CHB_RSW_Logo_mit_Welle_trans
JuS_Logobasis_Linsenreflex
Menü

News & Beiträge

Regelmäßige Arbeitsstätten bei Bauausführungen oder Montagen?

Christian Thurow

BFH-Urteil vom 11.7.2013, VI R 62/12

 

Bei Bauausführungen und Montagen handelt es sich (gemäß § 12 Satz 2 Nr. 8 AO) um Betriebsstätten, wenn sie über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten bestehen. Doch handelt es sich auch lohnsteuerlich um eine regelmäßige Arbeitsstätte? Nicht unbedingt, wie der BFH in seinem am 4.12.2013 veröffentlichten Urteil verdeutlicht.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Ein Maurer nahm an einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme teil. Die Maßnahme mit dem Titel „Wohnumfeldgestaltung im Feriendorf XY” fand in einem im Wald liegenden Feriendorf statt.

Finanzamt und erstinstanzliches Finanzgericht stimmten darin überein, dass es sich bei dem Feriendorf um die regelmäßige Arbeitsstätte des Maurers gehandelt hat. Gemäß § 12 Satz 2 Nr. 8 AO sind Bauausführungen und Montagen als Betriebsstätten anzusehen, wenn sie länger als sechs Monate dauern. Diese Voraussetzungen waren bei dem Feriendorf gegeben. § 12 Satz 2 AO erweitere die Definition der Betriebsstätte, weshalb die Voraussetzungen des Satzes 1 („Betriebstätte ist jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient“) nicht, wie vom Kläger behauptet, erfüllt sein müssen.

 

 

Lösung

Der BFH widerspricht in seinem Urteil der Ansicht von Finanzamt und Finanzgericht. Entgegen deren Auffassung stellen Bauausführungen oder Montagen keine regelmäßige Arbeitsstätte (im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG) dar. Zwar kann auch eine Betriebsstätte zur regelmäßigen Arbeitsstätte werden, doch muss es sich dann um eine dauerhafte betriebliche Einrichtung handeln, welche die Voraussetzungen des § 12 Satz 1 AO erfüllt. Zur Erfüllung dieser Voraussetzungen verweist der BFH auf sein Urteil vom 8.6.2008 (I R 30/07).

 

 

BFH-Urteil vom 8.6.2008 (I R 30/07): 

„Eine Betriebsstätte i.S. von § 12 Satz 1 AO erfordert, dass der Unternehmer eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht über die von ihm genutzte Geschäftseinrichtung oder Anlage hat.” (Leitsatz)

Eine solche nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht besteht nur dann, wenn der Arbeitgeber eine Rechtsposition innehat, die ohne seine Mitwirkung nicht mehr ohne Weiteres entzogen bzw. verändert werden kann.

 

 

Das Finanzgericht ist von anderen Voraussetzungen ausgegangen und hat diesen Gesichtspunkt unberücksichtigt gelassen. Der Fall wird daher zur Aufklärung des Sachverhalts an das Finanzgericht zurückgewiesen. Dieses hat nun anhand der genannten Grundsätze zu prüfen, ob es sich bei dem Feriendorf um eine betriebliche Einrichtung handelt. Ist dies nicht der Fall, so können Fahrtkosten in voller Höhe berücksichtigt werden.

 

 

Praxishinweise:

