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Rückstellungen für Kostenüberdeckungen

Christian Thurow

BFH-Urteil vom 6.2.2013, I R 62/11

 

Verschiedene öffentlich-rechtliche Betriebe arbeiten auf Grundlage des Kostendeckungsprinzips. Dies bedeutet: Die erhobenen Entgelte sollen lediglich die Kosten decken; ein Gewinn darf nicht erwirtschaftet werden. Liegen die Einnahmen über den Kosten, entsteht eine sog. Kostenüberdeckung. Fraglich ist, wie diese bilanziell zu behandeln ist.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Im Rahmen der öffentlichen Wasserversorgung kam es in der Preiskalkulationsperiode 2003 bis 2006 bei einem Wasserversorger zu einer Kostenüberdeckung. Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 SächsKAG (Sächsisches Kommunalabgabengesetz) war der Wasserversorger verpflichtet, die Überdeckung in den folgenden fünf Jahren auszugleichen. Daraufhin bildete das Versorgungsunternehmen eine Rückstellung für Kostenüberdeckung. Diese wurde vom Finanzamt nicht anerkannt.

 

 

Lösung

Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) liegt bei einer Kostenüberdeckung eine rückstellungsfähige ungewisse Verbindlichkeit vor, wenn das Unternehmen zum Ausgleich der Überdeckung verpflichtet ist. Die Urteilsbegründung erfolgt anhand einer klaren Argumentationskette:

  1. Rückstellungen sind (gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB) für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden.
  2. Der Wasserversorger ist aufgrund landesrechtlicher Vorgaben dazu verpflichtet, auf Grundlage des Kostendeckungsprinzips zu kalkulieren und eine Kostenüberdeckung auszugleichen. Es besteht allerdings keine Verpflichtung des Versorgers, die Kostenüberdeckung an die Kunden der jeweiligen Kalkulationsperiode zurückzugeben. Der Ausgleich kann vielmehr in den nächsten fünf Jahren erfolgen.
  3. Die Bildung einer Rückstellung für eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung setzt eine hinreichende Konkretisierung voraus – sowohl in Bezug auf ein bestimmtes Handeln als auch in Bezug auf einen bestimmten Zeitraum. Dies ist im Ausgangsfall gegeben (Ausgleich der Überdeckung innerhalb der nächsten fünf Jahre).
  4. Für die Bildung der Rückstellung ist es unerheblich, dass infolge der Verrechnung der Kostenüberdeckung in der Preiskalkulation der nachfolgenden Periode nicht der Aufwand erhöht wird, sondern die Einnahmen vermindert werden.
  5. Bei der Kostenüberdeckung handelt es sich nicht um ein schwebendes Geschäft, da kein Erfüllungsrückstand vorliegt. Die Ausgleichsverpflichtung kommt in der Folgeperiode allen Kunden zugute, unabhängig davon, ob sie durch Entgeltzahlungen in der Vorperiode zu der Kostenüberdeckung wirtschaftlich beigetragen haben.
  6. Das Passivierungsverbot des § 5 Abs. 2a EStG 2002 kommt nicht zur Anwendung. Dieses setzt voraus, dass sich der Anspruch des Gläubigers nur auf künftiges Vermögen bezieht. An einer Belastung des aktuellen wirtschaftlichen Vermögens bei einer Rückgabe der Kostenüberdeckung durch eine entsprechende Preiskalkulation in der Folgeperiode besteht jedoch kein Zweifel.

Insofern ist laut BFH die Kostenüberdeckung als ungewisse Verbindlichkeit rückstellungsfähig. Allerdings weist der BFH auf zwei Punkte hin, die er mangels Sachverhaltsaufklärung des vorinstanzlichen Finanzgerichts nicht klären kann:

  • Fraglich ist, ob die Rückstellung erst zum Ende der Preiskalkulationsperiode (im Ausgangsfall die Jahre 2003 bis 2006) in einer Summe zu bilden ist oder bereits innerhalb der Preiskalkulationsperiode eine jährliche Zuführung zur Rückstellung zu erfolgen hat. Hierzu sind die landesrechtlichen Vorschriften vom Finanzgericht entsprechend auszulegen.
  • Unklar ist auch, ob die Kostenüberdeckung verzinslich ist. Sollte dies der Fall sein, ist die Rückstellung inklusive Zinsen zu bilden.

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Operational Risk Manager Corporate Finance, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 6/2013

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