Dr. Hans-Jürgen Hillmer
BFH-Urteil vom 21.1.2014, IX R 37/12
Ein fortdauernder Veranlassungszusammenhang von (nachträglichen) Schuldzinsen mit früheren Einkünften ist nicht anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige zwar ursprünglich mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hat, seine Absicht zu einer (weiteren) Einkünfteerzielung jedoch bereits vor der Veräußerung des Immobilienobjekts aus anderen Gründen weggefallen ist. Entsprechende Prüfungen sind bei unterschiedlichen Vermietungsarten nicht summarisch, sondern stets objektbezogen vorzunehmen.
Praxis-Info!
Problemstellung
Zur Darlehensfinanzierung eines Immobilienerwerbs hat der BFH erst kürzlich seine Rechtsprechung bezüglich nachträglicher Schuldzinsen bei Vermietungseinkünften geändert: Mit Urteil vom 20.6.2012 (IX R 67/10, zwischenzeitlich im Rahmen einer Entscheidung vom 8.4.2014, IX R 45/13, fortgeführt) wurde entschieden, dass Schuldzinsen für ein Darlehen, das ursprünglich zur Finanzierung von Anschaffungskosten einer zur Vermietung bestimmten Immobilie aufgenommen wurde, auch dann noch als nachträgliche Werbungskosten abgezogen werden können, wenn das Gebäude veräußert wird, der Veräußerungserlös aber nicht ausreicht, um die Darlehensverbindlichkeit zu tilgen. Sogar auf ein Refinanzierungs- oder Umschuldungsdarlehen gezahlte Schuldzinsen können im Einzelfall durch die (frühere) Einkünfteerzielung veranlasst sein.
Vor diesem Hintergrund ist der nun entschiedene Sachverhalt zu betrachten, in dem als Kläger ein Arzt auftrat, der 1999 ein u.a. mit einer Gaststätte und mit sieben Ferienwohnungen bebautes Grundstück erworben hatte, aus dem er in den Streitjahren 2003 bis 2006 (negative) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielte. Im Zeitpunkt des Erwerbs bestand für das gesamte Objekt bzw. das gesamte Grundstück zunächst ein auf zehn Jahre befristetes Mietverhältnis, das aber in 2003 infolge der Insolvenz des Mieters beendet wurde. Die Bemühungen, die Ferienwohnungen u.a. über die Kurverwaltung zu vermarkten, hatten nur wenig Erfolg, weshalb wegen mangelnder Rentabilität des Gesamtobjekts parallel ab Mai 2003 der Versuch unternommen wurde, das Objekt zu veräußern. Dies gelang letztlich erst 2008 – im Wege der Veräußerung an seine Tochter.
Das Finanzamt ging davon aus, dass der Arzt seine Einkünfteerzielungsabsicht insoweit wegen der seit 2003 unternommenen Verkaufsbemühungen aufgegeben habe, und berücksichtigte dementsprechend die vom Kläger in den Streitjahren ermittelten negativen Einkünfte aus der Immobilie nicht.
Lösung
Für die Klärung dieses Streitfalls war dem BFH zunächst nicht wichtig, ob die Beträge der erzielten Einnahmen auf eine Einkünfteerzielungsabsicht schließen lassen oder von „Liebhaberei“ auszugehen ist. Entscheidend war vielmehr im Rahmen der BFH-Beurteilung, dass das Finanzgericht (FG) als Vorinstanz auf das Gesamtgrundstück abgestellt hatte. Die Einkünfteerzielungsabsicht ist aber nur dann in Bezug auf das gesamte Grundstück zu prüfen, wenn sich auch die Vermietungstätigkeit auf das gesamte Grundstück richtet. Werden hingegen verschiedene, auf einem Grundstück gelegene Gebäudeteile (einzeln) vermietet, bezieht sich die Einkünfteerzielungsabsicht jeweils nur auf das entsprechende Objekt. Dies habe das FG nicht beachtet, weshalb der BFH auf Aufhebung des FG-Urteils entschied und die Klärung zurückverwies. Dabei wird das FG insbesondere der Frage nachzugehen haben, ob der Kläger hinsichtlich sämtlicher auf dem Grundstück befindlichen Immobilienobjekte mit Einkünfteerzielungsabsicht gehandelt hat. Der BFH unterscheidet für die Neuverhandlung drei Szenarien:
- Sofern diese ergeben sollte, dass der Kläger seine Einkünfteerzielungsabsicht zwischenzeitlich nicht aufgegeben hat, sind die erklärten Einkünfte des Klägers dem Grunde nach zu berücksichtigen, aber der Höhe nach zu prüfen.
- Stellt sich aber heraus, dass der Kläger zu einem bestimmten Zeitpunkt seine Einkünfteerzielungsabsicht hinsichtlich des Gesamtobjekts aufgegeben und diese nicht (auch nicht hinsichtlich einzelner Objekte) wieder aufgenommen hat, scheidet ein Abzug (nachträglicher) Schuldzinsen aus (siehe BFH-Urteil vom 20.6.2012, IX R 67/10, Rn. 24).
- Kommt das Gericht im 2. Rechtszug zu dem Ergebnis, der Kläger habe zu einem bestimmten Zeitpunkt seine Einkünfteerzielungsabsicht hinsichtlich des Gesamtobjekts aufgegeben und diese nur hinsichtlich einzelner Objekte auf dem Grundstück wieder aufgenommen, sind die geltend gemachten Schuldzinsen gegebenenfalls anteilig bei den hinsichtlich dieser Objekte noch zu ermittelnden Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.
Praxishinweise: Für vergleichbare Praxisfälle ist der BFH-Entscheidung vor allem Folgendes zu entnehmen: Werden mehrere Objekte auf der Grundlage verschiedener Rechtsverhältnisse (wie z.B. hier eine Gaststätte und acht Wohnungen) vermietet, so ist jede Tätigkeit grundsätzlich je für sich zu beurteilen. - Vermieter sind allein schon vor dem Hintergrund der sog. und gar nicht so seltenen „Mietnomaden“ oft nicht zu beneiden. Steuerliches Gefahrenland betreten insbesondere solche, die mit einer Objekt-Veräußerung schlechten Erfahrungen ein Ende bereiten wollen. Denn dann haben sie nicht nur mit Mietausfällen etc. zu kämpfen, sondern sehen nicht selten ein steuerliches „Damoklesschwert“ auf sich gerichtet: Sobald Veräußerungsbestrebungen auch nur neben Vermietungsbemühungen treten, argwöhnt der Fiskus „Liebhaberei“.
- Ob von einer solchen hier auszugehen ist, geben die veröffentlichten Entscheidungsgründe nicht her; der BFH verweist insoweit nur sehr knapp auf Anhaltspunkte für die Feststellung des Weiterbestehens einer Einkünfteerzielungsabsicht hinsichtlich vormals dauerhaft vermieteter, aktuell jedoch renovierungs- oder zumindest umgestaltungsbedürftiger Objekte. So könnten und müssten im Streitfall beispielsweise auch der zeitliche Zusammenhang zwischen Umgestaltung bzw. Renovierung und späterer (tatsächlicher) Vermietung oder auch die (fehlende) Absehbarkeit, ob und gegebenenfalls wann die Räume im Rahmen der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung genutzt werden sollen, als Indizien herangezogen werden.
- Ebenfalls lässt sich den Entscheidungsgründen nicht entnehmen, ob es sich bei der Erwerberin um eine besonders schöne Arzttochter gehandelt hat, die der „Liebhaberei“ in anderer Hinsicht gefrönt haben mag.
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Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld
BC 6/2014
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