BFH-Urteile vom 16.5.2013, VI R 94/10; VI R 7/11
Betriebsveranstaltungen wie Sommerfeste oder Weihnachtsfeiern sollen das Betriebsklima fördern. Sind die Ausgaben für derartige Veranstaltungen jedoch zu hoch, liegt unter Umständen ein steuerpflichtiger Arbeitslohn für die teilnehmenden Arbeitnehmer vor. Der BFH hat sich in zwei aktuellen Urteilen mit der Thematik befasst und dabei seine bisherige Rechtsprechung teilweise aufgegeben.
Praxis-Info!
Problemstellung
Übersteigen die Kosten einer Betriebsveranstaltung die Freigrenze von 110 € (brutto) pro Person, so sind die Zuwendungen des Arbeitgebers in vollem Umfang als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu werten (R 19.5 Abs. 4 Satz 2 LStR). Umstritten ist, welche Kosten in die Berechnung einfließen müssen und ob auf Begleitpersonen (z. B. Ehepartner) entfallene Aufwendungen den jeweiligen Mitarbeitern zuzurechnen sind.
Lösung
In seinen beiden Urteilen hat der BFH eine Reihe neuer Leitsätze zu der Thematik „Zuwendungen aus Anlass einer Betriebsveranstaltung als Arbeitslohn“ aufgestellt. Die entscheidenden Punkte sind:
- Zuwendungen eines Arbeitgebers aus Anlass einer Betriebsveranstaltung sind bei Überschreiten einer Freigrenze (zurzeit 110 € brutto) als Arbeitslohn zu beurteilen und in der Regel zu gleichen Teilen sämtlichen Teilnehmern zuzurechnen.
- Bei der Ermittlung der Gesamtkosten sind nur solche Kosten zu berücksichtigen, die zu einer objektiven Bereicherung der Teilnehmer führen, d.h. nur Kosten für Leistungen, welche die Teilnehmer unmittelbar konsumieren können. Hierunter fallen Kosten für Speisen, Getränke und Entertainment (z. B. Musikdarbietungen, Kabarett). Kosten für die Ausgestaltung der Betriebsveranstaltung, wie z. B. Raumiete, Kosten für die organisatorische Tätigkeit des Eventveranstalters etc., sind dagegen nicht zu berücksichtigen. Dies stellt eine Abkehr von der bisherigen BFH-Rechtsprechung dar.
- Die gesamten, arbeitslohnfähigen Kosten sind auf die Teilnehmer zu gleichen Teilen aufzuteilen, es sei denn, die Kosten sind individualisierbar. Der auf Familienangehörige entfallende Aufwand ist den Arbeitnehmern bei der Berechnung, ob die Freigrenze überschritten wurde, nicht zuzurechnen. Auch dies ist eine Abkehr von der bisherigen BFH-Rechtsprechung.
Teilweise werden Firmenveranstaltungen, soweit sie extern durchgeführt werden, als Pauschalbetrag in Rechnung gestellt. Hier hat künftig – unter Umständen im Wege einer Schätzung – eine Aufteilung des Gesamtbetrags in arbeitslohnfähige und nicht arbeitslohnfähige Kosten zu erfolgen. Bei Veranstaltungen in Restaurants etc. ist es zweckmäßig, eine separate Raummiete zu vereinbaren und dafür die Kosten für Speisen und Getränke zu senken. Zu den nicht arbeitslohnfähigen Aufwendungen dürften beispielsweise auch die für den Ablauf der Veranstaltung erforderlichen Fahrtkosten (Hin- und Rücktransport der Gäste) zählen, da hier keine sog. „objektive Bereicherung der Teilnehmer“ bzw. kein unmittelbarer Konsum vorliegt. Haben hingegen die An- und Rückreise Unterhaltungscharakter, liegen „arbeitslohnfähige“ Zuwendungen vor. Dies ist auch bei den Kosten einer Schifffahrt anlässlich eines Betriebsausflugs der Fall. Der BFH spricht in seinem Urteil davon, dass der auf Familienangehörige entfallende Anteil der Gesamtkosten nicht den Arbeitnehmern zuzurechnen ist. Strittig könnte sein, ob dies ebenso für anderweitige Begleitung (z. B. Freunde) gilt. Der BFH spricht in seinem Urteil (VI R 7/11) jedoch generell von Begleitpersonen, die keinen Eingang in die Berechnung finden sollten (entgegen seiner früheren Auffassung). Hierunter könnten durchaus auch Freunde zählen; diese dürften den Arbeitnehmern bei der Berechnung der Freigrenze nicht als eigener Vorteil zugerechnet werden. Im Klartext: Der Gesamtbetrag ist auch auf die Familienangehörigen der Arbeitnehmer, sofern diese an der Veranstaltung teilgenommen haben, aufzuteilen. Individualisierbare Kosten sind einzelnen Personen zuzurechnen. Veranstaltet z. B. ein Unternehmen eine Weihnachtsfeier für Arbeitnehmer und deren Kinder, sind die Kosten für Kinderanimation oder alkoholische Getränke, soweit einzeln ermittelbar, nur auf die erwachsenen Teilnehmer aufzuteilen. Aus dem BFH-Urteil (VI R 7/11) geht auch hervor, dass Absagen von Teilnehmern mindernd bei der Ermittlung der Gesamtkosten zu berücksichtigen sind. Beispiel: 100 Arbeitnehmer sagen ihre Teilnahme an einer Betriebsveranstaltung zu. Der Arbeitgeber bestellt daraufhin ein Buffet für eine entsprechende Teilnehmerzahl. Tatsächlich erscheinen zu der Veranstaltung aber nur 60 Arbeitnehmer. Die auf die Teilnehmer umzulegenden Buffetkosten dürfen in diesem Falle um die auf die 40 nicht erschienenen Teilnehmer entfallenden Kosten gesenkt werden.
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Der geldwerte Vorteil unterliegt der pauschalen Besteuerung mit einem Steuersatz von 25% (§ 40 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG). Dies bringt folgende Vorteile mit sich:
- Nichterfassung des Arbeitslohns im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Arbeitnehmers; hierdurch kann vermieden werden, dass durch die Versteuerung nach den allgemeinen Vorschriften etwaige außersteuerliche Vorteile (z. B. Arbeitnehmer-Sparzulage) wegen Überschreitens der Einkommensgrenzen verloren gehen,
- Beitragsfreiheit in der Sozialversicherung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SvEV – Sozialversicherungsentgeltverordnung).
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Operational Risk Manager Corporate Finance, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 11/2013
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