuchte sie diverse Ausgaben im Zusammenhang mit der Anmietung von Werbeflächen. Hierbei handelte es sich um Flächen an U-Bahnen, S-Bahnen, Straßenbahnen und in Bahnhöfen sowie im öffentlichen Raum, in Gaststätten und an Autobahnen.
Das Finanzamt führte für die Streitjahre 2012 bis 2015 eine steuerliche Außenprüfung bei der Klägerin durch und vertrat danach die Auffassung, dass die Werbeaufwendungen als Mieten für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zu werten seien. Es rechnete diese (gemäß § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG) dem Gewerbeertrag hinzu. Die hiergegen eingereichte Klage hatte in erster Instanz vor dem Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg Erfolg (Urteil vom 23.8.2022, Az. 5 K 5101/20). Nach Ansicht des FG scheide eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG aus, weil es am fiktiven Anlagevermögen der Werbeträger fehle. Gegen das Urteil legte das Finanzamt Revision ein.
Entscheidung des BFH
Die Richter des BFH hielten die Revision des Finanzamts für begründet, hoben das Urteil des FG auf und verwiesen es zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurück. In seiner Urteilsbegründung führte der BFH aus, dass es für eine Hinzurechnung von Mietaufwendungen im Zusammenhang mit der Durchführung von Werbemaßnahmen nach § 8 Nr. 1 Buchst. d GewStG darauf ankomme, dass die den Werbemaßnahmen zugrunde liegenden Verträge ihrem wesentlichen rechtlichen Gehalt nach als Miet- oder Pachtverträge einzuordnen sind oder zumindest trennbare miet- oder pachtrechtliche Hauptleistungspflichten enthalten. Hierzu seien die einzelnen Verträge darauf zu prüfen, ob es sich um Mietverträge, Werkverträge, Geschäftsbesorgungsverträge oder um gemischte Verträge mit möglicherweise trennbaren Leistungen handle.
Ferner komme es für die Hinzurechnung auf die fiktive Zugehörigkeit der Werbeträger zum Anlagevermögen an. Maßgeblich sei, ob der Geschäftszweck und die speziellen betrieblichen Verhältnisse des Unternehmens Werbemaßnahmen erforderlich erscheinen lassen, für die das Unternehmen Werbeträger ständig in seinem Betrieb vorhalten muss. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass auch bei einem Dienstleistungsunternehmen bei längerfristiger Anmietung bestimmter Werbeträger oder bei wiederholter kurzfristiger Anmietung gleichartiger Werbeträger fiktives Anlagevermögen vorliegt.
Im vorliegenden Fall habe das FG offengelassen, ob die Klägerin überhaupt Mietzinsen im Sinne des § 8 Nr. 1 Buchst. d und e GewStG gezahlt hat. Es habe eine Hinzurechnung an der fehlenden Zugehörigkeit der Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen scheitern lassen. Die vom FG getroffenen Feststellungen reichten jedoch nicht aus, um die Voraussetzungen für die Zuordnung zum Anlagevermögen abschließend beurteilen zu können.
Da die Feststellungen der Vorinstanz zur rechtlichen Einordnung der Verträge und zur Zuordnung der Werbeträger zum fiktiven Anlagevermögen nicht ausreichten, habe das Verfahren an das FG zurückverwiesen werden müssen. Im zweiten Rechtsgang wird das FG daher den Inhalt der einzelnen Verträge feststellen und entsprechend zu würdigen haben. Für die Einordnung eines „Sponsoringvertrags“ sei nicht die Bezeichnung als solche entscheidend, sondern der jeweilige Inhalt maßgeblich. Sofern die Verträge jeweils wesentliche (miet-)fremde Elemente enthielten, müssten die Verträge ggf. in ihre einzelnen Elemente zerlegt werden. Wenn dies nicht möglich sei, könne auch ein Vertrag eigener Art vorliegen, der trotz darin enthaltener Miet- und Pachtelemente nicht zu einer gewerbesteuerlichen Hinzurechnung führt.
Unternehmen sollten ihre Verträge über die Nutzung von Werbeträgern genau prüfen, insbesondere hinsichtlich der miet- und pachtrechtlichen Hauptpflichten. Eine klare vertragliche Trennung zwischen mietrechtlichen und anderen Leistungspflichten kann helfen, ungewollte Hinzurechnungen zu vermeiden. Zudem ist es wichtig, die betriebliche Nutzung von Werbeträgern im Hinblick auf die Anforderungen des Anlagevermögens gut zu dokumentieren. |
WP/StB Prof. Dr. Christian Zwirner,
Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München (www.kleeberg.de)
StB Anna Günther, Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG
BC 2/2025
BC20250206