Dr. Hans-Jürgen Hillmer
BFH-Urteil vom 7.5.2014, X R 19/11
Über mehrere Jahre gewährte „Sanierungszuschüsse“, die als verdeckte Einlagen zu qualifizieren sind und demgemäß zu nachträglichen Anschaffungskosten führen, stehen einer Teilwertabschreibung auf eine GmbH-Beteiligung nicht generell entgegen. Im Rahmen der konkreten Teilwertüberprüfung sind insbesondere angemessene Geschäftsführerbezüge in Abzug zu bringen.
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Problemstellung
Dem vom BFH entschiedenen Streitfall lag eine GmbH zugrunde, die der Kläger (K) mit einer Stammeinlage von 50.000 DM errichtet hatte und für die er als Geschäftsführer tätig war. Nach mehrmaligen Verlusten beschloss K erstmals im Oktober 2000, der GmbH einen „einmaligen Sanierungszuschuss“ von 180.000 DM zu gewähren. Dieser sollte „zur Wiederherstellung der Kapitaldienstfähigkeit“ dienen und war mit Forderungen, die gegenüber der GmbH bestehen, zu verrechnen. Auch in den Folgejahren gewährte der Kläger der GmbH entsprechende Sanierungszuschüsse von 180.000 DM (2001) und 100.000 € (2002) sowie nochmals 80.000 € (2003). Nachdem sich die Banken, welche die GmbH finanzierten, zu einem Forderungsverzicht bereiterklärt hatten, kam es in 2006 zur Liquidation der GmbH.
Die zwischenzeitlich angesetzten Gewinnminderungen infolge der Teilwertabschreibung und der Sanierungszuschüsse hatte das Finanzamt nicht mehr anerkannt. Einsprüche und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (vgl. EFG 2011, 1419) kam zu dem Ergebnis, eine Teilwertabschreibung komme nicht in Betracht, weil nicht erkennbar sei, dass der Wert der Beteiligung dauerhaft unter die ursprünglichen Anschaffungskosten von 50.000 DM gesunken sei. Entscheidend seien die Ertragsaussichten des Gesamtunternehmens, in die auch das dem K gezahlte Geschäftsführergehalt einzubeziehen sei. Auch die Sanierungszuschüsse seien nicht gewinnmindernd zu berücksichtigen, da sie nicht durch den Betrieb des (verpachtenden) Einzelunternehmens des K, sondern durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewesen seien.
Lösung
Im Rahmen seiner Begründung stellt der BFH – insoweit dem Finanzgericht (FG) noch folgend – zunächst fest: Bei den Sanierungszuschüssen, welche von K der Betriebs-GmbH in den Streitjahren 2000, 2001 und 2002 gewährt worden sind, handle es sich um verdeckte Einlagen in die GmbH; diese führen zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung. Ferner habe das FG auch zutreffend entschieden, eine sofortige Abschreibung komme im jeweiligen Jahr der Zuschussgewährung nicht in Betracht. Es sei aber zu Unrecht davon ausgegangen, dass allein aufgrund der fortlaufenden Zuschussgewährung eine Abschreibung auf die Beteiligung generell ausscheidet.
Ausschlaggebend ist nach den weiteren BFH-Ausführungen insoweit zunächst die Berücksichtigung der funktionalen Bedeutung der Beteiligung an der Betriebsgesellschaft. Für deren Bewertung ist eine Gesamtbetrachtung der Ertragsaussichten von Besitz- und Betriebsunternehmen anzustellen. Hierbei hat der Steuerpflichtige den Nachweis über das drastische Sinken der Ertragsaussichten zu führen, dass ein Erwerber des Besitzunternehmens für die Anteile an der Besitzkapitalgesellschaft, die zu dessen Betriebsvermögen gehören, einen hinter den Anschaffungskosten zurückbleibenden Preis zahlen würde. Sodann kann eine diesbezügliche Teilwertabschreibung vorgenommen werden, wenn nicht die mit Blick auf den Vermögenswert ebenfalls vorzunehmende Gesamtbetrachtung dem entgegensteht.
Die BFH-Rechtsprechung, wonach eine Teilwertabschreibung eines Sanierungszuschusses ausscheidet, wenn dieser nicht ausschließlich zur Abwendung der Insolvenz gewährt wird, findet in dieser strikten Form nur im Jahr der Zuschussgewährung Anwendung. Für die Folgejahre ist unter Heranziehung der gerade dargestellten allgemeinen Grundsätze zu prüfen, ob der Teilwert tatsächlich noch den (erhöhten) Anschaffungskosten entspricht.
