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Bilanzsteuerliche Beurteilung von ERP-Software

BC-Redaktion

IHK-Steuerinfo vom Juli 2005,

BStBK KammerReport 08-2005

 

Nachdem Bund und Länder zu Beginn dieses Jahres über die bilanzsteuerliche Behandlung von Aufwendungen für neue Softwaresysteme verhandelt haben (vgl. auch BC 5/2005, S. VIII), hat hierzu zwischenzeitlich das Bundesfinanzministerium den „Entwurf eines BMF-Schreibens zur bilanzsteuerlichen Beurteilung von Aufwendungen zur Einführung eines neuen Softwaresystems „ERP-Software“ (IV B 2 – S 2172 – 18/05) vorgelegt.

Aufgrund frühzeitiger Intervention der Wirtschaftsverbände (u. a. DIHK, Bundesteuerberaterkammer) ist in dem Entwurf nunmehr eine Nutzungsdauer von 5 Jahren vorgesehen. Zwar ist damit die generelle Verlängerung der Nutzungsdauer auf 10 Jahre zunächst abgewendet worden. Allerdings soll der 5-Jahres-Zeitraum als Untergrenze festgelegt werden; eine längere Nutzungsdauer kann insbesondere bei Vorliegen eines Wartungsvertrages angenommen werden.

Weitere wichtige Punkte des BMF-Schreibens sind:

  • Bei ERP-Software handelt es sich um Standardsoftware, die bei entgeltlichem Erwerb ein aktivierungspflichtiges immaterielles Wirtschaftsgut des Anlagevermögens darstellt.
  • Die Implementierung der ERP-Software macht diese nicht generell zu einer Individualsoftware (kein Herstellungsvorgang); sowohl Implementierungskosten [zur Herstellung der Betriebsbereitschaft, Anm. d. Red.] als auch Planungskosten und Eigenleistungen zählen zu den Anschaffungsnebenkosten, sofern sie in direktem Zusammenhang mit der Anschaffung stehen und einzeln zugeordnet werden können.
  • Wird das Softwaresystem selbst hergestellt, stellen die Aufwendungen sofort abziehbare Betriebsausgaben dar; gleiches gilt für Aufwendungen für Erweiterung oder wesentliche Verbesserung.
  • Beispielhafter Katalog sofort abziehbarer Betriebsausgaben (Vorkosten, Aufwendungen für Anwenderschulung, Wartungskosten).
  • Die Abschreibung beginnt mit der Betriebsbereitschaft des Wirtschaftgutes und damit mit dem Abschluss der Implementierung.
  • Ausführungen zu Leasingmodellen, wenn Leasinggegenstand ein Softwaresystem ist.

 

 

Praxis-Info!

 

Bei ERP-Software (Enterprise Ressource Planning) handelt es sich um vollständig integrierte unternehmensübergreifende Softwarelösungen für Fertigung, Finanzen, Logistik, Personal, Vertrieb u. a. Nach Auffassung der Bundessteuerberaterkammer ist für die Aktivierungsfähigkeit von ERP-Software entscheidend, ob eine Anschaffung oder Herstellung vorliegt. Es muss daher eine ausreichende Differenzierung zwischen den durch Erwerb entstandenen Anschaffungskosten und den als Eigenleistungen nicht zu aktivierenden Herstellungskosten gemacht werden.

Nicht ausreichend berücksichtigt wurde in dem genannten BMF-Entwurfsschreiben der häufige Praxisfall, wenn eine erworbene Standardsoftware durch Anpassung an die betrieblichen Bedürfnisse umfangreich modifiziert wird (Bearbeitungen und Ergänzungen in der Standardkonfiguration): In diesem Fall ist von einer Wesensänderung der Standardsoftware auszugehen, die über die Versetzung in die Betriebsbereitschaft hinausgehen, weil sie z.B. zusätzliche Funktionalitäten wie Auswertungen oder Abfragemöglichkeiten etc. bereitstellen. Solche Aufwendungen sollten eigentlich nicht als Teil der Anschaffungskosten aktiviert werden. Zu beurteilen wäre, ob eine Erweiterung oder wesentliche Verbesserung vorliegt. Ist dies zu bejahen, müsste das Aktivierungsverbot für selbsterstellte Software beachtet werden:

  • Liegt das wirtschaftliche Risiko einer erfolgreichen Realisierung der Erweiterungs- oder Verbesserungsmaßnahmen beim Softwareanwender, handelt es sich um nicht aktivierbare nachträgliche Herstellungskosten.
  • Trägt ein Dritter das Herstellungsrisiko, liegen in Bezug auf die Maßnahmen zur Erweiterung oder Verbesserung aktivierungspflichtige (nachträgliche) Anschaffungskosten vor.

