Dr. Hans-Jürgen Hillmer
BFH-Urteil vom 26.6.2013, I R 39/12
Pensionszusagen an beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer unterliegen dem sog. Nachzahlungsverbot; sie sind insoweit durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, als die für die Unverfallbarkeit von Pensionsansprüchen geltenden Fristen nicht an den Zeitpunkt der Erteilung der Pensionszusage, sondern an den früheren Zeitpunkt der Betriebszugehörigkeit anknüpfen.
Demgemäß ist die auf der Vereinbarung von Vordienstzeiten beruhende Rückstellungsbewertung durch den Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) außerbilanziell zu korrigieren.
Praxis-Info!
Problemstellung
In dem zum BFH gelangten Verfahren ging es um einen zunächst ohne Vergütung tätigen Geschäftsführer (A) eines geschlossenen Immobilienfonds in der Rechtsform einer 1998 gegründeten GmbH; parallel (und hauptberuflich) war A in einer AC-Sozietät und einer AC-GmbH tätig. Erst nach Einbringung der AC-Sozietät in 2002 erzielte die Immobilienfonds-GmbH Umsätze und Erträge.
Für die im Rahmen eines neuen Dienstvertrags dem A am 9.11.2002 nach der Einbringung erteilte Pensionszusage ging das Finanzamt (FA) davon aus, dass das Dienstverhältnis nicht bereits in 1998, sondern erst in 2002 begonnen habe. Dadurch vermindere sich die Pensionsrückstellung zum 31.12.2002. Infolgedessen werde betreffend das Streitjahr 2003 der Grenzbetrag (in Höhe von 204.517 €), der für die sog. Ansparabschreibung (nach § 7g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG 2002) mit Rücksicht auf den Wert des Betriebsvermögens zu beachten ist, überschritten.
Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg gab der von der GmbH eingereichten Klage mit Urteil vom 14.3.2012 (12 K 12081/09, EFG 2012, 1240) statt: Da eine GmbH mit ihrem Gesellschafter auch einen Anstellungsvertrag ohne Vereinbarung einer Vergütung schließen könne, seien auch solche „unentgeltlichen Dienstverträge“ für den Beginn des Dienstverhältnisses im Sinne von § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 EStG 2002 maßgeblich. Die Finanzverwaltung beharrte aber auf ihrem Standpunkt, weshalb der BFH zu entscheiden hatte.
Lösung
Der BFH teilte zwar die Ansicht der Vorinstanz, dass das Dienstverhältnis bereits mit der Aufnahme der Tätigkeit aufgrund des Anstellungsvertrags vom 21.2.1998 begonnen habe und dass das Betriebsgrößenmerkmal des § 7g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a EStG 2002 daher unter Berücksichtigung eines entsprechenden Rückstellungsbetrags zu überprüfen sei. Dennoch war das FG-Urteil im Ergebnis aufzuheben, weil das FG es versäumt habe, die aufgrund der Pensionsrückstellung eingetretene Gewinnminderung mit Blick auf den Verstoß gegen das sog. Nachzahlungsverbot durch den Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 2002 außerbilanziell zu korrigieren.
Aus der sehr ins Detail gehenden BFH-Begründung lassen sich die folgenden Kernsätze entnehmen, die in der Bilanzierungspraxis vor allem für die Fälle von Bedeutung sind, in denen ein Gesellschafter-Geschäftsführer zunächst ohne Vergütung tätig ist und dann im Rahmen eines neuen Dienstvertrags eine Pensionszusage erhält:
- Abgrenzung der erfassten Pensionsberechtigten: Zu den nach § 6a Abs. 1 Nr. 1 EStG 2002 Pensionsberechtigten können nicht nur Arbeitnehmer, sondern auch Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH gehören, die (wie im Streitfall A ab dem 1.11.2002) zur pensionsverpflichteten Gesellschaft in einem Dienstverhältnis stehen.
- Beginn des Dienstverhältnisses: Ein Dienstverhältnis (im Sinne von § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Sätze 2 und 3 EStG 2002) hat mit dem tatsächlichen Dienstantritt beim Dienstberechtigten begonnen.
