BFH-Urteil vom 23.1.2013, XI R 25/11
Widerspricht der Empfänger einer Gutschrift dem ihm übermittelten Abrechnungsdokument, verliert die Gutschrift die Wirkung einer zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnung auch dann, wenn die Gutschrift den zivilrechtlichen Vereinbarungen entspricht und die Umsatzsteuer zutreffend ausweist. Es genügt, dass der Widerspruch eine wirksame Willenserklärung darstellt.
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Problemstellung
Eine GmbH, die den An- und Verkauf von Edelmetallen und edelmetallhaltigen Abfällen betreibt, erhielt im Januar und Februar 2009 von einem Lieferanten 14 Warensendungen. Die beiden Geschäftspartner schlossen am 9.1.2009 eine Gutschriftenvereinbarung ab, in der beide Seiten „bis auf Widerruf“ Folgendes festlegten: Jegliche Vergütung durch die GmbH (als Warenempfänger) solle mittels Gutschrift erfolgen, bei der die gesetzliche Umsatzsteuer auszuweisen sei.
Als die letzte Gutschriftenabrechnung der GmbH am 10.2.2009 ergangen war, vermerkte der Lieferant handschriftlich auf der Gutschriftenvereinbarung (vom 9.1.2009), dass er allen Gutschriften widerspreche und der geltend gemachte Vorsteuerabzug berichtigt werden solle. Ein Exemplar dieses Widerrufs sandte er per Telefax am 10. oder 11.2.2009 an den Warenempfänger (die GmbH); ein weiteres ging an das Finanzamt (Eingang 12.2.2009) zur Kenntnisnahme.
Das Finanzamt berichtigte daraufhin die Festsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung für Februar 2009 und forderte Vorsteuern in entsprechender Höhe zurück.
Mit ihrem Einspruch machte die GmbH (Gutschriftenaussteller) die Vorsteuer geltend. Der Lieferant (Gutschriftenempfänger) habe die an ihn gezahlte Umsatzsteuer nicht zurückgezahlt. Falls er über die Lieferungen Rechnungen erteilt hätte, hätten diese inhaltlich den vorliegenden Gutschriften entsprechen müssen.
Lösung
Das Finanzamt hat zu Recht den zunächst gewährten Vorsteuerabzug rückgängig gemacht hat, weil der Lieferant der GmbH (Warenempfänger) den ihm erteilten Gutschriften für die Lieferungen, die er in den Monaten Januar und Februar 2009 ausgeführt hatte, mit seinem Schreiben vom 10.2.2009 wirksam widersprochen hat.
Die Rechnung kann (gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG) für eine Lieferung oder sonstige Leistung auch von einem Leistungsempfänger, der Unternehmer oder eine nichtunternehmerische juristische Person ist, im sog. Gutschriftverfahren ausgestellt werden, sofern dies vorher vereinbart wurde. Die Gutschrift verliert (nach § 14 Abs. 2 Satz 3 UStG) die Wirkung einer Rechnung, sobald der Empfänger der Gutschrift dem ihm übermittelten Dokument widerspricht. Aus einer Gutschrift, die ihre Wirkung als Rechnung verloren hat, kann kein Recht zum Vorsteuerabzug (nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG) begründet werden.
Die Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 3 UStG gilt nicht nur für den Fall einer unrichtigen Gutschrift, sondern auch bei einem Widerspruch gegen eine zutreffende Gutschrift. Die zivilrechtliche Befugnis zur Rechnungsberichtigung (Gutschriftenempfänger hat die an ihn gezahlte Umsatzsteuer nicht zurückgezahlt) ist hierbei umsatzsteuerrechtlich nicht von Belang.
Ein Widerspruch gegen den Steuerausweis in einer Gutschrift ist auch dann wirksam, wenn die Gutschrift sowohl den zivilrechtlichen Vereinbarungen entspricht als auch die Umsatzsteuer zutreffend ausweist. Auch war die Vereinbarung vom 9.1.2009 ausdrücklich nur „bis auf Widerruf“ abgeschlossen worden.
Damit der Gutschriftenaussteller die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs aus „seiner“ Abrechnung hat, muss die Gutschrift dieselben Pflichtangaben erfüllen, wie sie für ausgestellte Rechnungen (gemäß §§ 14, 14a UStG) gelten (z.B. Steuernummer, Ausstellungsdatum, Rechnungs- bzw. Gutschriftennummer, Steuersatz, Entgelt usw.). Die Vorsteuerabzugsregelung in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG macht hier keinerlei Unterschiede. Bei fehlenden Abrechnungs-Voraussetzungen – auch solchen im Bereich des Leistenden – trägt der Gutschriftenaussteller (Leistungsempfänger) in vollem Umfang das Risiko der Versagung des Vorsteuerabzugs; der Gutschriftenaussteller kann sich nicht auf den Gutglaubensschutz berufen. Wird zwischen dem Leistungsempfänger und dem Lieferanten vereinbart, der Leistungsempfänger solle – abweichend vom Regelfall (Ausstellung einer Rechnung durch den Lieferanten) – die Abrechnungen (gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG) für den Lieferanten übernehmen, empfiehlt sich für den Leistungsempfänger folgende Vorgehensweise: Mit Blick auf eventuelle Mängel in der Geschäftsabwicklung sollte er zunächst das Entgelt zurückbehalten, um im Falle eines Falles den Lieferanten zur Ausstellung einer Rechnung (im Sinne des § 14 Abs. 4 UStG) veranlassen zu können. Damit käme der Leistungsempfänger dann auf diesem Weg zu seinem Recht auf Vorsteuerabzug (nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG). Das vom Bundestag am 28.2.2013 beschlossene Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG), also das Nachfolgegesetz zum Jahressteuergesetz 2013, enthält eine neue Bestimmung zu „Gutschriften“. Gemeint sind auch hier Fälle, in denen ausnahmsweise der Leistungsempfänger über die an ihn erbrachte Leistung in Form einer Gutschrift abrechnet. Bei einer derartigen Abrechnung muss künftig die Bezeichnung „Gutschrift“ auf der Rechnung angebracht werden. Folglich darf bei Preisminderungen, falscher Preisberechnung, Mängeln des Liefergegenstands und/oder verspäteter Lieferung künftig nicht mehr der Begriff „Gutschrift“ verwendet werden, wie dies bislang in der Praxis üblich war. Bereits heute ist den Unternehmen zu empfehlen, klar zu verdeutlichen, wer Rechnungsersteller und Rechnungsempfänger ist. Das AmtshilfeRLUmsG ist noch nicht verabschiedet; es wird am 22.3.2013 im Bundesrat beraten.
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[Anm. d. Red.]
BC 4/2013
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