Prof. Dr. Christian Zwirner und Sebastian Schöffel
Leitzins der EZB sinkt zum ersten Mal seit September 2019 um 0,25% auf 4,25%
Die Jahre 2022 und 2023 waren aus geldpolitischer Sicht geprägt von Leitzinserhöhungen. Die Notenbanken haben insbesondere seit dem zweiten Halbjahr 2022 die Leitzinsen vor dem Hintergrund der anhaltend hohen Inflation kontinuierlich mehrfach erhöht. Am 6.6.2024 hat die EZB (Europäische Zentralbank) nun verkündet, dass sie zum ersten Mal seit September 2019 den Leitzins um 0,25% auf 4,25% senkt.
Praxis-Info!
Die Auswirkungen der wirtschaftlichen und geopolitischen Ereignisse, insbesondere der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, welche das Jahr 2022 geprägt haben, sind auch noch im Jahr 2024 spürbar. In den letzten Monaten ist jedoch eine Abschwächung der Folgen zu beobachten. So liegt die Inflationsrate im Mai 2024 bei voraussichtlich 2,40% (Vorjahresmonat Mai 2023: 6,10%) in Deutschland.
Als Folge des Inflationsrückgangs hat die EZB nun zum ersten Mal seit September 2019 den Leitzins um 0,25% auf 4,25% gesenkt. Diese Änderungen treten am 12.6.2024 in Kraft. Die EZB erfüllt somit die Erwartungen der Märkte, die eine Zinssenkung für Juni 2024 prognostiziert hatten.
Die bisherigen Leitzinserhöhungen der EZB hatten unter anderem deutliche Auswirkungen auf die Fremdfinanzierungskosten für Unternehmen und private Haushalte, welche seit Beginn der Leitzinserhöhungen vor etwas mehr als einem Jahr deutlich angestiegen sind. Private Haushalte bemerken den Anstieg der Fremdfinanzierungskosten insbesondere bei der Vergabe von Krediten für die Immobilienfinanzierung. Unternehmen mit einer hohen Fremdkapitalquote, die Investitionen jahrelang günstig refinanzieren konnten, müssen sich bei bevorstehender Umschuldung künftig zu ungünstigeren Konditionen finanzieren.
Auch im Zusammenhang mit bewertungsrelevanten Fragestellungen machen sich die Auswirkungen der bisher vorgenommenen Leitzinserhöhungen bemerkbar. Noch im Januar 2022 lag der bewertungsrelevante Basiszins nach IDW S 1 bei 0,10%. Zwischenzeitlich stieg der bewertungsrelevante risikolose Basiszinssatz nach IDW S 1 auf 2,75% (1.11.2023 bis 1.1.2024). Zum 1.6.2024 ist der bewertungsrelevante Basiszinssatz nach IDW S 1 auf 2,50% gesunken.
Mit der aktuellen Zinssenkung reagiert die EZB auf den derzeitigen Rückgang der Inflation sowie auf die eingetrübten Konjunkturaussichten im Euroraum. So ging das preisbereinigte Bruttoinlandsprodukt in Deutschland im Jahr 2023 sogar um 0,30% zurück. Die Zukunftsaussichten hinsichtlich der Leitzinsentwicklung sind jedoch gespalten, da ebenfalls die EZB wieder einen Anstieg der Inflation erwartet.
Im Ergebnis können die weiteren (Zins-)Entwicklungen noch nicht abgeschätzt werden. Es ist aber für den Fall von weiteren Leitzinsanpassungen anzunehmen, dass sich auch die für Unternehmensbewertungen relevanten Fremdkapital- und Eigenkapitalkosten verändern werden. Allerdings ist im Fall von Zinssenkungen, die nun von der EZB im Juni 2024 erstmals wieder vorgenommen wurden, kurzfristig keine deutliche Veränderung des allgemeinen bewertungsrelevanten Zinsniveaus zu erwarten.
In der Praxis sind gerade vor dem Hintergrund des unabhängig von weiteren Zinsanpassungen bereits – im Vergleich zu der früheren Niedrigzinsphase – hohen bestehenden Zinsniveaus im Jahr 2023 und 2024 die Auswirkungen auf Bilanzierungs- und Bewertungsfragen sowie auf die angemessene Verzinsung bei zinsrelevanten Sachverhalten im Blick zu behalten. Insbesondere sind bestehende Verzinsungsregelungen auf ihre Angemessenheit zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen.
WP/StB Prof. Dr. Christian Zwirner,
Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München (www.kleeberg.de)
StB Sebastian Schöffel, Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München
BC 7/2024
BC20240707