- Berücksichtigung von Vordienstzeiten: Wird vor Erteilung der Pensionszusage der mit dem zusagenden Unternehmen geschlossene Anstellungsvertrag beendet und ein neuer Dienstvertrag geschlossen, so sind die Dienstzeiten aus dem ersten Rechtsverhältnis als sog. Vordienstzeiten zu berücksichtigen, wenn deren Anrechnung für die im Verlauf des zweiten Dienstverhältnisses erteilte Pensionszusage vereinbart wird. Letzteres gilt auch, wenn es sich bei dem (ersten) Anstellungsvertrag mangels Vergütungsanspruch um einen Auftrag im Sinne von § 662 BGB gehandelt hat.
- Nachzahlungsverbot bei Pensionszusagen: Pensionszusagen an beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer unterliegen in Anwendung des formellen Fremdvergleichsgrundsatzes dem sog. Nachzahlungsverbot: Demgemäß sind sie insoweit durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, als die für die Unverfallbarkeit von Pensionsansprüchen geltenden Fristen nicht an den Zeitpunkt der Erteilung der Pensionszusage, sondern an den früheren Zeitpunkt der Betriebszugehörigkeit anknüpfen (ständige Rechtsprechung).
- Rückwirkende Abreden: Die aus dem Nachzahlungsverbot für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer abzuleitende Wertung, dass die vereinbarte Anrechnung von Vordienstzeiten durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, kennzeichnet die Pensionszusage von Anfang an und damit auch vor Eintritt des Leistungsfalls. Die Anrechnungsabrede (im Falle einer vor Erteilung der Pensionszusage beginnenden Betriebszugehörigkeit) hat demgemäß zur Folge, dass die Höhe der Pensionsrückstellung nicht nach dem Zusagezeitpunkt (hier: 9.11.2002), sondern nach dem vereinbarten früheren Dienstbeginn (hier: aufgrund des Anstellungsvertrags vom 21.2.1998) berechnet und damit angesichts des höheren Rückstellungsausweises (Teilwertsprung) das Vermögen der pensionsverpflichteten Kapitalgesellschaft (d.h. der Unterschiedsbetrag gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG 2002) gemindert wird.
Wer bei Regelungen zur Unverfallbarkeit einer Versorgungszusage auf einen weit früheren Beginn der Betriebszugehörigkeit abstellt, muss eine solche Anrechnungsabrede dann mit aller Konsequenz der Bewertung einer erteilten Zusage zugrunde legen. Der im Schrifttum vertretenen Ansicht, dass eine wie im Streitfall vorliegende rückwirkende Abrede erst dann zu einer Vermögensminderung bei der pensionsverpflichteten Kapitalgesellschaft führe, wenn das Dienstverhältnis unter Aufrechterhaltung der Pensionsansprüche vor Eintritt des Versorgungsfalls (d.h. vorzeitig) beendet werde und deshalb die Rückstellung unter Berücksichtigung der Unverfallbarkeitsabrede nach § 6a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Halbsatz 1 EStG 2002 bewertet werden müsse, hat sich der BFH ausdrücklich nicht angeschlossen. Einer Rückstellungsbewertung nach Maßgabe des tatsächlichen Dienstbeginns steht gegebenenfalls nicht entgegen, dass die einem Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH (ohne Umwandlung von Barlohn) erteilte sog. Nur-Pensionszusage eine Überversorgung begründet, die als Vorwegnahme künftiger und am Bilanzstichtag ungewisser Erhöhungen der Pensionsleistungen zu werten ist und deshalb eine Kürzung des Rückstellungsausweises nach § 6a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Satz 4 EStG 2002 auslöst. Pensionszusagen können unter bestimmten Voraussetzungen auch ohne Wahrung einer persönlichen Probezeit und ohne eine unternehmensbezogene Wartezeit zur Einschätzung der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung des Betriebs erteilt werden. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass es solcher Karenzzeiten für die Erteilung einer Pensionszusage nicht bedarf, wenn die Befähigung des pensionsberechtigten Geschäftsführers bekannt ist und die Ertragserwartungen des eingebrachten Betriebs aufgrund der bisherigen unternehmerischen Tätigkeit hinreichend sicher abgeschätzt werden können.
|
Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld
BC 1/2014
becklink353441