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News & Beiträge

Chancen und Risiken auf dem Weg zu mehr Transparenz

Dr. Hans-Jürgen Hillmer

Einblicke anlässlich des TRR 266 Forums vom 4.6.2024 in Frankfurt/M.

 

Das kommende Reporting zu Umwelt, Soziales und Governance (engl. ESG – Environmental, Social and Governance) nach CSRD/ESRS ist Hoffnungsträger für erhöhte Transparenz. Skeptiker aber befürchten ein bürokratisches Monster, das Unternehmen überfordert, und Stakeholder (Interessenträger wie Investoren, Kunden, Beschäftigte usw.) mit seinen zahlreichen Datenpunkten mehr verwirrt als informiert – zu Recht?

 


 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Die letzten Jahre standen im Zeichen verschärfter Transparenzvorschriften. Damit einhergehend wurden die erforderlichen Datenpunkte immer umfangreicher. Das stellt alle Akteure vor Herausforderungen – und könnte sogar dazu führen, dass die Transparenz ihre eigentlichen Ziele verfehlt. In der Bankenregulierung habe mittlerweile – so ein in die Tagung vom 4.6.2024 einführender Hinweis des Finanzwissenschaftlers Prof. Dr. Florian Heider – mit Stresstests etc. ein Chaos eingesetzt, das den Durchblick massiv erschwere. In nur wenigen Monaten hat sich nun der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) als eine vielversprechende Option etabliert, um die Datenauswertung auf ein neues Niveau zu heben. Eine darauf aufbauende, sog. smarte Regulierung gilt für viele als vielversprechender Weg aus diesem „Datendschungel“. Doch kann sie wirklich leisten, was sie verspricht? Anlässlich eines Diskussionsforums des  „TRR 266 Accounting for Transparency“ wurde in Frankfurt/M. in den Campus-Räumlichkeiten der ehrwürdigen Goethe-Universität Frankfurt/M. diskutiert, welche Chancen und welche Gefahren die gegenwärtige Regulierungsflut mit sich bringt und worauf bei der Umsetzung geachtet werden muss:

  • Wie können smarte Technologien dabei helfen, regulatorische Anforderungen effektiver und effizienter zu erfüllen und zu dokumentieren?
  • Wie kann KI die Durchsetzung von Steuergesetzgebung und Transparenzregulierung verbessern?
  • Wie können integrierte Systeme bei (ESG)-Compliance unterstützen?
  • Und mit welchen Risiken und ethischen Herausforderung werden Unternehmen bei der Umsetzung und Nutzung smarter Technologien konfrontiert?

 

 

Foto: Goethe-Universität in Frankfurt am Main, dem Tagungsort des TRR 266 Forums 

 

 

 

Lösung

Ein hier näher zu skizzierender Programmteil befasste sich mit Entwicklungen auf dem Gebiet der Nachhaltigkeitsberichterstattung (= Sustainability Reporting). Dieses auch als ESG-Reporting gemäß der Europäischen Richtlinie für Nachhaltigkeitsberichterstattung (Corporate Sustainability Reporting Directive, kurz: CSRD) sowie den EU-Standards zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (European Sustainability Reporting StandardsESRS) bezeichnete Bilanzierungsfeld ist einerseits Hoffnungsträger für erhöhte Transparenz. Andere aber sehen ein bürokratisches Monster, das Unternehmen überfordert und Berichtsadressaten mit seinen zahlreichen Datenpunkten mehr verwirrt als informiert. Unter der Moderation von Prof. Dr. Katharina Hombach gaben drei Fachvorträge Eindrücke aus Theorie und Praxis wieder, die von Prof. Dr. Thorsten Sellhorn (LMU München), vom EFRAG-Experten Richard Bössen und von Dr. Alexis Eisenhofer vorgetragen wurden.

Ausgangspunkt von Sellhorn war, wie Transparenz entsteht und welche Effekte sie inkl. unerwünschter Nebenwirkungen mit sich bringt. Transparenz ist nicht nur Datenbereitstellung, sondern das Ergebnis der Interaktion von Sender und Empfänger. Nutzer müssen angebotene Informationen auch verarbeiten können. Genau das steht im Zentrum seiner Forschung, wie also die Datenaufbereitung adressatengerecht erfolgen muss. Bereitgestellte Informationen sind nutzlos, wenn sie nicht auch tatsächlich aufgenommen werden.

Wichtig ist für Sellhorn zunächst, was im Bereich der Aufbereitung getan werden kann, beispielsweise bei der Erzeugung des CO2-Fußabdrucks. Insbesondere sind für ihn neben dem Auditing (Prüfungsfeststellungen) die Anforderungen der Klarheit und Verständlichkeit für die Nutzer von zentraler Bedeutung.