Eigenleistungen (z.B. innerbetriebliche Personalkosten) sollen laut dem Entwurf des BMF-Schreibens zu den Anschaffungsnebenkosten gehören. Die Kosten der Implementierung entgeltlich erworbener Software gehören jedoch nur dann zu den Anschaffungskosten, soweit sie durch den Veräußerer und nicht vom Unternehmer selbst durchgeführt werden. Personalkosten, die für die interne Bereitstellung oder Durchführung anfallen, sind – mangels fehlender Wertbeständigkeit am Markt – sofort abziehbare Betriebsausgaben. Ausschließlich die Aufwendungen, welche erforderlich sind, um Mitarbeiter zu befähigen, das zur Herstellung der Betriebsbereitschaft erforderliche Customizing zu unterstützen, könnten den Anschaffungsnebenkosten ggf. zugeordnet werden.

Unter die genannten Vorkosten sollen offensichtlich nicht die Planungskosten fallen, die Aufwendungen für die Analyse der Geschäftsprozesse umfassen und zum Erkennen und Bewerten von Beschaffungsalternativen erforderlich sind (Entscheidungsfindung). Bei diesen Aufwendungen handelt es sich allerdings im Grunde genommen nicht um Bestandteile der Anschaffungsnebenkosten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Erwerb oder der Herstellung der Betriebsbereitschaft der Software stehen. Vielmehr sind sie als Beratungskosten den sofort abziehbaren Betriebsausgaben zuzuordnen, die dem Anschaffungsvorgang vorgelagert sind.

Der Beginn des Abschreibungszeitraums von ERP-Software soll sich gemäß dem BMF-Entwurf an der Betriebsbereitschaft orientieren, die mit dem Abschluss der Implementierung zusammenfällt. Unklar ist, inwieweit Testläufe und/oder Piloteinsätze in die Implementierungsphase fallen. Während Testläufe eine häufig notwendige Voraussetzung dafür sind, die erworbene Software in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, gilt dies für Piloteinsätze nicht, da die Software bereits in einem überwiegenden Maß der eigentlichen betrieblichen Leistungserstellung dient bzw. dienen könnte.

Nach wie vor strittig ist die Festlegung der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer von ERP-Softwaresystemen auf 5 Jahre, da in der Praxis für Software aufgrund der sehr hohen Innovationsgeschwindigkeit überwiegend eine Nutzungsdauer von 3 Jahren zugrunde gelegt wird (vgl. auch F.A.Z. vom 1.8.2005). Nicht nachvollziehbar ist insbesondere, weshalb für ERP-Software im Vergleich zu ähnlich komplexer Software (wie z.B. CRM) eine längere Abschreibungsdauer zur Anwendung kommen soll. Darüber hinaus steht eine kürzere Abschreibungsdauer auch im Einklang mit internationalen Gepflogenheiten. So kann in den USA Software über 3 Jahre sowie in Frankreich über 12 Monate abgeschrieben werden.

 

 

 

Praxishinweis zur Bilanzierung:

Zur Frage der Aktivierung von ERP-Software hat die von den BC-Autoren Spohn und Peter (vgl. BC 5/2005, S. 97 ff.) vertretene Auffassung mittlerweile zunehmend in die derzeit geführte Fachdiskussion Eingang gefunden. Die BC-Autoren fordern eine sorgfältige und konsequente Unterscheidung zwischen Anschaffungs- und Herstellungsvorgang: Demnach lassen sich sämtliche Aufwendungen im Zusammenhang mit der Einführung von Softwaresystemen – auch die für den Lizenzerwerb – HGB-konform als sonstige betriebliche Aufwendungen erfassen.

Begründung: Eine ERP-Software (z.B. SAP/R3) werde häufig lediglich als „Rohling“ angeschafft, der erst später an die unternehmensspezifischen Verhältnisse – mit zum Teil sehr hohem Implementierungsaufwand – angepasst werden muss. Der Herstellungsvorgang eines selbsterstellten immateriellen Vermögensgegenstandes unterliegt schließlich handelsrechtlich – im Unterschied zu den IAS/IFRS – dem Aktivierungsverbot.

Die vorliegenden Stellungnahmen der Fachverbände zum BMF-Entwurfsschreiben (u. a. DIHK, Bundessteuerberaterkammer und Institut der Wirtschaftsprüfer) deuten jedoch darauf hin, dass sich die konsequente Auffassung von Spohn/Peter nicht durchsetzen wird.

 

[Anm. d. Red.]

 

BC 8/2005

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