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Forderungsverzicht: Ermittlung des Teilwerts einer verdeckten Einlage

Christian Thurow

FG Hamburg, Urteil vom 12.2.2014, 6 K 203/11 (rkr.)

 

Gerade in Krisensituationen kann es notwendig sein, bestehende Darlehen der Gesellschafter in Eigenkapital umzuwandeln. Hierbei stellt sich allerdings die Frage, ob die Forderungen der Gesellschafter noch voll werthaltig sind. Das Finanzgericht Hamburg hat in einem aktuellen Urteil ausführlich Stellung zur Ermittlung des Teilwerts einer solchen verdeckten Einlage genommen.

 

 

Praxis-Info!

 

Problemstellung

Eine Aktiengesellschaft gewährte ihrer Tochter-GmbH ein verzinstes Kontokorrentdarlehen. Um eine Überschuldung der GmbH zu vermeiden, verzichtete die AG später auf einen Teilbetrag des Darlehens. Zu diesem Zeitpunkt wies die GmbH – wie schon im Vorjahr – einen „nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag aus”. Die Umsatzerlöse waren seit Jahren rückläufig; ohne Verzicht auf das Darlehen wäre im Streitjahr ein Verlust entstanden.

Aus Sicht des Finanzamts war die Einlage daher als nicht werthaltig anzusehen. Dem widersprach die AG u.a. mit Hinweis auf den hohen Cashflow der GmbH, der eine jederzeitige Rückzahlung des Darlehens zugelassen hätte. Aufgrund des erfolglosen Einspruchs erhob die AG Klage.

 

 

Lösung

Das Finanzgericht (FG) Hamburg gab in seinem Urteil der AG (Klägerin) recht. In seiner Urteilsbegründung entwirft es hierzu ein mehrschichtiges Prüfschema für die Ermittlung der Werthaltigkeit. Zunächst stellt (nach Auffassung des FG) der Teilverzicht eine verdeckte Einlage dar. Der durch den Forderungsverzicht entstandene Gewinn ist daher außerbilanziell in voller Höhe zu neutralisieren. Die Forderung war zum Zeitpunkt der Einlage werthaltig. Dies ergibt sich aus folgenden Prüfungshandlungen:

  • Ausgangspunkt ist der Vermögensstatus der Tochtergesellschaft laut Handelsbilanz. Liegt eine bilanzielle Überschuldung vor, so ist zu prüfen, ob auch eine wirtschaftliche Überschuldung vorliegt. Das heißt: Es ist zu ermitteln, ob die stillen Reserven die bilanzielle Überschuldung ausgleichen.
  • Liegt keine wirtschaftliche Überschuldung vor, ist abzuschätzen, ob eine positive Gewinn- und Liquiditätsprognose besteht. Der Teilwert der Forderung ergibt sich aus dem Wert, den ein gedachter Erwerber der Forderung bereit ist zu zahlen. Hierbei kommt es auf die Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit des Schuldners an. Dem wird u.a. mit der erwähnten positiven Fortführungsprognose Rechnung getragen. Dabei wird anhand der Unternehmensplanung geprüft, ob die Gesellschaft in der Zukunft aller Voraussicht nach genug Gewinne und Cashflow erwirtschaften wird. Im Ausgangsfall wurde dazu auf die Umsatzplanung, die dem IFRS-Konzernabschluss zugrunde liegt, abgestellt.
  • Liegt der Marktzinssatz über dem vereinbarten Zinssatz, so ist der Nennwert der Forderung in Höhe der Zinsdifferenz abzuzinsen. Als Abzinsungszeitraum ist dabei auf den Zeitraum bis zur voraussichtlichen Tilgung abzustellen. Der Zeitpunkt der voraussichtlichen Tilgung kann entweder vertraglich festgelegt sein oder sich aus den wirtschaftlichen Umständen ergeben. Im Ausgangsfall kam ein Gutachter zu dem Schluss, das Kontokorrentdarlehen hätte auf Basis der Liquiditätsplanung in rund drei Jahren vollständig zurückgeführt werden können. Daher wurde dieser Zeitraum als Abzinsungszeitraum verwendet.
  • Bei einer Gesellschafterforderung ist darüber hinaus auch die funktionale Bedeutung des Schuldners im Konzernverbund ausschlaggebend. Ein bestehender Rückhalt im Konzern (etwa aufgrund der strategischen Bedeutung der Tochtergesellschaft) ist als ausreichende Sicherheit für das Darlehen anzusehen, soweit die Tochtergesellschaft ihren Außenverpflichtungen vollumfänglich nachkommt.

Somit ergibt sich aus dem Urteil folgendes Prüfschema:

 

 

Abb. Prüfschema zur Feststellung der Werthaltigkeit von Gesellschafterforderungen

 

 

Praxishinweis:

Bei dem obigen Beurteilungsschema gibt es zwei Bereiche mit möglichem Konfliktpotenzial:

  • Bewertung der stillen Reserven bei bilanzieller Überschuldung: Im Ausgangsfall lagen die stillen Reserven ausschließlich im immateriellen Anlagevermögen. Dieses wurde von einem Wirtschaftsprüfer unter Anwendung des IDW S5 bewertet. Dabei wurde vom Finanzamt bemängelt, dass die Methodenwahl (Lizenzanalogiemethode) und die zugrunde gelegten Parameter nicht ausreichend erläutert waren. Zwar folgte das Gericht der Auffassung des Finanzamts nicht, doch zeigt es, auf welchen Detaillierungsgrad abgestellt wird.
  • Gewinn- und Liquiditätsprognose: Die Prognose sollte sich im Einklang mit der allgemeinen Unternehmensplanung befinden und nicht auf Basis eines „Best Case” erstellt werden.

 

 

Christian Thurow, Dipl.-Betriebsw. (BA), Operational Risk Manager Corporate Finance, London (E-Mail: Thurow@virginmedia.com)

 

 

BC 6/2014

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