FG Schleswig-Holstein, Urteil vom 7.6.2012, 1 K 130/09
- Wechselkursschwankungen bei Fremdwährungsverbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als 10 Jahren gelten als ausgeglichen.
- Die vom Bundesfinanzhof (BFH) geschaffenen Grundsätze zu Teilwertabschreibungen bei Aktienkursverlusten, wenn der Börsenwert zum Bilanzstichtag unter denjenigen im Zeitpunkt des Aktienerwerbs gesunken ist und der Kursverlust die Bagatellgrenze von 5% der Notierung bei Erwerb überschreitet, dürfen nicht auf die Bewertung von Fremdwährungsverbindlichkeiten übertragen werden.
[Leitsatz d. Red.]
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Problemstellung
Im Ausgangsfall finanzierte eine GmbH mehrere Immobilienobjekte in Deutschland über auf Schweizer Franken (CHF) laufende Kredite. Durch eine negative Wechselkursentwicklung zwischen DM/CHF kam es im Jahresabschluss 2000 zu einer bilanziellen Überschuldung. Die alleinige Muttergesellschaft der GmbH führte daraufhin eine Teilwertabschreibung auf den Erinnerungswert (1 DM) durch.
Die Teilwertabschreibung wurde vom Finanzamt nicht anerkannt, wobei das Einspruchsverfahren bis zum Abschluss eines in der Sache relevanten BFH-Verfahrens (Urteil von 23.4.2009, IV R 62/06) ruhte. In dem Urteil führt der BFH aus: Bei Fremdwährungsverbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit von mehr als 10 Jahren sei von einem Ausgleich der Wechselkursschwankungen auszugehen. Insofern kommt eine Teilwertabschreibung nicht in Betracht. Da die Darlehen der GmbH eine Laufzeit von mehr als 10 Jahren hatten, lehnte das Finanzamt die Teilwertabschreibung der Beteiligung ab.
Hiergegen erhob die Muttergesellschaft Klage, in welcher vor allem die folgenden drei Argumente angeführt wurden:
- Es bestand eine Nachsicherungspflicht, bei welcher der Kreditnehmer bei einer entsprechenden Aufwertung der Währung zur Stellung weiterer Sicherheiten verpflichtet war. Kommt der Darlehensnehmer der Nachsicherung nicht nach, ist der Darlehensgeber zur Konvertierung und sofortigen Fälligstellung berechtigt. Die vereinbarte Nachbesicherungsschwelle wurde im Jahr 2000 überschritten. Mangels eigener Nachbesicherungsmöglichkeiten wurden von einem Aktionär der Muttergesellschaft entsprechende Sicherheiten gestellt.
- Auf Ebene der Tochtergesellschaft wurde die Erfassung der Verluste aus der Wechselkursänderung bei einer steuerlichen Betriebsprüfung nicht beanstandet.
- Laut dem BFH-Urteil vom 21.9.2011 (I R 89/10 – siehe hier) berechtigen Aktienkursverluste von mehr als 5% zu einer Teilwertabschreibung. Da sich im Jahr 2000 der DM/CHF-Wechselkurs um mehr als 5% geändert hat, sei hier eine Teilwertabschreibung ebenfalls zulässig.
Lösung
In seiner Urteilsbegründung entkräftet das FG Schleswig-Holstein die Argumente des Klägers. Die Urteilsbegründung ist dabei durchaus kritisch zu betrachten (siehe tabellarische Aufstellung).
Argumentation Kläger | Gegenargument FG Schleswig-Holstein | Kommentar/Konsequenzen für Bilanzierende |
Nachbesicherungspflicht | Pflicht zur Stellung angemessener Kreditsicherheiten ist üblich und ohne Bedeutung für die Bewertung des Kredits. Der Nachweis einer konkreten Gefahr einer Fälligstellung der Kredite wurde nicht erbracht. | Zunächst ist zweifelhaft, ob die Höhe der Kreditsicherheiten wirklich ohne Bedeutung für die Bewertung des Kredits ist. Kapitalmarkttheoretisch sinkt durch eine höhere Sicherheit der sog. loss given default (Verlust im Falle eine Zahlungsausfalls), was sehr wohl Auswirkungen auf die Bewertung eines Kredits hat. Auch die Forderung des Gerichts, die konkrete Gefahr einer Fälligstellung zu beweisen, erscheint wenig praxisnah. Bei der Nachsicherungspflicht handelt es sich um eine Kondition im Kreditvertrag (sog. Financial Covenant). Ein Kreditnehmer ist gut beraten, im Rahmen eines aktiven Financial Covenant Managements frühzeitig mit dem Gläubiger über eine Lösung von möglichen Verletzungen dieser Covenants zu verhandeln. Solch ein aktives Management bewirkt aber, dass eine Fälligstellung gerade nicht zur konkreten Bedrohung wird. Insofern ist die Forderung des Gerichts nur dann zu erfüllen, wenn man seine Pflichten als ordentlicher Kaufmann verletzt und bis zur Androhung der Fälligstellung wartet. |
Keine Beanstandung der Bilanzierung auf Ebene der Tochtergesellschaft | Die Besteuerung der Tochter ist für die Bewertung der Finanzanlage der Mutter ohne Bedeutung. Eine fehlerhafte Bilanzierung der Tochter stellt für sich genommen keinen wertrelevanten Umstand dar. | Hieraus folgt: Der Betriebsprüfungsbericht der Tochtergesellschaft führt zu keiner Rechtssicherheit auf Ebene der Muttergesellschaft. Obwohl auf Ebene der Tochtergesellschaft Bestandskraft erlangt wurde, können die Wertansätze auf Ebene des Beteiligungsansatzes vom Finanzamt korrigiert werden. |
BFH-Urteil vom 21.9.2011 bezüglich Aktienkursschwankungen | Das Urteil ist nicht auf Währungskurse übertragbar, u.a. weil bei der Kursbildung am Aktienmarkt eine Gesellschaft direkt bewertet wird, während der Wechselkurs nicht den Wert eines Fremdwährungskredites abbildet. | Das BFH-Urteil kann nicht auf die Bewertung von Fremdwährungsverbindlichkeiten übertragen werden. |
Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Operational Risk Manager Corporate Finance, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
Bilanzierungsfragen im BC-Weblog: In seinem Diskussionsbeitrag im BC-Weblog geht der Autor (Christian Thurow) davon aus, dass bei einer drohenden Verletzung von Financial Covenants eine langfristige Kreditverbindlichkeit in kurzfristige Verbindlichkeiten umgegliedert werden sollte, wenn eine vorzeitige Fälligstellung des Kredits beispielsweise schon im nächsten Jahr droht. Hierzu stellt er wichtige Bilanzierungsfragen, die im Falle einer solchen Umgliederung zu beachten sind. Lesen Sie dazu mehr zum Thema „Drohende Financial-Covenant-Verletzung: Auswirkungen auf die Bilanzierung von Kreditverbindlichkeiten“ – hier, und/oder teilen Sie Ihre Erfahrungen bzw. Meinung mit. |
BC 10/2012
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