  • Eine Schwierigkeit besteht darin, dass der Arbeitnehmer den Umfang der Verfügungsmacht seines Arbeitgebers über die Bauausführung bzw. Montage kennen muss, um abschließend eine Einordnung als regelmäßige Arbeitsstätte treffen zu können.
  • Bei Bauausführungen und Montagen wird allerdings der Bauunternehmer regelmäßig eine nur vorübergehende Verfügungsmacht innehaben. In solchen Fällen stellen Bauausführungen und Montagen keine regelmäßige Arbeitsstätte dar.
  • Ab dem Jahr 2014 wird (durch das neue lohnsteuerliche Reisekostenrecht) der bisherige Begriff der „regelmäßigen Arbeitsstätte” durch den neuen Begriff „erste Tätigkeitsstätte” ersetzt und erstmals gesetzlich definiert (§ 9 Abs. 4 EStG i.d.F. für 2014). Für die Bestimmung der ersten Tätigkeitsstätte sind demnach die arbeits- oder dienstrechtlichen Festlegungen durch den Arbeitgeber vorrangig. In Betracht kommen z.B. Regelungen im Arbeitsvertrag, im Tarifvertrag, in Protokollnotizen, dienstrechtliche Verfügungen, Einsatzpläne, Reiserichtlinien, Reisekostenabrechnungen, der Ansatz eines geldwerten Vorteils für die Nutzung eines Firmenwagens für die Fahrten zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte oder vom Arbeitgeber als Nachweis seiner Zuordnungsentscheidung vorgelegte Organigramme. Auch außerbetriebliche Einrichtungen können erste Tätigkeitsstätten sein. Der Arbeitgeber ist allerdings nicht befugt, arbeits- oder dienstrechtlich festzulegen, dass der Arbeitnehmer keine erste Tätigkeitsstätte hat (Negativfestlegung). Er kann jedoch darauf verzichten, eine erste Tätigkeitsstätte arbeits- und dienstrechtlich festzulegen, oder ausdrücklich erklären, dass organisatorische Zuordnungen steuerlich keine erste Tätigkeitsstätte begründen sollen. In einem solchen Fall werden hilfsweise quantitative Kriterien herangezogen (siehe unten).

 

 

Fehlt es an einer dauerhaften Zuordnung des Arbeitnehmers zu einer betrieblichen Einrichtung durch dienst- oder arbeitsrechtliche Festlegung oder ist sie nicht eindeutig, ist erste Tätigkeitsstätte die betriebliche Einrichtung, an der der Arbeitnehmer

– typischerweise arbeitstäglich oder

– je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit

dauerhaft (= unbefristet, für die gesamte Dauer des Dienstverhältnisses oder über 48 Monate hinaus) tätig werden soll (§ 9 Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. für 2014). Weitere Voraussetzung ist: Der Arbeitnehmer muss an der betrieblichen Einrichtung seine eigentliche berufliche Tätigkeit ausüben. Allein ein regelmäßiges Aufsuchen der betrieblichen Einrichtung, z.B. um ein Kundendienstfahrzeug, Material, Auftragsbestätigungen, Stundenzettel, Krankmeldungen o. Ä. abzuholen oder abzugeben, führt hier noch nicht zu einer Qualifizierung der betrieblichen Einrichtung als erste Tätigkeitsstätte. Entscheidend ist der Umfang der an der Tätigkeitsstätte zu leistenden arbeitsvertraglichen Arbeitszeit:

  • mindestens 1/3 der vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit oder
  • zwei volle Arbeitstage wöchentlich oder arbeitstäglich.

Darüber hinaus sind die aufgeführten zeitlichen (= quantitativen, nicht qualitativen) Merkmale durch eine in die Zukunft gerichtete Prognoseentscheidung zu beurteilen. Weichen die tatsächlichen Verhältnisse durch unvorhersehbare Ereignisse (wie z.B. Krankheit) hiervon ab, bleibt es dennoch bei der zuvor getroffenen Prognoseentscheidung bezüglich der Festlegung der ersten Tätigkeitsstätte.

 

 

Beispiel:

Ein Kundendienstmonteur, der keiner betrieblichen Einrichtung seines Arbeitgebers dauerhaft zugeordnet ist, wartet und repariert die Geräte regelmäßig unmittelbar beim Kunden. Einige Geräte lassen sich allerdings nur in der Werkstatt im Betrieb seines Arbeitgebers instand setzen. Er ist daher auch zehn Stunden wöchentlich (wöchentliche Arbeitszeit = 38,5 Stunden) im Betrieb seines Arbeitgebers tätig.

 

Ergebnis:

Der Kundendienstmonteur hat keine erste Tätigkeitsstätte, da er nicht mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit im Betrieb seines Arbeitgebers tätig wird.

[Quelle: Plenker, BC 2013, 142, Heft 4]

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Operational Risk Manager Corporate Finance, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 1/2014

becklink353129

Rubriken

Anzeigen

BC Newsletter

beck-online Bilanzrecht PLUS

wiwicareer-vahlen

Teilen

Menü