Beispiel: Übertragen auf den Streitfall bedeutet dies: Die „Sanierungszuschüsse“ dürfen zwar nicht in den Jahren abgeschrieben werden, in denen sie gewährt wurden, aber eventuell in den Folgejahren. Konkret heißt das beispielsweise für den Sanierungszuschuss des Jahres 2002 in Höhe von 100.000 €, dass insoweit keine Berechtigung zu einer sofortigen Abschreibung besteht. Es ist dem BFH zufolge jedoch möglich, dass der Wert der GmbH zum 31.12.2003 unter die Anschaffungskosten, die zum 31.12.2002 gesetzt worden sind, gesunken war. |
Dem FG wirft der BFH hierbei vor, nicht beachtet zu haben, dass bei der Beurteilung des Ertragswerts eines Unternehmens von dem zugrunde gelegten Gewinn bzw. maßgeblichen Ertrag u.a. ein angemessener Unternehmerlohn abzuziehen ist. Bei einem von einer Kapitalgesellschaft betriebenen Unternehmen wird deshalb der Ertragswert durch denjenigen Ertrag bestimmt, der nach Abzug angemessener Geschäftsführerbezüge verbleibt. Selbst wenn das Unternehmen nicht ausschließlich oder vorwiegend nach dem Ertragswert bewertet wird, sondern wie etwa bei der sog. Mittelwertmethode Substanz- und Ertragswert je zur Hälfte berücksichtigt werden, wirkt sich der Unternehmerlohn wertmindernd aus (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 12.5.2003, GrS 2/00, BStBl. II 2004, 100, unter C.II.1.b)). Entgegen dieser Rechtsprechung habe das FG bei der Beurteilung der Gesamtertragslage des im Wege einer Betriebsaufspaltung geführten Unternehmens die Gehälter, welche dem Kläger von der GmbH gezahlt wurden, vollumfänglich als im Unternehmen erwirtschaftete Erträge einbezogen. Im Ergebnis wurde das Verfahren zwecks neuer Ermittlung der konkreten Beteiligungswerte deshalb an das FG zurückverwiesen.
- Die Vermutung, dass sich der Teilwert eines Wirtschaftsguts im Zeitpunkt seiner Anschaffung oder Herstellung mit den tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten deckt, gilt nicht ohne Weiteres unwiderleglich für zusätzliche Anschaffungskosten in Gestalt verdeckter Einlagen. Denn durch die Leistung verdeckter Einlagen werden keine neuen Anteile an der Kapitalgesellschaft angeschafft oder hergestellt. In der Regel wird lediglich der Wert der vorhandenen Anteile erhöht. Die Werterhöhung kann jedoch im Einzelfall durch andere Umstände, die den Wert mindern, ausgeglichen werden.
- Bei Sanierungszuschüssen hat der BFH eine Teilwertabschreibung im Jahr des Zuschusses generell versagt, wenn der Beteiligungsgesellschaft aufgrund kaufmännischer Erwägungen neue Finanzmittel in erster Linie mit dem Ziel einer Sanierung und damit zur Wiederherstellung der Ertragsfähigkeit, nicht jedoch allein zur Abwendung eines Konkurses (nunmehr: Insolvenz) gewährt werden. Danach gilt für solche Zuschüsse die allgemeine Vermutung, dass der Teilwert im Zeitpunkt der Anschaffung den Anschaffungskosten entspricht. Ob eine verdeckte Einlage ausschließlich der Abwendung der drohenden Insolvenz oder (auch) der Wiederherstellung der Rentabilität dient, ist Tatfrage, die also nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden ist.
- Dabei ist es – so ein ausdrücklicher Hinweis des BFH für den zweiten Rechtsgang – grundsätzlich Aufgabe des jeweiligen Klägers, anhand objektiver Anhaltspunkte darzulegen, dass sich der innere Wert der Beteiligung zu den einzelnen Bilanzstichtagen gegenüber den ursprünglichen Anschaffungskosten und den als nachträgliche Anschaffungskosten zu behandelnden Zuschüssen gemindert hat. Hier ist das sprichwörtliche Schweigen also keinesfalls die Goldlösung.
- Ebenfalls für sog. Sanierungszuschüsse hatte der BFH zuvor mit Urteil vom 24.7.2013, IV R 30/10, zu klären versucht (vgl. dazu Hillmer, BC 2014, 52, Heft 2), ob eine Wertminderung „voraussichtlich dauernd“ ist. Dies müsse unter Berücksichtigung der Eigenart des jeweiligen Wirtschaftsguts beurteilt werden. In dem entschiedenen Fall kam es dabei insbesondere auf ein eventuelles Rückzahlungsrisiko an.
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Dipl.-Kfm. Dr. Hans-Jürgen Hillmer, Coesfeld
BC 11/2014
becklink362346