Hessisches FG, Urteil vom 22.5.2013, 4 K 3070/11 (Revision eingelegt, Az. BFH: I R 50/13)
Für die Berechnung einer Pensionsrückstellung aufgrund einer vor Erlass der EStR 2008 (Einkommensteuerrichtlinien) erteilten Pensionszusage ist grundsätzlich der vertraglich vorgesehene Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls maßgeblich. Das heißt: Das vertraglich festgelegte Pensionseintrittsalter (hier: 65 Jahre bzw. 60 Jahre) ist zu berücksichtigen; die einzelvertraglichen Altersgrenzen haben somit Vorrang vor den Regelungen der EStR.
Die Annahme eines Pensionseintrittsalters von 67 Jahren aufgrund der EStR 2008 der Finanzverwaltung kommt dagegen nicht in Betracht.
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Problemstellung
In R 6a EStR werden umfangreiche Angaben zur Bildung von Pensionsrückstellungen gemacht. Diese Regelungen betreffen u.a. auch das zu unterstellende Mindestpensionsalter bei Gesellschafter-Geschäftsführern.
Eine GmbH erteilte ihrem im Jahr 1962 geborenen Geschäftsführer im Jahr 1993 eine Pensionszusage ab dem 65. Lebensjahr. Die Pensionszusage wurde im Jahr 1996 geändert: Demnach bestand bereits mit Erreichen des 60. Lebensjahres ein Anspruch auf Altersrente. Trotz dieser Änderung wurde für die Berechnung der Pensionsrückstellung bis zum Jahr 2008 weiter von einem Rentenalter von 65 Jahren ausgegangen.
Aufgrund der Änderungen der EStR im Jahr 2008 ist für den Veranlagungszeitraum 2009 zunächst – wie für Geburtsjahrgänge ab 1962 vorgesehen – ein Pensionseintrittsalter von 67 Jahren unterstellt worden (vgl. R 6a Abs. 8 EStR).
Das Finanzamt folgte der Berechnung und erließ einen entsprechenden Bescheid. Hiergegen erhob die GmbH Einspruch. Sie argumentierte, die in den EStR 2008 vorgenommene Erhöhung des Eintrittsalters auf 67 Jahre (für Geburtsjahrgänge ab 1962) sei willkürlich und nicht im Einklang mit der neueren BFH-Rechtsprechung. Die GmbH begehrte deshalb, für die Berechnung der Pensionsrückstellung weiterhin von einem Pensionseintrittsalter von 65 Jahren ausgehen zu können. Dies wurde vom Finanzamt abgelehnt.
Lösung
Das Hessische Finanzgericht schließt sich der Meinung der klagenden GmbH an. Die zentralen Argumentationspunkte des FG sind dabei:
- Unstreitig ist: Die GmbH ist zur Bildung einer Pensionsrückstellung und zur Vornahme jährlicher Zuführungen berechtigt.
- Nach § 6a Abs. 3 Satz 1 EStG darf die Pensionsrückstellung höchstens mit ihrem Teilwert angesetzt werden. Für die Berechnung des Teilwerts ist auf den vorgesehenen Eintritt des Versorgungsfalls abzustellen.
- Den in den EStR 2008 aufgestellten Mindestaltersgrenzen für die Berechnung der Pensionsrückstellung ist nicht zu folgen. Diese widersprechen dem direkten Wortlaut des EStG („… bis zu dem in der Pensionszusage vorgesehenen Zeitpunkt des Eintritts des Versorgungsfalls …“; § 6a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Der aktuelle Wortlaut des EStG würde im vorliegenden Fall sogar ein Pensionseintrittsalter von 60 Jahren rechtfertigen. Da die Klägerin lediglich die Rückstellungsbildung auf Basis des 65. Lebensjahres fordert, ist dies aber nicht Gegenstand des Urteils.
- Der BFH geht in seiner Rechtsprechung bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern grundsätzlich von einem Pensionseintrittsalter von 65 Jahren aus, und zwar auch dann, wenn dem Begünstigten in der Pensionszusage die Möglichkeit eingeräumt wird, von der gesetzlich flexiblen Altersgrenze Gebrauch zu machen. Die Anhebung der Altersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung ändert daran nichts, da diese Anhebung nicht für privatrechtlich vereinbarte Pensionszusagen gilt. Somit kommt es zu keiner Auswirkung auf bestehende Pensionszusagen.
- Insofern sieht das Finanzgericht keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer spätestens mit Erreichen des 65. Lebensjahres in den Ruhestand tritt.
- Aufgrund des klaren Gesetzeswortlauts ist das FG weder an die EStR noch an das BMF-Schreiben vom 3.7.2009 (IV C 6 – S 2176/07/10004) gebunden. Die Berechnung der Pensionsrückstellung auf Basis eines Pensionseintrittsalters von 65 Jahren ist zulässig.
Das Urteil bezieht sich auf eine bestehende Pensionszusage. Bei neu abgeschlossenen Pensionszusagen an Gesellschafter-Geschäftsführer dürfte ein vereinbartes Pensionsalter von 60 Jahren als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) gewertet werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn bei nicht an der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführern längere Lebensarbeitszeiten vereinbart sind. Das Finanzgericht stellt klar fest: Die Regelungen der EStR 2008 zur Pensionsrückstellung bei Gesellschafter-Geschäftsführern und das daran anknüpfende BMF-Schreiben widersprechen dem Gesetzeswortlaut des § 6a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG. Es bleibt abzuwarten, ob der BFH dieser Auffassung folgen und wie die Finanzverwaltung darauf reagieren wird.
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Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Operational Risk Manager Corporate Finance, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)
BC 10/2013
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