Das Anbieten von PDF-Downloads wird hier nicht ausreichend sein, um Zugangsbarrieren der Nutzer zu überwinden. Im Hinblick auf die Kosten der Informationsaufnahme durch den Nutzer kommt es bereits seitens der Sender von Informationen, also der die Berichte erstellenden Unternehmen, darauf an, die Zurverfügungstellung kostenmindernd zu organisieren. Der gedruckte Bericht ist dabei nicht das Mittel der Wahl, auch nicht, wenn er digital zur Verfügung gestellt wird. Sellhorn unterschied hier the roles of time, place and framing (die Rolle von Zeit, Ort und Rahmen): Wann und wo biete ich die Daten an, und wie gestalte ich den Zugriff? Der dabei verfolgte Anspruch der Berichtsersteller könnte unterschiedlicher nicht sein: Manche Unternehmen wollen nur compliant sein (also schlicht Vorschriften befolgen), andere wollen gruppenspezifische Nutzerbedürfnisse erfüllen, und wieder andere wollen sich auf diesem Weg selbst nachhaltiger aufstellen.

Der nachfolgende Referent Eisenhofer berichtete von financial.com, einem Betreiber von Informationssystemen, genutzt z.B. von Banken und anderen Institutionen. Kerngeschäft ist die Aufbereitung von ESG-Daten. Gemessen wird, welchen Einfluss ESG-Daten auf Entscheidungen der Investoren haben.

Richard Bössen von der Europäischen Beratungsgruppe für Finanzberichterstattung (EFRAG) versuchte, die Zuhörer auf eine Reise zur Berichterstattung mittels ESG-Datenpunkten mitzunehmen. Von Unternehmen erstellte Berichte fließen dann in die Systeme der Nutzer ein. Die XBRL-Taxonomie (nicht gleich EU-Taxonomie) bildet die Brücke zwischen Infos der Sender und denen, die Nutzer verarbeiten. Die gemäß ESRS strukturierte Datenaufbereitung soll helfen, Fehler zu vermeiden. Die Brückenfunktion wird über das sog. Tagging (Zuordnung von Aktivitäten bzw. Daten, analog zur Vorgehensweise bei den Finanzberichten) ausgefüllt. Kleinere Unternehmen könnten, so die Anregung von Bössen, die XBRL-Taxonomie nutzen, um die Berichtsinhalte zu erfassen, und zwar nur so weit, wie es für das jeweilige Unternehmen relevant ist. Ein Empfänger des Berichts soll die eingeflossenen Daten extrahieren können.

 

 

Praxishinweise:

  • Der letzte Satz von Bössen lässt aufhorchen: Danach wird die Möglichkeit geboten, die einer Gesamtaussage zugrunde liegenden Basisdaten nachverfolgen zu können. Das sollte aber, so die hier vertretene Meinung, noch kritisch hinterfragt werden: Natürlich beugt das dem Greenwashing („sich ein grünes Mäntelchen umhängen“) vor – aber will man, dass jeder Konkurrent den Datenzugriff hat? Oder jeder abgelehnte Bewerber?
  • Bekanntlich ist nicht alles, was technisch machbar ist, auch sinnvoll. Dies gilt umso mehr im neu ausgerufenen KI-Zeitalter. Auch in Frankfurt wurde vor einem Hype und zu viel Euphorie sowie unkritischer Technikgläubigkeit gewarnt.
  • Letzteres wurde bereits in dem Eröffnungsvortrag deutlich, in dem Dr. Jörg Müller-Lietzkow (Hafencity Universität Hamburg) darauf hinwies, dass die Fülle der täglich von jedem produzierten Daten mittlerweile unvorstellbar groß sei. KI-Anwendungen seien in der Handy-Nutzung bereits gelebte Praxis. Der zunehmend niedrigschwelligere Technologie-Einsatz befördere dies. Allerdings verlasse man sich oft auf KI-Ergebnisse, ohne deren Zustandekommen erklären zu können. Damit stehe dann auch die Möglichkeit von Kontrollverlusten im Raum. Er charakterisierte ein Überflussproblem: Alles überall auf einmal. Das Überangebot führe auch zur Überbedarfsdeckung. Die spannende Frage sei, wann wir KI nicht mehr von der humanen Intelligenz unterscheiden können: Werden wir ersetzt? Avatare (digitale Wesen mit menschenähnlichem Aussehen) könnten schon bald bessere Vorträge halten?
  • Klar dürfte sein oder zumindest bald jedem werden, dass KI völlig andere Denkweisen als heute erfordert. KI sei aber noch sehr verwundbar, da Algorithmen letztlich nur iterative (sich wiederholende) Anweisungsketten sind, die trainiert werden. Das Training könne aber – so wurde anlässlich des Forums gewarnt – selbstverständlich auch in die falsche Richtung gehen: Besteuerungs- und Verhaltensüberwachung sind vom Referenten Müller-Lietzkow genannte Beispiele. Die zielführende Antwort auf diese Warnung, das sei hier hinzugefügt, werden aber insbesondere Finanzexperten wie Bilanzbuchhalter und Controller nicht in der Technikverweigerung finden können, sondern nur im Bestreben um Technikbeherrschung.

 

Dr. Hans-Jürgen Hillmer, BuS-Netzwerk Betriebswirtschaft und Steuern, Coesfeld

 

 

BC 7/2024

BC20240706

 

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